Der weltweit gestiegene Flugverkehr sorgt dafür, dass der Himmel über uns immer enger wird. Parallel dazu wächst die Zahl der unbemannten Drohnen, die zusätzlich in den Luftraum integriert werden müssen. Das Bremer IT-Unternehmen BRM IT & Aerospace plant deshalb das „U-Space-Reallabor Nordwestdeutschland und Deutsche Bucht“, um eine intelligente IT-Infrastruktur zur Organisation des Luftraums zu entwickeln.
Die Zahl an Flugbewegungen steigt immer weiter an. Ein gewichtiger Anteil davon entfällt mittlerweile auf unbemannte Drohnen, deren Zahl gemäß einer Studie des Verbands der unbemannten Luftfahrt allein im kommerziellen Bereich von 2019 bis 2030 um 525 Prozent auf bundesweit rund 126.000 Drohnen anwachsen wird. Um vor diesem Hintergrund neue Konzepte für das Luftverkehrsmanagement zu entwickeln, will das Bremer Unternehmen BRM IT & Aerospace den Nordwesten in den kommenden Jahren als bedeutenden Test- und Entwicklungsstandort für unbemannte Flugsysteme (UAS) etablieren.
BRM, das aktuell rund ein Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, plant und entwickelt eine intelligente IT-Infrastruktur für das sichere Miteinander von Drohnen und bemannten Luftfahrzeugen. Damit will es die Entwicklung der Branche weiter vorantreiben: „Zentraler Baustein dazu ist das ‚U-Space-Reallabor Nordwestdeutschland und Deutsche Bucht‘, das künftig das größte Testgebiet für Drohnen in ganz Europa sein soll“, erklärt CEO Markus Rossol. „In einer ersten Stufe soll das Reallabor einen 3.600 Quadratkilometer großen Korridor vom Festland über den Jadebusen bis in die Deutsche Bucht hinein umfassen. Vor Ort sollen unterschiedlichste Einsatzformen von Drohnen möglich sein, um so das sichere Miteinander von bemannten und unbemannten Luftfahrzeugen unter unterschiedlichsten Bedingungen zu erforschen und weiterzuentwickeln.“
Viele potenzielle Anwender in Bremen und Bremerhaven
Der Standort für das Reallabor profitiert von der Nähe zur Stadt Bremen mit ihrem großen Know-how und ihren zahlreichen Unternehmen im Bereich Luftfahrt. Hilfreich ist aber auch die dünn besiedelte Landschaft im Nordwesten mit den klimatisch idealen Testbedingungen und den starken Winden an der Nordsee. Die für den Betrieb erforderliche Leitstelle wird aktuell in Bremen eingerichtet, als Flugplatz steht der Flughafen Oldenburg-Hatten zur Verfügung. Der 16 Hektar große Standort wurde 2016 von Harald Rossol – ebenfalls CEO bei BRM – und einem Fliegerfreund aufgekauft. Sie haben ihn aufwändig saniert, sodass mittlerweile auch Drohen starten und landen können. Vor wenigen Wochen haben sie laut Markus Rossol die Aufstiegsgenehmigung für das geplante Reallabor durch die Landesluftfahrtbehörde Niedersachsen erhalten.
Ein entscheidender Faktor für das Projekt ist die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen aus der Branche: „Mittlerweile erfahren wir die Unterstützung von rund 200 Stakeholdern wie der Landesluftfahrtbehörde Bremen und vor allem dem Bremer Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung“, erklärt Rossol. Seit 2019 besteht zum Beispiel eine enge Kooperation mit der ebenfalls in Bremen ansässigen OptoPrecision GmbH, die neben modernsten Kamera- und Videoüberwachungssystemen auch hochwertige Drohnen entwickelt. Gemeinsam haben beide Unternehmen im vergangenen Jahr die Drohne VT-4 („Rochen“) vorgestellt und auf dem Flugfeld in Hatten erprobt. Die OptoPrecision GmbH zeichnet dabei für die Entwicklung der Drohne verantwortlich, während BRM die Testumgebung und die Organisation der Luftraumstruktur beisteuert.
Lufttransporte unter schwierigen Bedingungen
Die 80 Kilogramm schwere und bis zu 180 km/h schnelle Drohne weist eine Spannweite von vier Metern auf und bietet eine Reichweite von zu 600 Kilometern: „Hinzu kommt, dass die Drohne senkrecht starten und landen kann und damit im Katastrophenfall ein Start ohne Anforderung an Infrastruktur nahezu überall möglich ist“, so Dr. Martin Nägele, CEO der OptoPrecision GmbH, der den Rochen auch selbst designt hat. „Im Ergebnis ist damit ein breites Spektrum an möglichen Anwendungsszenarien denkbar und wirtschaftlich darstellbar. Das reicht von der optischen Erfassung kritischer Infrastruktur über die Unterstützung bei der Seenotrettung bis hin zu Wildtiererfassungen oder speziellen Transporten – zum Beispiel von Ersatzteilen im Bereich Offshore oder von Medikamenten auf die Ostfriesischen Inseln.“
Bereits im vergangenen Jahr hat die Drohne die Aufstiegsgenehmigung erhalten, aktuell werden noch letzte Schwachstellen optimiert und weitere BVLOS-Flüge (Beyond Visual Line of Sight) durchgeführt, also Flüge ohne Sichtkontakt zum Fernpiloten: „Darauf aufbauend hoffen wir, noch in diesem Jahr erste Pilotprojekte starten zu können“, blickt Dr. Martin Nägele optimistisch nach vorn. „Für 2024 streben wir dann die endgültige Typzulassung an.“
Weitere Informationen:
brm.de
www.optoprecision.de
Bild oben:
Dr. Martin Nägele, CEO der OptoPrecision GmbH, mit dem „Rochen“.