Im Land Bremen erhalten die Hochschulen deutlich weniger Grundmittel je Studentin und Student als in allen anderen Bundesländern. Dennoch gelang es der Universität Bremen erstmals, zwei Exzellenzcluster gleichzeitig einzuwerben. Rektorin Jutta Günther erklärt die Gründe für den Erfolg und freut sich über Kooperationen mit Unternehmen.
Die Achterbahnfahrt der Universität Bremen in der bundesweiten Exzellenzinitiative nimmt wieder Geschwindigkeit auf: Nach dem Gewinn und Verlust des Titels „Exzellenzuniversität“ in den Zehnerjahren hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Juni wieder zwei positive Bescheide übermittelt: Die Forschungsanträge „Der Ozeanboden“ und „Die Marsperspektive“ werden für sieben Jahre als Exzellenzcluster gefördert und bringen neben den finanziellen Mitteln auch viel wissenschaftliches Prestige nach Bremen. Darüber hinaus erfüllt die Universität nun die Voraussetzungen, um sich erneut als Exzellenzuniversität zu bewerben.
Kooperationsangebote für Unternehmen
Die Universität Bremen unterhält enge Kontakte zu Bremer Unternehmen, um die Forschungsergebnisse in die Anwendung zu überführen. Aktuell sieht Rektorin Jutta Günther jedoch auch konkreten Bedarf für unternehmerisches Engagement bei der kurzfristigen Bereitstellung von Wohnraum und bei der Ausrichtung von Sprachkursen. Die Universität könnte noch deutlich mehr internationale Studierende aufnehmen und für den deutschen Arbeitsmarkt ausbilden, allerdings scheitere es oft am fehlenden „Dach über dem Kopf“. Rund 500 Low-Budget-Wohnungen wären gut, auch provisorischer Natur, denn die Lage ist angespannt. „Es gibt eine dauerhafte Nachfrage“, so die Rektorin. Ähnliches gelte für Deutsch-Kurse. „Uns wäre sehr geholfen, und es wäre ein Win-Win.“
Diese Leistung ist auch deshalb besonders hoch einzuordnen, weil sie trotz schwieriger Standortbedingungen zustande gekommen ist: Die Hochschulen im Land Bremen erhalten im Bundesvergleich schon seit langem die niedrigste finanzielle Grundausstattung. Ein Vergleich anhand der neuesten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2022 zeigt: Während die fünf Bundesländer am oberen Rand ihren Universitäten rund 11.000 Euro pro Studentin und Student zur Verfügung stellten, lag Bremen mit 6900 Euro abgeschlagen am Ende.
Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei den Drittmitteln, die von den Professorinnen und Professoren durch Forschungsanträge für ihre Projekte eingeworben werden – hier liegt die Uni Bremen bundesweit auf dem dritten Platz, fast gleichauf mit Baden-Württemberg.
Im Wettbewerb mit reichen Universitäten
Das Bremer Ungleichgewicht zwischen Grundausstattung und Drittmitteln ist ausgesprochen ungewöhnlich. „Es spricht für eine sehr hohe Effizienz“, betont Rektorin Jutta Günther. Bei eingeworbenen Drittmittelprojekten müsse die Universität im Durchschnitt rund 50 Prozent der gesamten Kosten selbst tragen, unter anderem für Räumlichkeiten und Supportpersonal – also Beschäftigte in der Finanzbuchhaltung, der Personalabteilung, der technischen Unterstützung oder ähnlichen Bereichen. „Deshalb sind große Drittmittelprojekte eigentlich eher etwas für reiche Universitäten, die eine hohe Grundausstattung haben“, sagt Rektorin Günther. „Aber wir bewältigen das trotzdem durch eine sehr geschickte Handhabung unserer Mittel.“
In der Praxis sieht das so aus, dass die Professorinnen und Professoren oft selbst mit anpacken müssen, wo ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern bestimmte Tätigkeiten abgeben können, beispielsweise beim Schreiben von Anträgen. „In Bremen haben wir einen sehr geringen Anteil an Verwaltungspersonal“, erklärt Günther. „Wir gönnen uns lediglich 0,5 Vollzeitäquivalente pro Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler. Im Bundesdurchschnitt sind es 0,9 Stellen.“
