Trend zur Nachhaltigkeit löst Innovationsschub aus

Durch die Energiekrise und die Lieferkettenprobleme der vergangenen Jahre hat sich das Thema Nachhaltigkeit in den meisten Unternehmen von der Kür zum Pflichtprogramm entwickelt. Der dringende Handlungsbedarf fördert dabei auch die Lust und Bereitschaft zur Innovation – zahlreiche spannende Projekte nehmen in Bremen und Bremerhaven zurzeit an Fahrt auf.

Die bremische Industrie ist überdurchschnittlich energieintensiv und steht dadurch vor besonderen Herausforderungen beim Wandel zum nachhaltigen Wirtschaften. An der Transformation führt jedoch kein Weg vorbei, daher wächst die Zahl ambitionierter Klima-, Ressourcen- und Naturschutzprojekte rasant – häufig als Kooperation zwischen Wirtschaft, Staat und Wissenschaft.

Eine wichtige Basis für den Schub an Nachhaltigkeitsprojekten bildet die Bremer „Klimaschutzstrategie 2038“ des Senats, die auf der Arbeit einer Enquetekommission beruht, an der sich auch die Handelskammer aktiv beteiligte. Präses Eduard Dubbers-Albrecht betonte in einer Stellungnahme zum Abschlussbericht der Kommission: „Die Wirtschaft steht zu vielen der im Abschlussbericht genannten Klimaschutzziele. In den Unternehmen wird hier seit langem viel getan. Es wird jetzt vor allem darauf ankommen, über Anreize für Innovationen ehrgeizige Klimaschutzziele zu erreichen. Dabei ist wichtig, dass eine konsequente Kosten-Nutzen-Betrachtung leitend ist. In den Blick müssen vor allem diejenigen Maßnahmen genommen werden, bei denen mit vertretbaren Mitteln viel erreicht werden kann.“

Die Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven arbeite bereits heute an vielfältigen Projekten, Initiativen, Produkten und Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, die einen verstärkten Klimaschutz konstruktiv unterstützen. „Gleichzeitig liegen in den Innovations- und Transformationsprozessen auch wirtschaftliche Chancen für die Unternehmen, zum Bespiel im Bereich Wasserstofftechnologie. Die Bremischen Häfen bieten mit ihrer Infrastruktur ideale Möglichkeiten als Im- und Exportterminal für Grünen Wasserstoff. Die jüngste Entwicklung hinsichtlich Lagerung und Umschlag von CO2 ist ein gutes Beispiel für die Leistungsfähigkeit und Möglichkeiten der Bremischen Häfen“, so der Handelskammer-Präses.

Für den Zeitraum bis 2025 stellt der Senat 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung, bis 2038 sollen es 8 Milliarden Euro sein. Im April 2023 konkretisierte der Senat einige Maßnahmen aus der sogenannten „Fastlane“ der Klimaschutzstrategie. Dazu zählt eine Machbarkeitsstudie für die Umsetzung des Energiehauses: Das ehemalige Kühlhaus in der Überseestadt soll saniert und zu einer hochmodernen Energieleitzentrale umgestaltet werden, die Unternehmen in der direkten Umgebung mit klimafreundlich erzeugter Wärme und Strom versorgt. Abwärme aus den Anlagen der Umgebung soll im Energiehaus zwischengespeichert und bei Bedarf abgegeben werden.

Ein weiterer Schwerpunkt: Das Landesförderprogramm zur klimaneutralen Transformation der Wirtschaft soll insbesondere die Produktion, Speicherung, Verteilung und Nutzung von grünem Wasserstoff unterstützen. Dies können zum Beispiel Projekte sein, die industriell benötigte Hitze durch Wasserstoff statt Öl oder Erdgas erzeugen, etwa bei der Fliesenherstellung.

