Der Bremer Wolfgang Werner zählt zu den bedeutendsten Kunsthändlern in Deutschland und darüber hinaus, wenn es um Werke der klassischen Moderne geht. Nun feiert sein Haus den 100. Geburtstag.
Es war eine aufregende Zeit, als 1920 in Bremen das Graphische Kabinett als eine von mehreren Dependancen des Berliner Kunsthändlers Israel Ber Neumann gegründet wurde. Die Malerei hatte eine ihrer intensivsten Phasen – Impressionisten, Expressionisten und Dadaisten von Weltrang schufen ihre Werke. Was heute Klassiker sind, war zu jener Zeit oft viel diskutierte Gegenwartskunst. Und die war dank des Graphischen Kabinetts auch in Bremen zu sehen: Beckmann, Dix, Kokoschka, Grosz, Cezanne, Monet, Nolde, Marc, Oelze …..
Das ist noch heute noch so, 100 Jahre später. Wolfgang Werner betreibt im Haus Rembertistraße 1a – einem klassizistischen Bau mit wunderschönem Blick in die Wallanlagen – den Kunsthandel, dessen Wurzeln auf das Graphische Kabinett zurückreichen. Dieses ging wenige Jahre nach der Gründung in die Hände der Familie Voigt über. Seit 95 Jahren besteht es an diesem Ort, seit 50 Jahren unter der Regie von Werner. Mit gerade mal 26 Jahren hatte er den Kunsthandel von Ursula Voigt übernommen; zuvor hatte er bei ihr als Student der Kunstgeschichte mitgearbeitet. „Das passte. Ich wollte immer in den Kunsthandel – 1970 hatte ich dann in Bremen meine eigene Galerie“, so Werner.
Maßgeblicher Einfluss durch Paula Modersohn-Becker
Es ist ein Spezialhandel, den Wolfgang Werner seit einem halben Jahrhundert führt. Er kennt sich auf dem Markt der klassischen Moderne aus wie kaum ein anderer, er hat die richtigen Kontakte in alle Ecken der Welt – und den richtigen Riecher, wenn es darum geht, hochwertige Werke aus einer der fruchtbarsten Schaffensphasen der Kunstgeschichte in die richtigen Hände zu leiten. Unter seiner Ägide kamen Surrealismus und Bauhaus mit ins Programm. Die Ausstellungen in seinem Haus sorgten weit über Bremen hinaus für Aufsehen und lesen sich wie ein Who is who der jüngeren Kunstgeschichte. Es gibt kaum einen bedeutenden Namen, der nicht auftaucht – eine Aufzählung würde diesen Text sprengen.
Der für Wolfgang Werner wichtigste Name ist der einer Frau: Paula Modersohn-Becker. Das Wirken der Expressionistin ist untrennbar mit Bremen und Worpswede verbunden und hat auch das Leben des Kunsthändlers maßgeblich beeinflusst. Als Wissenschaftler hat er umfassende Arbeiten und Verzeichnisse über die Künstlerin verfasst, die heute kunsthistorische Grundlagenwerke sind. Wolfgang Werner ist es auch zu verdanken, dass Paula Modersohn-Becker heute im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) hängt, der vielleicht bedeutendsten Sammlung der Welt. Unter anderem mit bedeutenden Ausstellungen der Künstlerin in Kopenhagen und Paris hatte Werner die Aufnahme im MoMA „vorbereitet“; das Selbstbildnis von ihr, das dort hängt, erwarb das Museum von ihm. Dass sich die Paula Modersohn- Becker-Stiftung in der oberen Etage der Rembertistraße 1a befindet, ist ebenfalls kein Zufall.
Die Galerie Werner unterhält Kontakt zu nationalen und internationalen Museen, etwa die Nationalgalerie in Berlin oder das Musée d’Orsay und das Centre Pompidou in Paris. Das Netzwerk des Inhabers ist umfassend, und wer Wolfgang Werner zuhört, merkt schnell: Kunsthandel auf diesem Niveau ist keine Sache von Tagen, Wochen oder Monaten, sondern von Jahren. Die Werke von Weltrang – ob aus Nachlässen oder von Sammlern – verkauft Wolfgang Werner mit Bedacht: „Diejenigen, die Kunst mit dicker Brieftasche am Bildschirm kaufen, gehören nicht zu meinen Kunden.“