Ein anderer Punkt ist ihr mindestens ebenso wichtig: „Wir haben eine unglaubliche Stärke darin, zusammenzuarbeiten, auch über die Grenzen der Disziplinen hinweg. Wir sind eine Universität, an der es fast keine Einzelkämpfer gibt, sondern starke Gruppen, die attraktive, sehr mutige Forschungsthemen entwickeln und sich gemeinsam überlegen, wie sie Ressourcen und Synergieeffekte nutzen können, um zusammen einen großen Antrag zu schreiben. Darin sind wir traditionell unheimlich stark.“
Diese Kooperationen enden nicht an den Türen der Hochschulgebäude. Rektorin Günther verweist auf die zahlreichen außeruniversitären Institute im Technologiepark, darunter Einrichtungen aller bedeutenden überregionalen Forschungsgesellschaften wie Max Planck, Leibniz, Fraunhofer, DLR und DFKI. „Das ist eine bremische Besonderheit – eine so hohe Dichte an Instituten findet man in ganz Deutschland nicht noch einmal. Das ist schon sehr herausragend.“
1,8 Milliarden Euro Wertschöpfung pro Jahr
Auf die Dauer soll dies jedoch keine Ausrede für die Politik sein, weiter an der Wissenschaft zu sparen. Der erste Entwurf des neuen Bremer Wissenschaftsplans wird zurzeit nachgebessert, weil er noch keine Finanzplanung enthielt – und somit auch keine Planungssicherheit für die Hochschulen. Positiv ist laut Günther, dass – anders als derzeit beispielsweise in Berlin oder Hessen – keine weiteren Kürzungen geplant und die Kofinanzierung der Exzellenzstrategie gesichert seien. „Mittel- bis langfristig wünschen wir uns aber, dass wir bei der Grundfinanzierung Richtung Bundesdurchschnitt kommen.“ Gleichzeitig gelte es, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass Mittel aus dem Sondervermögen zur Bewältigung des enormen Sanierungsstaus an den Hochschulen genutzt werden.
Die Rektorin betont, dass diese Ausgaben dem Staat an anderen Stellen wieder zufließen. Laut Wissenschaftsressort beträgt die jährliche Wertschöpfung durch das Bremer Wissenschaftssystem rund 1,8 Milliarden Euro. Allein die 38.500 Studierenden des Bundeslandes erzeugen eine jährliche Kaufkraft von 246 Millionen Euro. Darüber hinaus stellt die Universität dem Arbeitsmarkt rund 3000 Absolventinnen und Absolventen pro Jahr zur Verfügung. Auch das Prestige, das die Erfolge in der Exzellenzinitiative bringen, hilft nicht nur dem Wissenschaftsstandort, sondern auch der Wirtschaft. Die gemeinsame Bewerbung mit der Universität Oldenburg als Exzellenzuniversität könnte daher dem ganzen Nordwesten einen Schub verleihen.
Die niedersächsische Partner-Universität hat mit zwei eigenen gewonnenen Exzellenzclustern in der aktuellen Runde ebenfalls ein Ausrufezeichen gesetzt. Der Verbund wird teilweise bereits gelebt: „Wir arbeiten seit Jahrzehnten mit Oldenburg zusammen“, sagt Günther, beispielsweise im Cluster „Der Ozeanboden“. Die Forschungsspezialisierungen ergänzen sich bereits gut und sollen noch weiter aufeinander abgestimmt werden, unter anderem an der Schnittstelle von Informatik und Medizin und in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Im November muss der gemeinsame Antrag eingereicht werden, die Entscheidung wird Anfang Oktober 2026 verkündet. „Wir haben realistische Chancen und so oder so wird es ein Gewinn sein, ein gemeinsames Zukunftskonzept zu erarbeiten“, so Günther.
Bild oben:
Eine große Stärke der Universität ist die enge Kooperation mit den zahlreichen außeruniversitären Instituten sowie den 500 Unternehmen, die sich im Technologiepark angesiedelt haben.
Foto: Peter Sondermann