Preissteigerungen und Lieferengpässe sorgten im Jahr 2022 für Verunsicherung, dennoch lag das bremische Wirtschaftswachstum deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Damit der positive Trend sich nicht wieder umkehrt, fordert die Handelskammer von der Politik mehr Handlungsspielraum für Unternehmen.
Die vergangenen drei Jahre boten Unternehmen kaum eine Chance, durchzuatmen und sich komplett auf ihr Geschäft zu fokussieren: Der Pandemie folgten die Lieferkettenengpässe, der Krieg und eine Energiekrise, „wie wir sie in den Zeiten der Bundesrepublik noch nicht hatten“, so Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht bei der Vorstellung des Statistischen Jahresberichts 2022. Mittlerweile trägt zusätzlich die massive Inflation zur Verunsicherung der Märkte bei.
Trotz alledem ist es der Wirtschaft im Land Bremen gelungen, die Schwierigkeiten im zurückliegenden Jahr zu meistern. Der Statistische Jahresbericht der Handelskammer zeigt, dass die Wirtschaftsleistung im Land Bremen nach ersten Berechnungen der statistischen Ämter im Jahr 2022 um 5,1 Prozent gestiegen ist. Damit lag das Wachstum der bremischen Wirtschaft deutlich über dem im Bundesdurchschnitt (+1,8 Prozent).
Zwei kräftige Wachstumsjahre hintereinander
„2022 war gewissermaßen ein historisches Jahr, wenn man es statistisch betrachtet“, betonte Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger. „Zum ersten Mal hat Bremen nach Wirtschaftsleistung das Saarland überholt“ – mit einem Bruttoinlandsprodukt von 38,7 Milliarden Euro gegenüber den 38,5 Milliarden Euro des Saarlandes. „Das ist durchaus eine Zäsur, wenn man überlegt, dass Bremen 680.000 Einwohner hat und das Saarland 1 Million.“ Somit sei Bremen von der Wirtschaftskraft her nicht mehr das kleinste Bundesland – jedenfalls auf Basis der vorläufigen Zahlen.
Bereits im Jahr 2021 sei die Bremer Wirtschaft um 6,1 Prozent gewachsen und habe damit deutlich besser abgeschnitten als die Bundesrepublik insgesamt (2021: +2,6 Prozent; 2022: +1,8 Prozent). im Wesentlichen habe es sich dabei allerdings um einen Aufholprozess aus den etwas schwächeren Jahre von 2015 bis 2020 gehandelt.
Industrie und Export blieben die Motoren
Die bremische Industrie hatte maßgeblichen Anteil am hohen Wirtschaftswachstum im Land Bremen. Der Industrieumsatz legte im Jahr 2022 um 31,5 Prozent zu und lag damit wieder leicht über dem Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2019. Maßgeblich für die hohen Umsatzzuwächse war die Entwicklung im Fahrzeugbau (+37,2 Prozent), auf den insgesamt etwas mehr als zwei Drittel des gesamten Industrieumsatzes zurückzuführen sind. Vor allem im Auslandsgeschäft verzeichnete die Industrie hohe Umsatzsteigerungen. Mit einem Anteil von rund 69 Prozent am Gesamtumsatz weist das Land Bremen im Bundesländervergleich weiterhin mit Abstand die höchste Exportquote auf.
Auch der Dienstleistungsbereich (+3,7 Prozent) lag leicht über dem Bundesschnitt, während die Bauwirtschaft nach mehreren guten Jahren unter den Preissteigerungen, Materialengpässen und dem steigenden Zinsniveau litt.
Die insgesamt positive Entwicklung spiegelte sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten war im Juni 2022 um 1,7 Prozent größer als zum gleichen Vorjahreszeitpunkt und sogar 2,4 Prozent größer als im Vorkrisenjahr 2019. „Während der Coronazeit hat es weiter Beschäftigungswachstum gegeben – eine erstaunliche Tatsache“, so Fonger.
Die kontinuierlich abnehmende Verfügbarkeit an qualifizierten Arbeitskräften stellt gleichzeitig eines der Risiken dar, mit denen sich die Unternehmen im Land Bremen aktuell konfrontiert sehen. Als weitere Herausforderungen und Geschäftsrisiken nannte der Hauptgeschäftsführer die allgemeinen Rahmenbegingen, die hohe Inflation und die Entwicklungen der Preise von Energie- und Rohstoffen. Die konjunkturelle Entwicklung im Jahresverlauf 2023 werde stark davon abhängen, ob das Exportgeschäft sich auf hohem Niveau halten kann.
Tendenz zu wachsender staatlicher Einflussnahme
Mittel- bis langfristig spielen neben der Weltwirtschaft auch die lokalen Weichenstellungen vor Ort eine zentrale Rolle. Präses Eduard Dubbers-Albrecht: „Das Land Bremen steht vor entscheidenden Herausforderungen, die ein gemeinsames und vertrauensvolles Handeln von Politik und Wirtschaft dringend erforderlich machen. Die Unternehmen brauchen wieder mehr Handlungs- und Gestaltungsspielraum.“
Im Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung spüre man bei einer Reihe von Themen einen positiven politischen Wandel im Vergleich zur zurückliegenden Legislaturperiode. Die Vereinbarung der Koalitionäre lasse jedoch auch den Wunsch nach einer wachsenden staatlichen Einflussnahme erkennen: „Diese aus unserer Sicht bedenklichen Tendenzen zeigen sich insbesondere in den Bestrebungen, den öffentlichen Einfluss auf die Bereiche Energieversorgung, Abfallentsorgung, Straßenreinigung und Wasserversorgung auszuweiten. Das sehen wir kritisch“, sagte er.
Angesichts knapper öffentlicher Mittel sei es wichtig, auf allen Ausgabenfeldern, aber gerade auch im Klimaschutz das Kosten-Nutzen-Verhältnis konsequent zu beachten, so Dubbers-Albrecht. Viele Vorhaben seien kaum realisierbar, ohne neue Schulden aufzunehmen. Eine weitgehend schuldenfinanzierte Energiewende – zu Lasten kommender Generationen – sei nicht nachhaltig.
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Der statistische Jahresbericht 2022 der Handelskammer Bremen kann hier heruntergeladen werden.
Foto oben:
Der Fahrzeugbau – hier das Mercedes-Benz Werk Bremen – kurbelte das Wirtschaftswachstum in Bremen und Bremerhaven im Jahr 2022 stark an.
Foto: Mercedes-Benz Group