Food-Innovationen für neue Ernährungstrends

Das Bundesland Bremen ist als Produktionsstandort großer Lebensmittelmarken bekannt. Parallel dazu etablieren sich zunehmend jüngere Unternehmen und Start-ups, die sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse zunutze machen, um aktuelle Ernährungstrends zu bedienen.

Als wichtige Hafen- und Handelsstandorte bieten Bremen und Bremerhaven schon seit Jahrhunderten einen Standortvorteil für die Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Kaffee, Bier und Fisch gehören weiterhin zu den wichtigsten Import- und Exportgütern des Bundeslandes. Die Branche ist nach dem Fahrzeugbau der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber des Landes – sie beschäftigt rund 10.000 Mitarbeitende in 250 Betrieben.

Die Lebensmittelindustrie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten jedoch stark verändert.
Während es die Globalisierung der Branche und die zunehmende Regulierung den kleinen und mittleren Unternehmen immer mehr erschweren, erfolgreich am Markt zu bestehen, öffnen moderne Technologien und veränderte Essgewohnheiten wieder neue Türen. Besonders die Nachfrage der Konsumentinnen und Konsumenten nach gesunden, nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln lässt sich aktuell anhand zahlreicher Food-Innovationen aus dem Land Bremen beobachten.

Ein Leuchtturm der Szene ist beispielsweise die Firma Reishunger, die gezeigt hat, wie sich eine Marke durch die Zusammenarbeit mit Start-ups und Gastronomie dauerhaft etablieren lässt. Die Firma Entosus hat es geschafft, sich mit alternativen Proteinen aus Insekten einen Kundenkreis zu erschließen. Und Tante Enso bringt mit einem innovativen Geschäftsmodell den Lebensmittel-Einzelhandel zurück in ländliche Orte, die von den großen Ketten verlassen wurden – inzwischen mit mehr als 70 Filialen bundesweit.

Auch Unternehmen wie Nusswahn, Harvest Republic, Bremer Braumanufaktur und Biozoon (s. Seite 24) haben am Markt Fuß gefasst. Die Firma Leckerbiss (s. Seite 26) verzeichnet eine stetig wachsende Nachfrage nach ökologisch produzierten Lebensmitteln, die sie direkt vom Bauernhof auf den Kantinenteller liefert.

Food Hubs bieten umfassende Unterstützung

Fast alle jungen Unternehmen der Branche haben auf ihrem Weg von der Unterstützung durch die Bremer Förderlandschaft profitiert, unter anderem dem Starthaus Bremen & Bremerhaven. Seit einigen Jahren arbeitet das Land daran, ein spezielles Innovationsökosystem im Bereich der Lebensmittelproduktion aufzubauen. Zentrale Bausteine sind dabei die beiden „Food Hubs“ in Bremerhaven und Bremen, die im November 2024 eröffnet wurden und ein umfassendes Angebot für Start-ups und etablierte Unternehmen bereithalten.

Der Bremer Food Hub, der auf der Hanse Kitchen aufbaut, läuft nun unter dem Namen „Food Land Bremen“ und wird von M3B betrieben. „Wir sehen uns als Manager des Food-Ökosystems in Bremen“, erläutert Claudia Nötzelmann, Geschäftsführerin des Food Land Bremen. „Unsere Aufgabe: die relevanten Akteure aktivieren, vernetzen und in konkrete Projekte bringen.“ Dafür werde als Kernprodukt eine Kollaborationsplattform entwickelt. Auch arbeite der Hub aktuell gemeinsam mit der Sparkasse Bremen, der Hochschule Bremerhaven und dem Starthaus an verschiedenen Programmen für Gründerinnen und Gründer sowie Start-ups, so Nötzelmann. Ein weiteres Highlight seien Events wie das Format „Food Impact“, das gemeinsam mit Tante Enso in der Alten Werft ausgerichtet wurde.

