Wie funktioniert der Robo Advisor?

Wenn ein Computer Investitionsentscheidungen treffen soll, muss er dafür die bestmöglichen Kriterien kennen oder – falls Künstliche Intelligenz im Spiel ist – weitgehend selbst entwickeln. Das System von Smavesto basiert unter anderem auf der Idee, dass eine „echte“ KI auch vergessen können muss.

Der Kern eines Robo Advisors ist der Algorithmus – eine Kette aus einzelnen Handlungsvorschriften, die den Computer zur Entscheidungsfindung führen. Das Team der Sparkasse Bremen hat bei der Entwicklung des Algorithmus für Smavesto mit einem Experten-Netzwerk aus Vermögensverwaltern und der Partnergesellschaft GET Capital zusammengearbeitet.

„Wir haben gemeinsam recherchiert, welche Algorithmen es schon gibt“, berichtet Smavesto-Geschäftsführer Dr. Sascha Otto. „Das ist ein Steckenpferd von mir. Ich bin ein Mathe-Nerd.“ Neuland sei für ihn dagegen zunächst das Thema Künstliche Intelligenz (KI) gewesen. KI könne sehr gut funktionieren, wenn man sie richtig anwende. „Das Problem ist bloß: Viele Methoden werden fehlerhaft angewendet und haben dadurch Schwächen.“

Kein „altes Gehirn“ bauen

Ein häufiger Fehler sei beispielsweise im Umgang mit Neuronalen Netzen zu beobachten, erklärt Dr. Otto. Diese KI-Methode soll – im weiteren Sinne – die Funktionsweise des menschlichen Gehirns simulieren. „Die meisten, die an ein neuronales Netzwerk herangehen, machen Folgendes: Sie füttern dieses Gehirn mit allen Daten, die sie kennen, von allen Kapitalmärkten oder – im Medizinbereich – allen medizinischen Studien. Übersetzt heißt das: Sie haben ein sehr altes Gehirn, weil Sie das Gehirn mit unglaublich vielen Informationen vollgestopft haben. Die bekannten eingefahrenen neuronalen Wege zu verlassen, also flexibel zu reagieren, ist so ungleich schwieriger.“

Das Smavesto-Team habe von Anfang an gesagt, dass es nicht die beste Entscheidung sei, ein sehr altes Gehirn zu bauen. „Deshalb war unser wichtigster Punkt: Der Algorithmus, den wir bauen, muss in der Lage sein, unnötiges Wissen zu vergessen“, sagt Dr. Otto. „Am Kapitalmarkt ist die Information wirtschaftshistorisch interessant, dass es am Anfang des 19. Jahrhunderts mal einen Crash von Eisenbahngesellschaften gegeben hat. Aber diese Information ist bestimmt nicht relevant für Covid oder für eine Bankenkrise oder irgendeine andere Herausforderung am Kapitalmarkt.“

Deswegen soll der Robo Advisor nur die vergleichbaren Krisen zur Bewertung der jeweiligen Situation heranziehen. Das zentrale Instrument, um dies zu erreichen, ist die sogenannte Bayesian Online Change Point Detection. „Diese Methodik analysiert: Welcher Zeitraum ist der trendstabilste für welchen Markt, in dem wir aktiv sind?“, erklärt Dr. Otto. „Dann bewerten wir den einzelnen Markt – ob es der DAX ist, die Deutsche Bundesanleihe, das Gold, das Erdöl, ist dabei völlig egal. Dieser Algorithmus schaut sich einfach an: Welcher Zeitraum ist der bestmögliche Zeitraum, um eine Prognose zu erstellen?“

Methoden der Chaostheorie

Benötigt wurde u.a. aber noch eine weitere Komponente, um langfristige Trends herauszufiltern. „Da haben wir uns an der Chaostheorie orientiert“, sagt Dr. Otto. Die sogenannte Wavelet-Zerlegung helfe, große Datenmengen zu komprimieren und die wichtigsten Erkenntnisse herauszuziehen. Damit mache Smavesto auch umfassende Datenströme beherrschbar.

„Das sind die beiden wichtigsten Dinge“, so Dr. Otto. „Damit haben wir die sehr langfristige Erfahrung über die Wavelets und die sehr flexible Möglichkeit des Gehirns, zwischen länger- und kürzerfristiger Perspektive hin und her zu schalten, mit der Bayesian Online Change Point Detection.“

Aber welcher der beiden Mechanismen behält im Zweifelsfall die Oberhand? „Da sind wir bei der Support Vector Machine“, sagt Dr. Otto. „Es muss ja auch bei der KI einen Entscheider geben, der einem mathematischen Verfahren das Gewicht gibt. Die Support Vector Machine kennen wir ganz gut aus der Medizintechnik. Wenn Sie zum Beispiel eine Probe analysieren, um zu sehen, ob ein Virus vorhanden ist oder nicht, oder ob eine Zelle gesund ist oder nicht, dann nutzt man das Verfahren, um eine Gesamtmenge in eine gute und eine schlechte Menge zu teilen. So entscheidet die Maschine dann auch: Ist es ein guter Kapitalmarkt oder ist es ein schlechter Kapitalmarkt für die Investition?“

Transparenz der Entscheidungen soll gewährleistet bleiben

Dieses Konzept funktioniert laut Dr. Otto sehr gut und bleibt gleichzeitig in seinen Entscheidungen nachvollziehbar. „Sie haben in der KI-Forschung häufig Modelle, bei denen der KI-Manager gar nicht genau sagen kann, wie das Modell entscheidet“, erklärt er. „Inzwischen kenne ich unser ‚Baby‘ Smavesto so gut, dass ich ein gutes Gefühl dafür habe, wie Smavesto auf eine bestimmte Marktsituation reagieren würde. Das finde ich sehr wichtig, um bei Bedarf noch mal die eine oder andere Stellschraube zu verändern.“ Er werde keine Technologien implementieren, die zu weit weg sind vom menschlichen Verständnis, sagt Dr. Otto. „Ich habe den Anspruch, jedem Kunden erklären zu können, was mit seinem Depot passiert ist.“

Hier geht’s zurück zum Interview mit Dr. Otto.