Sprachliche Hürden aus dem Weg räumen

Häufig scheitert erfolgreiche Kommunikation am sprachlichen Verständnis. Dabei ist klar: Wer nicht richtig versteht, kann nicht gut arbeiten. Die RKW-Servicestelle Deutsch am Arbeitsplatz unterstützt Bremer Unternehmen, Sprachhindernisse im Betrieb zu erkennen und zu beseitigen.

Als Hamsa Abo Hassoun Mitte 2017 nach Bremen kam, um hier mit ihrem zwei Jahre zuvor ebenfalls aus Syrien geflohenen Mann zu leben, konnte sie kaum Deutsch. Drei Jahre lang lernte sie intensiv, bevor sie eine Stelle als Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft antrat – für sie eine erhebliche Umstellung, nachdem sie an der Universität Damaskus ein Studium der Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen hatte. „Mit meinem syrischen Hochschulabschluss und meinen bescheidenen Sprachkenntnissen war es nicht einfach, hier einen Job zu finden“, berichtet die 31-Jährige. Also lernte sie weiter die fremde Sprache und beschloss, eine auf zwei Jahre verkürzte Ausbildung zur Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement beim Bremer Hydraulik-Spezialisten Franz Gottwald zu beginnen.

Und obwohl ihr Team sie von Anfang an unterstützte: „Ich war zu Beginn des Schuljahrs schockiert, dass die Sprache, die ich in der Schule gelernt hatte, weit von der Alltagssprache entfernt war“, sagt Abo Hassoun. Sie habe Schwierigkeiten gehabt, die Lehrkräfte, Mitschüler und Kollegen zu verstehen – und deswegen jeden Tag viele Stunden damit zugebracht, zuhause die Unterrichtsinhalte zu übersetzen und ihre Aufgaben zu erledigen. Als weitere Herausforderung zeigte sich, dass durch die Verständnisschwierigkeiten die Zeit in den Prüfungen knapp war. Dabei leide sie ohnehin schon unter Prüfungsangst, erzählt sie: „Darum war ich nach einem Jahr an dem Punkt, die Ausbildung wegen des psychischen Drucks zu beenden.“

Botschafter für die Integration von Flüchtlingen

Lesen Sie im Online-Magazin der Handelskammer Bremen den Bericht über Michael Guttrof, Geschäftsführer von Zech Logistics und Regionalbotschafter der bundesweiten Initiative Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge.
handelskammer-magazin.de/botschafter-guttrof

Coaching führt zum Prüfungserfolg

An dieser Stelle kam die RKW-Servicestelle Deutsch am Arbeitsplatz ins Spiel. Nach Vermittlung durch den Willkommenslotsen der Handelskammer organisierte die Servicestelle eine Coachin, die mit Hamsa Abo Hassoun im Verlauf von zwölf Sitzungen verschiedene Prüfungssituationen simulierte sowie sprachliche Knackpunkte beim Lesen und Verstehen von Prüfungsfragen aufarbeitete. Gemeinsam gelang es, den Stress abzubauen – und so beschloss die Syrerin, ihre Ausbildung fortzuführen und schließlich zur Abschlussprüfung anzutreten. Mit Erfolg: „Aufgrund der Hilfe durch das Coaching betrat ich die Prüfung mit größerem Vertrauen“, sagt sie. „Und ich bestand.“

Ein Betrieb beschäftigt Mitarbeitende aus unterschiedlichen Ländern und braucht Unterstützung beim Beseitigen sprachlicher Hürden: Das ist nach Auskunft von Projektleiterin Claudia Oefele eines der häufigsten Anliegen, mit denen Unternehmen an die Servicestelle Deutsch am Arbeitsplatz herantreten. „Und dann beginnt der Beratungsprozess“, erläutert sie. „Los geht es üblicherweise mit einem persönlichen Gespräch im Betrieb, bei dem wir gemeinsam mit den zuständigen Führungskräften den konkreten Bedarf analysieren und Ideen für eine erfolgreiche Kommunikation am Arbeitsplatz entwickeln.“

Passgenaue Instrumente

Wichtig ist Oefele die Feststellung, dass die Angebote des Projekts Deutsch am Arbeitsplatz für interessierte Unternehmen kostenfrei sind – und dass es sich dabei nicht um Sprachkurse handelt. Vielmehr stehen der Servicestelle verschiedene Instrumente für jeweils konkrete Herausforderungen zur Verfügung. Da sind zum Beispiel die Sprachcoachings und Sprachtrainings, die sich an Beschäftigte mit einer anderen Muttersprache als Deutsch richten. Sie können zum Beispiel den Umgang mit herausfordernden Situationen und Konflikten ebenso umfassen wie auch arbeitsplatzbezogene Lerneinheiten zur Vertiefung des Fachwortschatzes oder zum besseren Verständnis von Anzeigen auf Displays.

„Darüber hinaus unterstützen wir auch die deutschsprachige Seite und sensibilisieren zum Einsatz von einfacher Sprache im Betrieb“, sagt Oefele. Dazu gibt es je nach Bedarf kurze Inputs oder mehrstündige Workshops, die etwa zum Ziel haben, Arbeitsanweisungen klar zu vermitteln und das Verständnis zu sichern. Auch ein in Dauer und Terminierung flexibles Sprachmentoring hat die Servicestelle im Angebot: Dabei handelt es sich um eine betriebsinterne Fortbildung zu Sprachmentoren und -mentorinnen, die den Sprachlernprozess oder auch das Onboarding von zugewanderten Mitarbeitenden unterstützt beziehungsweise begleitet. „Die Betriebe müssen verstehen, dass sie auch ein Lernort für Sprache und Kommunikation sind“, betont Claudia Oefele. „Und wir können aufzeigen, wie dieser Lernweg aussehen kann.“

Unterdessen geht der Weg von Hamsa Abo Hassoun weiter. Nach erfolgreich bestandener Abschlussprüfung unterschrieb die 31-Jährige einen unbefristeten Arbeitsvertrag in der Verkaufsabteilung von Franz Gottwald. „Ich habe das Sprachproblem überwunden und kann jetzt leicht mit meinen Kollegen und Kunden kommunizieren“, freut sie sich. „Ich fühle mich zugehörig und umgeben von großartigen Menschen, die mich unterstützt und meine Bemühungen geschätzt haben.“

Servicestelle Deutsch am Arbeitsplatz:
handelskammer-magazin.de/deutsch-am-arbeitsplatz

Gottwald-Gruppe:
www.gottwald-hydraulik.com/de

Handelskammer unterstützt

Wie funktioniert es mit der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse? Welche Qualifizierungsangebote gibt es für Geflüchtete? Die Handelskammer hat zu Fragen wie diesen ein Informationsangebot zusammengestellt, das online abrufbar ist.
handelskammer-magazin.de/infos-fluechtlinge


Foto oben:
Hamsa Abo Hassoun hat sich trotz der Sprachschwierigkeiten durch die Ausbildung gekämpft und ist jetzt eine hoch geschätzte Mitarbeiterin bei der Firma Franz Gottwald.
Foto: Karsten Klama