Wasserstoff aus Windenergie: Bremerhavener Know-how weltweit gefragt

Die Elektrolyseure, die zur Herstellung von Wasserstoff eingesetzt werden, sind noch eine sehr junge Technologie. Den Weg zur Marktreife – und zur Kompatibilität mit dem Stromnetz – beschleunigt das Fraunhofer IWES mit seinem Hydrogen Lab Bremerhaven. Auch die regionale Wirtschaft kann profitieren.

Der Markt für grünen Wasserstoff ist bis jetzt überschaubar, denn die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. Dies wird sich voraussichtlich bald ändern, denn die deutsche Umsetzung der neuen EU-Richtlinie für erneuerbare Energien tritt im Sommer in Kraft. Sie gibt vor, dass der Anteil des „grünen“ – also aus erneuerbaren Energien erzeugten – Wasserstoffs mit dem Anteil der erneuerbaren Energien im Stromnetz monatlich korrelieren muss. Dadurch ist ein Geschäftsmodell entstanden, das bis jetzt fehlte.

Um vom Nischendasein in eine breite Markteinführung zu gelangen, muss auch die benötigte Infrastruktur rapide aufgebaut werden. Ein essenzieller Baustein davon hat kürzlich in Bremerhaven den Probebetrieb aufgenommen: das Hydrogen Lab Bremerhaven (HLB). Das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES hat auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Luneort ein umfassendes Testfeld errichtet, das die Erprobung des komplexen Zusammenspiels zwischen der Windenergie, der Wasserstofferzeugung und dem Stromnetz ermöglicht. „Das, was wir hier aufgebaut haben, ist momentan weltweit einmalig“, sagt der Gruppenleiter des Hydrogen Lab, Kevin Schalk.

Blackouts des Stromnetzes vermeiden

Eine Besonderheit sei beispielsweise der direkte Anschluss an den Fraunhofer-IWES-Teststand für die Gondeln von Windenergieanlagen, das Dynalab (Dynamic Nacelle Testing Laboratory). Dort können jetzt nicht nur die Gondeln, sondern auch die Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff auf ihre Tauglichkeit für den Stromnetzanschluss geprüft werden. Dies ist laut Schalk unter anderem deshalb notwendig, da es zu vermeiden gilt, dass sich ein großer Elektrolysepark unerwartet notabschaltet, weil er mit bestimmten Bedingungen im Netz nicht umgehen kann. „Dann hat man plötzlich einen riesigen Stromüberschuss im Netz und läuft Gefahr, durch einen Blackout größere Schäden zu produzieren“, erklärt er.

Solche Tests seien bei den Herstellern der Elektrolyseure bis jetzt noch „in den Hintergrund gerutscht“, so Schalk. Der erwartete Auftragsboom habe allerdings dazu geführt, dass beim IWES bereits Anfragen aus der EU, Großbritannien, Norwegen und sogar Asien eingegangen seien. Mit einigen der Interessenten werde bereits über konkrete Verträge zur Nutzung des HLB diskutiert. Der Regelbetrieb soll noch im Frühjahr starten.

Bremerhavener Unternehmen können profitieren

Das IWES wird durch seine Forschungs- und Testaktivitäten nebenbei auch selbst zum Hersteller von Wasserstoff. Die eigenen Elektrolyseure des Instituts werden bei voller Last insgesamt rund 1 Tonne Wasserstoff pro Tag produzieren können. Da sie jedoch ausschließlich mit grünem Strom angetrieben werden, rechnet Schalk selten mit voller Last. Übers Jahr gerechnet seien 150 bis 250 Tonnen Ertrag realistisch. Für die regionale Wirtschaft ist das schon eine nützliche Quelle – Busse oder LKWs lassen sich beispielsweise einen Tag lang mit rund 30 Kilogramm Wasserstoff betreiben. Fürs Stahlwerk Bremen wäre es allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

„Als erstes könnten die Logistiker davon profitieren“, sagt Schalk über das Angebot, das noch wachsen wird, sobald auch Unternehmen ihre Elektrolyseure auf dem Testfeld anschließen. „Es ermöglicht einen schnellen Umstieg auf eine wasserstoffbasierte LKW-Flotte, weil man damit rechnen kann, dass man den Wasserstoff hier zuverlässig zur Verfügung hat.“

Know-how für die Umstellung von Geschäftsprozessen verfügbar

Vorgesehen ist auch die Belieferung einer Methanol-Syntheseanlage des TTZ Bremerhaven, die neben dem IWES-Gelände entstehen soll. Methanol dient unter anderem als klimafreundlicher Treibstoff für das Forschungsschiff „Uthörn“ des Alfred-Wegener-Instituts. Das TTZ erforscht darüber hinaus den Einsatz von Wasserstoff in der Intralogistik und in Bäckereien. Auch die Hochschule Bremerhaven engagiert sich in der Wasserstoffforschung – dort wurde beispielsweise ein Mini-Stromnetz (Microgrid) aufgebaut, komplett mit Brennstoffzelle, Elektrolyseur, Batterie und Leistungselektronik. Dort hat das IWES auch einige seiner Testprotokolle ausprobiert.

Die Region kann in Zukunft stark von dem umfangreichen Wissen profitieren, das in Bremerhaven aufgebaut wird. „Wir können ganz viel Erfahrung anbieten“, betont Schalk, der auch im Vorstand von H2BX aktiv ist. Der Verein versteht sich als unabhängiges Netzwerk und Forum für die Informationsvermittlung rund um das Thema Wasserstoff. Neben der Logistik seien auch der Schiffbau und die Lebensmittelindustrie zwei naheliegende Branchen für den Einsatz der Technologie. Grundsätzlich gelte: „Überall, wo man thermische Prozesse hat, kann man darüber nachdenken, Wasserstoff statt Erdgas zu nehmen.“

Weitere Informationen:

Fraunhofer IWES
https://www.iwes.fraunhofer.de/

H2BX – Wasserstoff für die Region Bremerhaven e.V.
https://h2bx.de/