Bereits jetzt befinden sich mehrere Projekte auf dem Weg zur Umsetzung, bei denen sich Unternehmen zusammengeschlossen haben, um ihre Energieversorgung zukunftsfähig aufzustellen. So baut das Gemeinschaftsunternehmen HYCity Bremerhaven ein Wasserstoffökosystem mit Tankstelle und Elektrolyseur zur Wasserstoffproduktion auf. Die Bremer Überseeinsel GmbH gewann kürzlich den Immobilienmanager-Award 2023 für die beste Stadtentwicklung, weil sie Windkraft, Sonnenenergie und Wasser aus der Weser zur Energieerzeugung nutzt. Im Bremerhavener Fischereihafen diskutieren mit Frosta, Frozen Fish International, Deutsche See, Holz Cordes und Nordceram fünf namhafte Unternehmen über die gemeinsame Energiebeschaffung. Denkbar ist beispielsweise die Nutzung von Abwärmen aus Produktionsprozessen oder die gemeinsame Nutzung von Photovoltaikanlagen.

Solardachpflicht kommt

Neben der Klimaschutzstrategie wird auch die kommende Solardachpflicht viele Bremer und Bremerhavener Unternehmen betreffen. Das vom Senat im März 2023 beschlossene Gesetz sieht vor, dass die geeigneten Dächer von Neubauten ab Mitte 2025 mit Solaranlagen ausgestattet werden müssen. Bereits ab Mitte 2024 soll die Pflicht greifen, wenn nur das Dach grundlegend saniert wird. Darüber sind Bauträger beim Neubau versiegelter Stellplätze für Kraftfahrzeuge ab einer Gesamtgröße von 25 Stellplätzen verpflichtet, diese zu mindestens 60 Prozent zu überdachen und möglichst weitgehend mit einer Photovoltaikanlage auszustatten. Neben den Förderprogrammen des Bundes soll auch ein Landesprogramm aufgelegt werden, um die Bauherren bei den Investitionen zu unterstützen. Beratung bietet dabei unter anderem das Klima Bau Zentrum in der Bremer Innenstadt an. Die Handelskammer hatte im Gesetzgebungsprozess mehrere Änderungsvorschläge vorgebracht. Unter anderem wurde darauf gedrungen, flankierende Beratungs- und Finanzierungsangebote zu schaffen. Außerdem betonte die Handelskammer, dass Anreize und Bürokratieabbau dem Solarausbau mehr helfen würden als Vorschriften allein.

Dass sich Solarenergie in Bremen rentieren kann, zeigt das Logistikzentrum „C3 Bremen“, ein Gemeinschaftsprojekt der BLG Logistics Group mit Mercedes-Benz. Auf dem Dach der Halle ist eine 80.000 Quadratmeter große Photovoltaik-Anlage installiert – die bundesweit größte Solaranlage auf einer Industrie-Immobilie. „Groß und gesamtheitlich gedachte Projekte wie dieses sind genau, was wir brauchen, um unsere Klimaziele zu erreichen und Deutschland zur Treibhausgasneutralität zu führen“, betonte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Einweihung.

Auch als Anbieter von klimaschonenden Technologien haben Bremer und Bremerhavener Unternehmen Erfolg. Die Firma Adler Solar beschäftigt aktuell 100 Solarexperten in Bremen und will neben den Standorten in München, Meißner und Oldenburg weitere Niederlassungen eröffnen. Die seit Jahren steigenden Strompreise haben Photovoltaik für Unternehmen und Eigenheim-Besitzer attraktiv gemacht. „Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und mit der notwendigen rechtlichen Deregulierung auch Wohnungsbaugesellschaften die Chance für Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern eröffnen“, sagt Gerhard Cunze, der das Unternehmen zusammen mit Tobias Döpkens als geschäftsführender Gesellschafter leitet. „Der Zubau von Photovoltaik, gerade in urbanen Räumen wie Bremerhaven und Bremen, wird sich jährlich deutlich steigern.“