Standortfaktor Sport

Die Emotionen rund um den Aufstieg von Werder Bremen haben einmal mehr gezeigt, wie wichtig der Sport für das Selbstverständnis der Stadt sein kann. Gleichzeitig spielt er eine erhebliche wirtschaftliche Rolle. Für Unternehmen bieten sich enorme Chancen, sportliche Events für die Interaktion mit Kunden, Fachkräften und Geschäftspartnern zu nutzen.

Die meisten Werder-Fans hätten sich wohl weniger Drama in der Zweitligasaison gewünscht, für die Gastronomen der Stadt dürfte es jedoch besonders im Saisonendspurt ein Segen gewesen sein: Am letzten Spieltag blieb kaum ein Platz vor den Fernsehern und Leinwänden in den Gaststätten frei, an der Schlachte waren sogar die Stehplätze besetzt. Und nach dem Abpfiff ging die Party erst richtig los.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Werderspiele reicht jedoch weit über die Gastronomie hinaus. Die Unternehmensberatung McKinsey & Company berichtete in ihrer Studie „Unternehmen Bundesliga“ im Jahr 2020, dass die Gesamtwertschöpfung des Profifußballs in Deutschland bereits 11 Milliarden Euro erreicht habe. Dies sei vergleichbar mit dem gesamten produzierenden Gewerbe des Bundeslandes Bremen. Die Wertschöpfung sei innerhalb von fünf Jahren um 40 Prozent gewachsen.

Werder ließ seinen Wert für die Stadt in der Vor-Corona-Zeit einmal gründlich untersuchen: Die Studie „Regionalökonomische Wertschöpfung Werder Bremen“ von Nielsen Sports kam 2017 zu dem Ergebnis, dass der Klub 250 Menschen in Teil- oder Vollzeit beschäftige und rund um die Heimspiele rund 1.700 Menschen eine Anstellung ermögliche. Die gesamten ökonomischen Effekte wurden auf 319 Millionen Euro pro Jahr beziffert.

TV-Einnahmen bei Aufstieg verdoppelt

Die Stadt profitiert aber auch von der starken medialen Präsenz des Teams: „72 Prozent der Sichtbarkeit bzw. des Werbewertes der Stadt Bremen entfallen auf die Sichtbarkeit von Werder Bremen im TV“, ermittelten die Autoren. Dies entspreche einem Werbewert von 50 Millionen Euro. Der Klub ist dabei auch ein besserer Werbeträger als manch anderer Erstligist: Bundesweit fanden mehr als 12 Millionen Menschen im Alter von 14 bis 59 Jahren Werder sympathisch oder sogar sehr sympathisch. Das Mitfiebern der ganzen Stadt um den Aufstieg ist insofern nicht nur emotional gut begründet. „Dass der Einnahme-Unterschied zwischen den Ligen eklatant ist, wird beispielhaft beim Blick auf die TV-Gelder deutlich“, teilt der Klub mit. „In Liga zwei lägen wir als Werder hier ungefähr bei der Hälfte im Vergleich zur 1. Bundesliga.“

Werder kooperiert auch direkt auf vielfältige Weise mit der regionalen Wirtschaft. „Wir arbeiten ganz bewusst immer wieder auch mit kleineren Manufakturen oder Start-ups zusammen, denen wir mit unserer Reichweite eine Bühne bieten können“, sagt ein Sprecher. Ein Beispiel sei die Zusammenarbeit mit dem lokalen Sneaker-Store „Glückstreter“ und dem globalen Sportartikelhersteller Umbro. Gemeinsam wurden zwei limitierte Werder-Sneaker kreiert, die innerhalb kürzester Zeit ausverkauft waren. Auch die Kooperation mit dem Designstudio Weserholz und der Kornbrennerei Nork zähle dazu. Von Werder-Partnern bekommen Fans aber auch Strom (SWB/EWE), Geld (Sparkasse Bremen), Wurst (Friebel), Bier (Haake-Beck) und Kaffee (Azul). Beim Marketing arbeitet der Klub mit den Partnern Team Neusta, Team Nawrot und GfG zusammen.

Marketingverträge mit der Stadt Bremerhaven

Lokale Partnerschaften spielen auch für die Bremerhavener Profiklubs, die Pinguins und die Eisbären, eine erhebliche Rolle, zumal die TV-Gelder in ihren Sportarten deutlich knapper ausfallen. Die Verbundenheit der Bevölkerung mit den Teams ist wie bei Werder sehr groß: Vor der Pandemie war die Eisarena bei den Spielen der Pinguins zu weit über 90 Prozent ausgelastet – in 26 Spielen kamen 2019/20 insgesamt 117.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Die beiden Klubs sind auch bei Auswärtsspielen und TV-Übertragungen ein wichtiger Werbeträger für Bremerhaven. Seit 2014 schließt die Stadt Marketingverträge mit den Pinguinen und Eisbären. Im Gegenzug für finanzielle Unterstützung werben die Sportler auf Trikots, Banden und Veranstaltungen für ihren Standort. Die Stadthalle Bremerhaven kooperiert beim Marketing ebenfalls eng mit ihren Mietern und möchte diese Zusammenarbeit weiter ausbauen. „Wir können Teile der Kundenansprache übernehmen – das entlastet die Klubs“, sagt Geschäftsführer Othmar Gimpel. „Wir haben die Vermarktungsinfrastruktur und die Klubs haben viele Kontakte zu Sponsoren.“

