Die Handelskammer Bremen lud am 11. September zu ihrem Wirtschaftsempfang 2023 in den Fischbahnhof Bremerhaven ein. Rund 450 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung hatten sich zu der Veranstaltung angemeldet.
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist getrübt: Energiekosten, Bürokratie, Arbeitskräftemangel, Steuern und steigende Sozialabgaben belasten die Bilanzen. Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht warb beim Wirtschaftsempfang in Bremerhaven jedoch auch für Zuversicht und Aufbruchstimmung. Der Standort Deutschland habe grundlegende Stärken, die in anderen Ländern alles andere als selbstverständlich seien, beispielsweise das Bildungs- und Wissenschaftssystem, das stabile Rechtssystem, die starke Wirtschaft und das demokratische Grundgefüge.
Der Präses war kürzlich mit einer Delegation aus Japan zurückgekehrt – einem Land, das mit vielen ähnlichen Schwierigkeiten kämpft wie die Bundesrepublik, vom stagnierenden Wirtschaftswachstum über die alternde Bevölkerung bis zu den hohen Steuern. Zwei Eigenschaften der Japaner würde Präses Dubbers-Albrecht gerne auch in Deutschland verstärkt sehen, um den Herausforderungen zu begegnen: die Technologieoffenheit und „die Freude an der Arbeit“. Es brauche einen Konsens, „dass durch Arbeit und Leistung persönlicher und gesellschaftlicher Wohlstand geschaffen werden kann.“
Bremerhaven: Die Perlenkette verknüpfen
Anschließend diskutierte Moderator Christoph Linne, Chefredakteur der Nordsee-Zeitung, in zwei Talkrunden mit den Podiumsgästen über die Chancen zur Weiterentwicklung der Bremerhavener Innenstadt und über die Potenziale und Risiken von Künstlicher Intelligenz.
Der Architekt Andreas Heller präsentierte zunächst als Diskussionsgrundlage eine Impulsplanung für die Innenstadt. Ziel der von der Handelskammer in Auftrag gegebenen Studie war die Entwicklung einer nachhaltigen Strategie zur Belebung des Bremerhavener Zentrums, insbesondere durch die bessere Anbindung der Innenstadt an die Havenwelten. Ein Kernproblem besteht laut Heller darin, dass die Stadt auf Basis der Verkehrsplanung der 1960er und 1970er Jahre organisiert ist. Die Aufenthaltsqualität für Fußgänger sei besonders an der Columbusstraße unzureichend; die Querachsen seien unattraktiv. Auch fehle es dem Zentrum an Grünflächen und Fahrradwegen.
Seine umfassenden Lösungsvorschläge fasste Heller in drei Kernpunkten zusammen. „Die Mauer muss weg!“, formulierte er bezüglich der trennenden Wirkung des Columbuscenters und der Columbusstraße. Im Gegensatz zu aktuellen Planungen würde er dort noch wesentlich mehr Veränderungen vornehmen, um den Bereich zwischen Innenstadt und Havenwelten zu einem attraktiven Aufenthaltsort zu machen. In diesem Sinne plädierte er auch grundsätzlich für eine deutlich stärkere Begrünung des Stadtzentrums, um eine „ästhetische Entschleunigung“ zu erreichen. Als dritten Punkt nannte er die Schaffung einer städtischen Identität durch die Herausbildung von Miniquartieren und eine gezieltere Stärkung des Handels.
Die Diskussionsrunde mit Oberbürgermeister Melf Grantz, Dr. Taalkea Bremer (Sprecherin der Wirtschaftsjunioren Bremerhaven), Andreas Heller und Handelskammer-Hautgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger war sich in der Bewertung der Problematiken grundsätzlich einig. Während Grantz darauf verwies, dass bereits zahlreiche Vorhaben angeschoben – aber noch kaum sichtbar – seien, forderte Dr. Bremer eine Abkehr von Großprojekten und eine Hinwendung zu vielen kleinen Maßnahmen, die für eine Erhöhung der Aufenthaltsqualität sorgen. Dr. Fonger sah in den Positionen keine gravierenden Gegensätze zur Impulsplanung und lobte die gute Zusammenarbeit von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in Bremerhaven. Nun gelte es, das Potenzial der Stadt zu heben – beispielsweise durch die durchgängige Verknüpfung der wasserseitigen Highlights zur „Perlenkette am Wasser“.
Keine Angst vor KI
Als zweiten Schwerpunkt des Programms diskutierten hochrangige Gäste einen Trend, der aktuell alle Unternehmen bewegt: die Entwicklung der künstlichen Intelligenz (KI). Prof. Frank Kirchner vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) ordnete das Thema zunächst nüchtern ein, indem er darauf verwies, dass es sich um eine “uralte Technologie“ handele, deren mathematische Grundlagen bereits seit Jahrzehnten vorhanden seien. Einen Sprung habe die Technologie unter anderem durch die Entwicklungen in Bereichen wie Smartphones und Tablets gemacht. KI sei mittlerweile für viele sinnvolle Anwendungen nutzbar, beispielsweise in der Medizintechnik. Grundsätzlich zeigte er sich optimistisch bezüglich des zukünftigen Einflusses von KI: „Zwar besteht mit genügend krimineller Energie immer die Möglichkeit, die Vorteile auch ins Gegenteil zu verwandeln“, sagte er, aber es sei eine allgemeine gesellschaftliche Aufgabe, die sinnvolle Nutzung sicherzustellen.
Damit lag er auf einer Linie mit Dr. Vanessa Just, Gründerin der Justech AG, Bereichsleiterin Neusta Analytics & Insights und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes KI. Sie plädierte dringend dafür, dass Deutschland mehr in seine digitale Infrastruktur investieren müsse, um den Anschluss nicht komplett zu verlieren. Als Beispiel nannte sie die Errichtung eines Rechenzentrums auf dem Niveau von ChatGPT, das rund 350 Millionen Euro kosten würde und somit für deutsche IT-Unternehmen allein nicht zu finanzieren wäre. Der Preis entspreche den Kosten des Neubaus von 50 Kilometern Autobahn – „und seit 1990 haben wir 2000 Kilometer neue Autobahnen gebaut“, hob sie hervor. Nun gelte es, die digitale Infrastruktur ebenfalls stärker zu priorisieren.
Die Rektorin der Universität Bremen, Prof. Jutta Günther, berichtete, dass mittlerweile in allen Fachbereichen an KI-Anwendungen geforscht werde. Auch für Wirtschaft und Gesellschaft sieht Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht in der KI eine Querschnittstechnologie. Obwohl der Mensch bald erheblich von KI abhängig sein werde, gelte es, nicht mit Ängsten in diese Zukunft zu gehen. „So wie wir jetzt selbstverständlich mit dem Smartphone umgehen, so wird man auch selbstverständlich mit KI umgehen.“