Weibliche Führung in männlichem Umfeld

Sie leitet ein Unternehmen in einer männerdominierten Branche und hat gelernt, sich mit ihrem ganz eigenen Stil durchzusetzen. Als Geschäftsführerin der IT-Agentur Neuland achtet Maike Conrads gezielt darauf, Genderthemen in ihre Arbeit und Führungskultur mit einfließen zu lassen.

Es waren sechs Männer, die Neuland vor fast 20 Jahren gründeten und dabei von Anfang an auf selbstorganisierte und autonome Teams mit wenig zentraler Struktur setzten. Mit einem von ihnen führt Maike Conrads seit drei Jahren zusammen die Geschäfte. Die 41-jährige Diplom-Betriebswirtin arbeitet seit 2014 in verschiedenen Rollen in der IT-Agentur, die Software-Lösungen für digitale Plattformen entwickelt und dabei hauptsächlich im Bereich E-Commerce tätig ist. Schon bei ihrem vorherigen Arbeitgeber hatte Conrads als Teamleiterin eine Führungsposition inne. „Ich habe es schon damals sehr geschätzt, Gestaltungsspielraum zu haben, Dinge verändern zu können und Verantwortung zu übernehmen“, sagt sie. „Das gibt mir Erfüllung.“

Und so ist es für sie eine logische Konsequenz, sich nun in der Geschäftsführung wiederzufinden und die strategische Weiterentwicklung der Agentur zu verantworten. Dabei ist sie als Frau, und noch dazu als junge Frau und Mutter, in ihrer herausgehobenen Position eine absolute Ausnahme. Im Rahmen ihres ersten Kundenprojekts hatte sie zu Beginn ihrer Zeit in der IT-Branche ausschließlich mit Männern zu tun. Und auch, wenn in ihrem eigenen Unternehmen immerhin ein knappes Viertel der 140 Mitarbeitenden weiblich ist: Der Frauenanteil liegt damit noch immer unterhalb der kritischen Masse von 30 Prozent, die laut Untersuchungen erforderlich sind, um eine positive Veränderung in der Unternehmensdynamik zu erreichen.

Direkte Kommunikation verkleinert Raum für Missverständnisse

Was ihr im Alltag immer wieder begegne, seien typische genderspezifische Kommunikationsmuster, berichtet Maike Conrads. Dadurch sei es für Frauen oft schwieriger, als Führungskraft akzeptiert zu werden. „Die Art weiblicher Führung ist vielleicht ein bisschen unsichtbarer, weil sie in unserem männlich geprägten Umfeld nicht als solche erkannt wird“, meint sie. Frauen kommunizierten tendenziell wertschätzend, auf Kooperation ausgelegt und kompromissbereit, wodurch häufig Raum für Missverständnisse entstehe: „Wenn ich in einer Diskussion Kompromissbereitschaft signalisiere, wird mir häufig unterstellt, dass ich unsicher bin oder die Dinge nicht richtig verstanden habe.“

Seit sie sich intensiver mit diesen Dingen auseinandergesetzt hat, bemüht sich die Geschäftsführerin um eine direktere und bewusstere Kommunikation. „Aber das ist dann für mich immer auch mit zusätzlichen Anstrengungen und einem erhöhten Energieaufwand verbunden“, sagt sie. In der männerdominierten IT-Branche würden sich diese generell vorhandenen genderspezifischen Kommunikationsmuster noch einmal verstärken. Und selbst wenn Gesprächspartner empathisch und für Erklärungen offen seien, könnten sie die Problematik häufig schwer nachvollziehen: „Weil sie das einfach nicht aus eigener Erfahrung kennen.“

Aktuelle Strukturen erfordern klare Positionierung

So ist es Maike Conrads ein wichtiges Anliegen, Aspekte wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, genderneutrale Sprache und gendergerechtes Recruiting in ihrem Unternehmen voranzubringen. In Meetings setzt sie sich gezielt dafür ein, dass Mitarbeiterinnen Gehör finden und nicht unterbrochen werden. Denn auch, wenn es bei Neuland in den meisten Teams keine klassischen Führungspositionen gibt: Informelle Hierarchien lassen sich kaum vermeiden. „Wir haben in unseren Kundenteams keine disziplinarischen Ansprechpersonen, die darauf achten könnten, dass Frauen eine angemessene Rolle spielen. Darum ist es mir wichtig, dass wir das im Blick behalten.“

Sie selbst hat das Thema Vereinbarkeit für sich übrigens so gelöst, dass sie Vollzeit arbeitet und ihr Partner Teilzeit. „Ich fände es wichtig, dass es perspektivisch mehr weibliche Führungskräfte und Unternehmerinnen gibt“, betont die 41-Jährige. „Schon allein deswegen, damit es für Mädchen und junge Frauen mehr Rollenvorbilder gibt.“ Eine Voraussetzung dafür sei allerdings, dass sich die Strukturen änderten, damit die weibliche Art der Führung sichtbar werde. So lange dies nicht der Fall sei, müssten Frauen sich häufig verstellen, um nach vorne zu kommen. „Momentan ist es in vielen Strukturen eben leider nicht so, dass jede mit ihrem Beitrag und ihrer Leistung gesehen wird und eine Einladung erhält, mehr Verantwortung zu übernehmen. Darum müssen wir uns schon positionieren und klarmachen, dass wir in die erste Reihe wollen – auch wenn das unserem Hang zum Understatement widerspricht.“ (aw)

Weitere Informationen:
neuland-bfi.de