Die Effekte für Bremen und Bremerhaven sind auch bei einmaligen Großveranstaltungen signifikant. Die German Open im Tischtennis 2019, die in der ÖVB-Arena stattfanden, wurden von 36 Sendern in Europa übertragen und erreichten 3,17 Millionen Zuschauer. Weltweit wurde rund 500 Stunden lang aus Bremen gesendet. Mit insgesamt 15.000 Besuchern erzielte die Arena einen Zuschauerrekord für die German Open. Das Einzugsgebiet der Arena reicht von Hamburg bis zur niederländischen Grenze und hinab nach Westfalen – wenn NBA-Star Dennis Schröder mit der Basketball-Nationalmannschaft auftritt wie Anfang Juli zum WM-Qualifikationsspiel gegen Polen, dann kommen Fans auch aus München. Und zum Sechstagerennen erscheinen Besucher aus Dänemark, der Schweiz, Belgien und den Niederlanden.

Finanzierung von Events kann optimiert werden

Solventere Städte investieren aufgrund dieser Effekte wesentlich mehr in das Sportmarketing als Bremen und Bremerhaven, allen voran Düsseldorf. Oliver Rau, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB), sieht jedoch auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen viele Handlungsmöglichkeiten. „Ich bin überzeugt, dass Sport der Stadt helfen kann, attraktiver zu sein“, sagt er. Das Potenzial für ein zweites Profi-Team sei vorhanden, beispielsweise im Handball oder American Football, aber es brauche auch mehr große Events mit überregionaler Strahlkraft. Ein Hindernis seien dabei die bremischen Strukturen in der Sportförderung: Die Mittel seien nur ein Jahr im Voraus verfügbar, während Großveranstaltungen einen Vorlauf von mehreren Jahren haben. „Wir müssen den Modus ändern“, so Rau. Er sieht aber auch noch viel Potenzial bei der Einwerbung von Sponsorengeldern. „Der Schulterschluss vom Ehrenamt zur professionellen Vermarktung kann noch vollzogen werden“, sagt er.

Die Stadt könnte diesen Prozess unterstützen, indem sie dem Sport mehr Aufmerksamkeit schenke, betonen Andreas Adolph, Leiter der ÖVB-Arena, und Projektleiter Mario Roggow. „Bremen tut schon etwas, aber es könnte deutlich mehr sein“, sagt Roggow. Die Basketball-Nationalmannschaft mit Dennis Schröder sei nach der Fußball-Nationalmannschaft eines der größten Highlights – in anderen Städten würden solche Events deutlich öffentlichkeitswirksamer zelebriert. „Die Stadt muss sich dahinter stellen wie beim Freimarkt oder bei Werder“, so Adolph.

Mehr als ein Logo auf einer Werbebande

Für die Stadt, aber auch für Unternehmen bietet die veränderte Sport- und Medienlandschaft die große Chance, eine jüngere Zielgruppe zu erreichen und damit potenzielle Fachkräfte anzusprechen. Mit Events wie der German Beach Tour, die Mitte Juli auf dem Bahnhofsvorplatz stattfand, oder der Hip-Hop-Dance-WM 2019 in Bremerhaven werden junge Menschen erreicht, die das Marketing auf den Social-Media-Kanälen selbst aktiv befeuern. WFB-Geschäftsführer Rau sieht auch „Our House“ als Vorbild – die Initiative der Deutschen Sporthilfe richtet sich an junge Sportler, die sich nicht in Vereinen organisieren möchten. Auf Kanälen wie Instagram und Tiktok ist „Our House“ sehr präsent. Sponsoren haben dabei die Chance, sich digital und vor allem persönlich eng mit den Sportlern und den Fans zu vernetzen, statt nur ein Logo auf eine Werbebande zu kleben.

Für diese Art der Vernetzung sind Bremen und Bremerhaven prädestiniert. Die Pinguins haben schon historisch ein großes Netzwerk an lokalen Sponsoren. In Bremen generiert die ÖVB-Arena immer wieder spezielle Angebote für junge Zielgruppen, besonders im Rahmen der „Sixdays“. Zusätzlich zum „Kidsday“ haben die Veranstalter ein hochwertiges Sportprogramm für Schulen eingeführt. Dabei wird der Sport mit Themen wie Ernährung verbunden.

Auch sorge die räumliche Nähe von Arena, Bahnhof, Innenstadt und Flughafen für vermehrte persönliche Begegnungen, berichtet Mario Roggow. Die Basketball-Nationalmannschaft sei zu Fuß vom Parkhotel zum Training in die Arena und in die City geschlendert. Auf dem Weg dorthin habe sich Dennis Schröder zu Jugendlichen gesellt und spontan mit ihnen Street Basketball gespielt. „In Hamburg passiert sowas nicht“, so Roggow.

Unternehmen, die ihre Optionen als Sponsoren eines Sport-Events ausloten möchten, können sich bei WFB-Geschäftsführer Oliver Rau melden (oliver.rau@wfb-bremen.de).