Eine hohe Nachfrage nach Seetransporten trifft auf unzureichende Kapazitäten.
Der Welthandel floriert – trotz Corona. Die Exporte und Importe der europäischen Industrie sowie des Handels bewegen sich auf hohem Niveau und erreichen in einzelnen Branchen Rekordniveau. Das Problem dabei: „Die hohe Nachfrage trifft auf viel zu wenig Schiffsraum“, betont Oliver Oestreich, Vorsitzender des Vereins der Bremer Spediteure und COO der Spedition Leschaco. „Zunächst hatten die Reedereien vor einem Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie ihr Angebot verknappt. Als dann abzusehen war, dass die Nachfrage rasant steigen wird, konnten die Schiffe nicht im gleichen Maße zurück in Fahrt gebracht werden.“
Begleitet werden die zunehmenden Kapazitätsengpässe durch eine Fahrplanpünktlichkeit von mittlerweile unter 40 Prozent: „Die Spediteure müssen entsprechend größte Mühe aufwenden, um die Waren ihrer Kunden aus Industrie und Handel zu verschiffen“, berichet Oliver Oestreich. „Buchungsvorläufe von vier bis sechs Wochen sind keine Seltenheit. Zudem behalten die Reedereien sich vor, bestätigte Buchungen noch kurz vor Schiffsabfahrt wieder zu stornieren. Erschwerend kommt hinzu, dass weltweit ein eklatanter Mangel an Leercontainern herrscht. Es kommt also immer wieder vor, dass Container erfolgreich für eine Abfahrt gebucht wurden, aber keine Leercontainer zu erhalten sind.“
Die Frachtraten haben sich laut Oestreich in manchen Fahrtgebieten bereits verfünffacht, in der Spitze sogar verzehnfacht. Den Speditionsunternehmen seien dabei aufgrund der wachsenden Marktmacht der großen Reederei-Konsortien vielfach die Hände gebunden. „Aktuell zeigen unsere Kunden noch Verständnis für die Situation, das lässt sich aber sicher nicht ins Unendliche strapazieren“, gibt er zu bedenken.
Mitarbeiter gesucht
Verschärft worden sei die Lage durch die Havarie der „Ever Given“ im Suez-Kanal, ergänzt Sven Schoon, geschäftsführender Gesellschafter der ETS Transport & Logistics GmbH. Von dem Vorfall sei letztlich die gesamte Branche betroffen; nicht nur aufgrund der Terminverzögerungen, sondern auch wegen der haftungsrechtlichen Unsicherheiten.
Wenn sich die Lage nicht stabilisiere, müsse der erhöhte Koordinationsaufwand bei der Anlieferung in die Häfen und bei der Abfuhr der angelandeten Container mittelfristig eventuell an die mittelständischen Kunden weitergegeben werden, warnen die Spediteure. Die Engpässe in den Häfen und der Infrastruktur – in Kombination mit der hohen Auslastung – bringe die Branche an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Eine derart angespannte Situation habe es in den vergangenen Jahrzehnten noch nicht gegeben: „Dass die Belegschaft gut zu tun hat, wäre untertrieben“, so Oliver Oestreich: „Viele Unternehmen würden deshalb gerne weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen.“
Der Verein Bremer Spediteure e.V. wurde im Jahre 1901 gegründet und ist ein Zusammenschluss von Speditions- und Logistikfirmen in Bremen und Bremerhaven. In den rund 200 Firmen der Branche sind insgesamt 5000 Mitarbeiter beschäftigt, die einen Umsatz von 2,5 bis 3 Milliarden Euro erzielen.