Seit rund einem Jahr ist Oberst Andreas Timm jetzt Kommandeur des Landeskommandos Bremen, das als Bindeglied zwischen der Bundeswehr und dem Bundesland agiert. In dieser Funktion leitet er auch die Heimatschutzkompanie Bremen, die sich aus Reservistinnen und Reservisten zusammensetzt und im Verteidigungsfall den Schutz von militärischen und zivilen Einrichtungen in Bremerhaven und Bremen unterstützt. Im WiBB-Interview erklärt er, wie die regionale Wirtschaft die Bundeswehr unterstützen kann – und wie sie im Gegenzug von ihr profitiert.
Die Bundeswehr hat in den vergangenen Jahren wieder an Stellenwert in der Gesellschaft gewonnen – wie können Politik, Wissenschaft und insbesondere die Wirtschaft Sie bei Ihrer Aufgabe noch besser unterstützen?
Ein Punkt ist die Weitergabe von Informationen, denn zu viele Menschen reden ohne Sachkenntnis über das Thema. Mir ist die sicherheitspolitische Debatte im Land sehr wichtig, und da können natürlich alle zu beitragen: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft. Mein großer Wunsch in Richtung Wirtschaft ist, Verständnis für unsere Reservistinnen und Reservisten aufzubringen, wenn sie zum Beispiel eine Übungsfreistellung bei ihrem Arbeitgeber beantragen. Das ist kein Hobbysoldatentum und keine Spaßveranstaltung, sondern sie leisten einen Ehrendienst für unser Land – parallel zu ihrem Erstberuf.
Welchen Stellenwert hat die regionale Wirtschaft für die Bundeswehr?
Bremen ist aufgrund seiner Konstellation von Unternehmen ein starkes Zentrum der Rüstungswirtschaft in Deutschland. Hier werden viele Gerätschaften für uns hergestellt, von Sensorik über Raumfahrt bis hin zu Fahrzeugen und Schiffen.
Bietet die Bundeswehr auch wirtschaftliche Chancen für kleine und mittelständische Unternehmen, die bisher vielleicht noch nicht zu den Zulieferern zählten – gerade angesichts der „Zeitenwende“ mit ihrem Finanzierungsschub?
Eine neue Andockmöglichkeit bietet der Operationsplan Deutschland, der seit März 2023 entwickelt wird, um eine wirksame Verteidigung zu gewährleisten. Man wird in einem der nächsten Schritte darüber sprechen, mit welchen logistischen Leistungen die Wirtschaft uns unterstützen kann. Denn wenn es zu einer Situation kommt, einen Krieg zu verhindern und Russland abzuschrecken, werden größere Gebinde an US-Streitkräften von Bremerhaven aus durch das Bundesland gehen. Da stellen sich Fragen zur Versorgung mit Lebensmitteln, Betriebsstoffen, Unterkünften und anderen Dienstleistungen, bei denen die Wirtschaft mit zum Tragen kommen wird. Die Dienststellen aus dem Bereich der zivilen Wehrverwaltung werden Vergabeverfahren starten, um entsprechende Verträge zu schließen. Dieser Prozess wird sicherlich in den nächsten Jahren stattfinden und sich vertiefen.
Die Bundeswehr wirbt mit ihrer Rolle als Ausbilderin von Fachkräften. Sehen Sie da auch Potenzial für regionale Unternehmen?
Die Soldatinnen und Soldaten werden im Zuge ihrer Ausbildung qualifiziert. Wenn jemand nach 13 Jahren als Offizier ausscheidet, profitiert die Wirtschaft von jemandem, der ein universitäres Studium und Führungserfahrung hat. Die kommen als gestandene Menschen in ein Unternehmen, das würde ich auch als Vorteil sehen. Bei der Bundeswehr werden aber auch verschiedenste Aus- und Weiterbildungen angeboten. Als Landeskommando Bremen organisieren wir zweimal im Jahr einen Runden Tisch für den Kontakt zwischen Unternehmen und dem Karrierecenter Wilhelmshaven, das ausscheidende Zeitsoldaten in die Wirtschaft vermittelt. Die Bandbreite der Teilnehmer reicht da von der Justizvollzugsanstalt über Feuerwehr und Polizei bis hin zu Airbus, OHB, Mercedes und anderen.
Was ist im Bundesland Bremen aus Sicht der Bundeswehr besonders schützenswert?
Das Bundesland spielt im Verteidigungsfall eine wichtige Rolle für die Drehscheibe Deutschland. Bremerhaven ist seit Mai 1945 der Hafen für die amerikanischen Streitkräfte. Allein von der Lage her – östlich des Rheins und südlich des Nord-Ostsee-Kanals – bietet sich dieser Seehafen besonders für logistische Leistungen an, zum Beispiel mit RoRo-Fähren. Schützenswert sind neben dem Hafenbereich auch die A27, die Brücken über die Weser, Eisenbahnverbindungen und der Flughafen, der auch für die Flugsicherung im gesamten norddeutschen Raum zuständig ist.
Welchen konkreten Nutzen haben dabei Übungen wie „Fishtown Guard“ in Bremerhaven?
Uns geht es darum, die Heimatschutzkompanie Bremen in ihrem Kernauftrag, nämlich Schutz und Sicherung, in einer realen Umgebung auszubilden, während der Wirtschaftsbetrieb dort weiterläuft. Die Heimatschützer werden vor taktische Lagen gestellt, die sie bewerten müssen, um dann einen Entschluss zu fassen. Dabei geht es auch um rechtliche Grundlagen, die im Friedens- oder Spannungsfall anders sind als im Verteidigungsfall. Für die Bevölkerung sind solche Übungen teilweise eine Belastung, aber auch eine Chance zu sehen, was wir machen. Die Transparenz ist mir ein ganz wichtiges Anliegen.
Versucht die Bundeswehr auch, wieder für breitere Bevölkerungsschichten attraktiv zu werden?
Wir haben dafür das Projekt „Ausbildung Ungedienter“, das bundesweit sehr erfolgreich läuft. Es richtet sich an Menschen bis 55 Jahre aus unterschiedlichsten Berufen, die im Zuge einer einjährigen Ausbildung – das meiste davon online, aber auch mit drei Wochen Präsenzanteil – eine Grundausbildung light absolvieren können. Wir haben hohen Zulauf in Berlin und Hamburg, und ich würde mir wünschen, dass auch mehr Menschen im Bundeland Bremen dieses Angebot interessant für sich finden würden.
Bild oben:
Oberst Andreas Timm, Kommandeur des Landeskommandos Bremen, bei der Übung „Fishtown Guard“.
Foto: Antje Schimanke