Unternehmen im Fischereihafen kooperieren für den Klimaschutz

Ohne Strom und Gas läuft nichts im Bremerhavener Fischereihafen. Die dortige Wirtschaft hat in dem enormen Energiebedarf eine große Chance erkannt und mit der „Climate Cooperation Fischereihafen CCF“ eine bundesweit einmalige Klimaschutz-Initiative gestartet.

Ralf Finck managt den Energieeinkauf des Tiefkühlkost-Herstellers Frosta und erinnert sich gut an den Jahresbeginn 2023: „Als in Folge des Ukraine-Krieges die Energiepreise in die Höhe stiegen und eine Gasmangellage drohte, schrillten bei uns die Alarmglocken.“ Aus anderen Unternehmen im Bremerhavener Fischereihafen erfuhr er, dass sich auch andere mit solchen Sorgen befassten. In ersten informellen betriebsübergreifenden Gesprächen suchten Finck und weitere Energie-Fachleute nach Gegenstrategien. Sie fanden etwas von großer Tragweite: Neue Wege in der Energieversorgung könnten über die Krisenbewältigung hinaus einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Bis zur Umsetzung waren es nur wenige Schritte: Im März 2023 stieß Frosta gemeinsam mit der Fischmanufaktur Deutsche See, dem Frostfisch-Produzenten Iglo/Frozen Fish International sowie dem Fliesenhersteller Nordceram und dem Importholzverarbeiter Cordes die Climate Cooperation Fischereihafen (CCF) an. Mittlerweile haben sich mehr als 35 Unternehmen dieser bundesweit beispielhaften Klimaschutz-Initiative angeschlossen. Erste konkrete Projekte sind in Arbeit.

Energieüberschüsse werden ausgetauscht

Kühlhäuser und Produktionsstraßen in der Lebensmittelindustrie, Brennöfen für die Steingut-Herstellung, Anlagen zur Verarbeitung von Holz- oder Stahl, Lkw- Transporte innerhalb des Fischereihafens und zu Zielen in ganz Europa, öffentliche oder private Verkehrsmittel für den Weg der rund 9000 Beschäftigten zum Arbeitsplatz – ohne den Einsatz von Energie würde sich in dem 450 Hektar großen Gewerbe- und Industriegebiet nichts bewegen. Allein die fünf CCF-Initiatoren verbrauchen jährlich insgesamt rund 240 Gigawattstunden (GWh) Gas und 90 GWh Strom. Derzeit wird ein Großteil aus fossilen Quellen gedeckt und führt zu entsprechenden Emissionen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2).

Doch das muss nicht so bleiben: „Grundsätzlich bietet das Gewerbegebiet gute Voraussetzungen für eine sichere Energieversorgung zu planbaren und wettbewerbsfähigen Bedingungen“, berichtet Timo Mahler, Energie-Experte der Fischmanufaktur Deutsche See. Deshalb sei es möglich, die Unternehmen aus alternativen Quellen zu versorgen und einen Austausch zwischen Energieüberschüssen in einzelnen Betrieben und dem Bedarf in anderen Firmen zu organisieren. Das ist der Plan der Initiative.

Innerhalb eines Jahres haben sich unterschiedlichste Firmen – vom Industriebetrieb bis zum Handwerker – der Initiative angeschlossen. Neben der gesellschaftlichen Verantwortung gehören ökonomische Aspekte wie steigende Energiekosten, kommende Emissionsabgaben und Kundenerwartungen zu den Beweggründen. „Alle stehen vor der Herausforderung, künftig klimaneutral zu arbeiten“, erläutert Ralf Finck, „der Standort hier bietet ideale Voraussetzungen, dafür eine gemeinsame Basis für alle im Fischereihafen ansässigen Betrieben zu schaffen.“

Das liegt auch an der besonderen Struktur des Fischereihafens. Das Areal gehört zum Sondervermögen des Landes Bremen, als Management-Gesellschaft und Dienstleister der ansässigen Betriebe kann die FBG Bremerhaven alle Entwicklungen aus einer Hand steuern. „Als zentraler Energieversorger für die rund 400 Betriebe gehören Klimaschutz und Versorgungssicherheit zu unseren vordringlichen Themen“, betont FBG-Geschäftsführerin Petra Neykov, „deswegen ist dieses Projekt ganz in unserem Sinn.“

Autarke Energieversorgung in zehn Jahren

In den nächsten fünf bis 10 Jahren soll die autarke Energieversorgung des Fischereihafens mit Strom aus Windenergie und Photovoltaik sowie synthetischem Gas Realität werden. Die Weichen sind dafür gestellt: Im Fischereihafen befassen sich Forschungsinstitute wie das Fraunhofer IWES sowie die Hochschule Bremerhaven mit den Technologien, beispielsweise für die Produktion und Nutzung von „grünem“ Wasserstoff. Erste Potenzialstudien zeigen, dass mindestens 105 GWh Strom direkt im Fischereihafen mit Hilfe von Photovoltaik und Windkraftanlagen erzeugt werden können.

Um das gesamte Potenzial an Klimaschutzmaßnahmen zu ergründen, hat die Klimaschutzinitiative Arbeitsgruppen gebildet. Neben der Nutzung alternativer Energiequellen geht es dabei um die engere Kooperation von einzelnen Unternehmen. Beispielsweise könnte die Abwärme aus Produktionsanlagen als Energiequelle für andere Firmen und Kühlhäuser als Energiespeicher genutzt werden.

Zu den zentralen Themen zählen unter anderem die Anbindung des Fischereihafens an den öffentlichen Personennahverkehr sowie die Verlagerung von Lkw-Verkehren auf die Schiene. Ob etwas machbar ist und wie das Ergebnis sein könnte, soll mit Hilfe eines digitalen Zwillings des Fischereihafens geprüft werden. Eine grundlegende Prüfung hat die Initiative bereits bestanden: Obwohl in den Arbeitsgruppen Unternehmen zusammensitzen, die im Wettbewerb zueinander stehen, funktioniert die Kooperation reibungslos.

Bild oben:
Die Deutsche See generiert mit einer Photovoltaikanlage auf dem Firmendach eigenen Strom.
Foto: Deutsche See