Was vom Holocaust bleibt

Ein neuer Film von Eike Besuden geht der Frage nach, wie sich die Vertreibung des Bremer Kaufmanns Julius Bamberger und seiner beiden Kinder noch heute auf ihre Nachfahren in den USA auswirkt.

Zwischen 1907 und dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich Julius Bamberger nicht nur als erfolgreicher Unternehmer in Bremen, sondern auch als beliebter Chef und als kulanter Kaufmann gegenüber den Kunden aus der Arbeiterschicht. Im Ersten Weltkrieg hatte er für Deutschland als Soldat noch sein Leben riskiert, aber in den Augen der Nationalsozialisten zählte nur eins: Er war Jude. Nach seiner Enteignung im Jahr 1937 gelang ihm mit seinen beiden Kindern Anneliese und Egon eine abenteuerliche Flucht in die USA, die jedoch für alle drei ein traumatisches Erlebnis war, von dem sie sich nie wieder vollständig erholten.

Der Bremer Filmemacher Eike Besuden hat die Geschichte bereits 2012 in einer Dokumentation aufbereitet und dafür die Tochter von Julius Bamberger, Anneliese Graysen, sowie seine Enkel interviewt. Der Kontakt zur Familie blieb anschließend bestehen, während die zweite in den USA geborene Generation – die „Enkel des Holocaust“ – aufwuchs. Unter diesem Titel präsentiert Besuden nun eine zweite Doku, in der vor allem diese Generation zu Wort kommt. Dabei wird deutlich: Der Holocaust und das Familientrauma bleiben präsent in den Leben der Bamberger-Nachkommen. Und dennoch entwickeln sie bei Besuchen in Bremen heimatliche Gefühle – auch wenn sie nicht hierherziehen würden.

Die Idee, das Schicksal der Familie Bamberger zu dokumentieren, entwickelte Besuden gemeinsam mit dem 2022 verstorbenen Bauunternehmer und Bremer Ehrenbürger Klaus Hübotter sowie dessen Schwiegersohn Reiner Schümer. Sie hatten in den 2000er Jahren das markante Hochhaus, das der Kaufmann 1929 errichtet und das nach dem Krieg nur notdürftig wieder aufgebaut worden war, vor dem Abriss bewahrt und vollständig saniert. Besuden war schnell von dem Thema fasziniert. Er reiste auf Bambergers Spuren in die Schweiz, nach Frankreich und in die USA, fand noch viele Dokumente und einige Originalschauplätze, an denen Schlüsselszenen der Flucht mit Schauspielern verfilmt wurden. Als ergiebige Quellen erwiesen sich auch die Nachkommen in den USA: Irgendwie hatte die Familie es geschafft, trotz zwischenzeitlichen Internierungen und absoluter Mittellosigkeit alte Fotos und andere Dokumente in die Neue Welt hinüberzuretten – darunter sogar abstoßende Drohbriefe, die sie von Nazis erhalten hatten.

Bambergers Tochter Anneliese litt nach der Flucht zeitlebens unter starken psychischen Problemen und konnte zum Zeitpunkt des Gesprächs im hohen Alter nur noch wenig Auskunft geben. Ihre Kinder und weitere Familienmitglieder stellten sich für ausführliche Interviews bereit – nur eine Person nicht. Besuden berichtet: „Sie sagte: Wenn ich so ein Interview mache, dann gehe ich wieder so rein in diese verdammte alte Geschichte. Ich will das nicht.“

In Besudens Buch „Emigrante“, das im Dezember 2022 erschien, sind viele Interviews mit den Nachkommen der Zwillinge Anneliese und Egon nachzulesen. Da berichtet Egons Sohn Jules beispielsweise, wie sein Vater – der ein erfolgreicher Versicherungsmakler in Kalifornien wurde – ihn manchmal abends aus dem Bett holte, wenn eine Holocaust-Dokumentation lief und „die Leichen mit Bulldozern begraben wurden“. Egon habe seine Kinder warnen wollen, dass sie immer auf der Hut sein müssten – für Jules war es jedoch eine schwierige Kindheit. Er sah auch, dass sein Vater stark unter dem Verlust seines alten Lebens litt: „All die schrecklichen Dinge, die er erlebt hatte – es war herzzerreißend. Ich glaube, daher hatte er diese Nächte, in denen er Schnaps trank und weinte.“

Seit dem ersten Film ist Besuden der Ansprechpartner für die Familienmitglieder, die Bremen besuchen, mittlerweile auch für die Enkel von Anneliese und Egon. Er führt sie dann zum Bambergerhaus, das jetzt von der Volkshochschule genutzt wird, zum Staatsarchiv und zum jüdischen Friedhof, auf dem sie den Grabstein von Simon Bamberger – dem Vater von Julius – gefunden haben. „Das sind alles Situationen, die sie sehr berühren“, berichtet Besuden. Dies gelte besonders für das ehemalige Wohnhaus an der Parkallee, in das sie manchmal hineingelassen werden. „Hier müsste es eigentlich noch den Schall ihrer Stimmen geben“, habe eine Enkelin der Zwillinge gesagt – nun sind dort jedoch Büros untergebracht. Besuden: „Auf der anderen Seite sagen sie natürlich auch: Wir sind mit dieser Kultur auf eine gewisse Weise verbunden. ‚Wir fühlen immer noch deutsch‘, hat eine Enkelin gesagt, ‚aber wir sind eben doch Amerikaner.“

Der neue Film „Generation Zukunft – Die Enkel des Holocaust“ wurde am 15. März als Film-Preview im Bambergerhaus gezeigt und soll im Juni beim Filmfest Emden sowie bei weiteren Festivals laufen. Im Kino wird er voraussichtlich zum Ende des Jahres regulär zu sehen sein.