Der Bremerhavener Hub geht unter dem Namen „First“ an den Start und übernimmt die wissenschaftlich-technische Begleitung der Projekte durch den Betreiber, das Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven (TTZ). Das First bietet Start-ups und etablierten Unternehmen aus dem gesamten Bundesland einen Zugang zu hochmoderner Produktionsinfrastruktur. Markus von Bargen, Technischer Leiter des TTZ, sagte anlässlich der Eröffnung: „Auf dem Weg von der Idee hin zum marktreifen Produkt müssen zahlreiche Tests gemacht sowie Produktionsverfahren entwickelt und erprobt werden. Weil sich das kaum ein Start-up leisten kann, werden wir ihnen in unserem neuen Food Hub First technische Möglichkeiten zu tragbaren Kosten zur Verfügung stellen.“

Das First und das Food Land Bremen haben bereits verschiedene vielversprechende Projekte betreut, darunter „Mamas Falafelteig“ von Amjad Abu Hamid. Auch Anna Udoh von „Bagfood“ hat die Expertise und Geräte im First genutzt, um ihre „Umamibars“ zu entwickeln – herzhafte Snackriegel für gesunde Ernährung unterwegs.

Hochschule Bremerhaven unterstützt mit Expertise

Die Talent-Pipeline der Branche wird besonders intensiv von der Hochschule Bremerhaven mit ihren Studiengängen Food Science (Bachelor) und Lebensmitteltechnologie (Master) befüllt, inklusive einem dualen Studiengang in Kooperation mit Unternehmen. In Praxisprojekten, die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Hochschule betreut werden, entwickeln Studierende auch immer wieder Food-Innovationen, die sich in Wettbewerben gegen die Konkurrenz von großen Universitäten durchsetzen. So gewann ein Studierenden-Team im Mai den Wettbewerb Trophelia, der jährlich vom Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. ausgerichtet wird. Die Bremerhavener waren mit ihrem Produkt „Flexi-Nuggets“ angetreten, einem nachhaltigen Lebensmittel für Menschen, die ihren Fleischkonsum reduzieren möchten, ohne komplett darauf zu verzichten.

Bereits im vergangenen Jahr hatte die Hochschule Bremerhaven den Sieg bei diesem Wettbewerb errungen: das Team mit dem Frühstückskeks „Opoke“ durfte Deutschland beim europäischen Contest Ecotrophelia in Paris vertreten. Team-Mitglied Jovana Komlenic arbeitet zurzeit im Rahmen ihrer Masterarbeit an der Skalierung des Konzepts – unter anderem mit Unterstützung des Food Hubs First.

Beide Teams wurden bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Ideen von Prof. Ramona Bosse betreut. Als Lebensmitteltechnologin mit Fokus auf die Produkt- und Prozessentwicklung untersucht sie beispielsweise, wie bestimmte Herstellungsprozesse optimiert werden können, um das gewünschte Ziel zu erreichen. „Wir können zum Beispiel helfen, die Fehlerquellen beim Skalieren eines Produktionsverfahrens zu erkennen und zu vermeiden“, erklärt sie. In Kooperation mit der Firma Nordsee und dem Alfred-Wegener-Institut hat Prof. Bosse beispielsweise Verfahren zur Herstellung nachhaltiger Verpackungen aus Algen für den Lebensmittelhandel entwickelt.

Neben ihr sind auch Expertinnen und Experten für die Bereiche Lebensmittelchemie, Verpackungstechnologie, Mikrobiologie, Verfahrenstechnik sowie Wirtschaft und Marketing im Studiengang vertreten. „Wir bringen je nach Bedarf die entsprechenden Kolleginnen und Kollegen zusammen“, sagt sie. Besonders gerne holen sich regionale Unternehmen auch Studentinnen und Studenten für Bachelor- oder Masterarbeiten in den Betrieb, um spezifische Fragestellungen zu lösen – oft mit der Expertise und den Geräten der betreuenden Professoren im Hintergrund. „Als Hochschule legen wir besonderen Wert darauf, dass gute Ideen nicht in der Schublade verschwinden“, sagt Prof. Bosse. Die Nahrungsmittelindustrie – sowohl Start-ups als auch etablierte Unternehmen – sei willkommen, den Kontakt aufzunehmen.

Weitere Informationen

Prof. Ramona Bosse:
hs-bremerhaven.de/ramona-bosse

TTZ Bremerhaven:
ttz-bremerhaven.de

Starthaus Bremen & Bremerhaven
starthaus-bremen.de

Bild oben:
Prof. Ramona Bosse in ihrem Labor an der Hochschule Bremerhaven.
Foto: Antje Schimanke