Als ältestes industrielles Familienunternehmen in Bremen feiert die Gleistein GmbH ihr 200-jähriges Bestehen – aber es wäre fast ganz anders gekommen.
Wenn Tom Cruise in Mission Impossible 6 in Norwegen durch den Schnee fährt, ist er durch Seile gesichert, die aus Bremen stammen – von Gleistein. Andere (Prestige-)Missionen sorgen ebenfalls für internationale Aufmerksamkeit: Etwa die Verpackung des Arc de Triomphe durch den Verhüllungskünstler Christo im Jahre 2021 – mit Seilen von Gleistein. Und auch die dänische Segel-Nationalmannschaft schwört bei ihrem Equipment auf Seile, die aus Bremen-Blumenthal stammen. Dies sind zweifelsfrei spektakuläre Beispiele für die Arbeit des Tauwerk-Unternehmens, das indes auch in „normaleren“ Arbeitszusammenhängen zu überzeugen weiß – und das seit bereits 200 Jahren.
Bemerkenswert daran ist unter anderem, dass von Beginn an bis in die Jetzt-Zeit fast immer Familienmitglieder die Leitung innehatten – gegenwärtig bilden Klaus Walther und Thomas Schlätzer in der achten Generation die traditionelle Doppelspitze der Geschäftsführung und freuen sich sehr auf das große Jubiläum des Unternehmens, das Ende April gefeiert wird. Ein Unternehmen, das heute pro Jahr etwa 32 bis 33 Millionen Euro Umsatz macht, 250 Mitarbeitende hat und mit seinen Seilen in manchen Bereichen wie der Kreuzschifffahrt nach eigenen Angaben sogar global marktführend ist. Gleistein, zugleich das älteste industrielle Familienunternehmen Bremens, verbindet dabei sein historisches Erbe mit modernster Faserseiltechnologie – Stillstand verboten.
Angefangen hat alles im Jahr 1824. Der Legende nach, erzählt Geschäftsführer Klaus Walther, habe der Firmengründer Jürgen (später verhochdeutscht zu Georg), eigentlich Segelschiffkapitän, von seiner Frau den Auftrag erhalten, angesichts der Gefahren auf See künftig an Land zu arbeiten. Da habe es dann zwei Optionen gegeben – die des Gastwirts oder eben eine Seilfabrik aufzumachen. „Er hat für die Gastwirtschaft aber keine Genehmigung erhalten, sonst hätten wir heute wahrscheinlich eine Strandbude“, scherzt Walther. So wurden es die Seile. Im Gegensatz zu den meisten anderen Seilern entschied sich der Firmengründer, das Vorhaben gleich maschinell anzugehen. Sohn Johann wurde nach England geschickt, wo es die ersten Seilfabriken gab und er das Know-how erlernen konnte.
Das Geschäft lief gut, die großen Kunden der Tauwerkfabrik Geo. Gleistein & Sohn, so der damalige Name, kamen zunächst vor allem aus der Fischerei und Frachtschifffahrt. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Spektrum größer – und die Firma dabei immer offen für Neues. 1855 war Gleistein der erste Betrieb in Deutschland, der eine Spinnmaschine einführte, in den 1970er Jahren wurde mit dem Bau von Maschinen im eigenen Haus begonnen. 1980 folgte der Umzug von Vegesack nach Blumenthal, 1997 wurde eine zweite Produktionsstätte im slowakischen Trencin aufgebaut. „Gerade in den letzten 30 Jahren haben wir gewaltig investiert, auch weil sich der Markt permanent verändert“, sagt Thomas Schlätzer, der zweite Geschäftsführer. So habe man das Portfolio immer erweitert, sich auch von manchem getrennt.
Beide, Schlätzer und Walther, sind noch direkt mit dem Gründer verwandt, sie selbst sind es als Cousins 2. Grades auch miteinander. Klaus Walther stieg 1991 ins Unternehmen ein, rückte 1995 in die Geschäftsführung auf; Thomas Schlätzer folgte ihm im Jahre 2008, nachdem er 2001 angefangen hatte und zuletzt schon Prokurist war. Beide mussten das Geschäft aber erst einmal von der Pike auf lernen und haben dafür auch Praktika im Ausland gemacht, um nach einigen Jahren mehr und mehr Verantwortung zu übernehmen.
Was wünscht sich die Geschäftsführung noch – wofür soll Gleistein in der Zukunft stehen? „Für überlegene Seilprodukte, gutes Zuhören bei Kunden und das Erkennen von Kundenbedürfnissen – dieses Feld werden wir nicht verlassen“, sagt Walther. Und Schlätzer ergänzt: „Wir wollen unser Möglichstes tun, um in Zukunft die Chancen der Kreislaufwirtschaft verstärkt zu nutzen – das ist ein wichtiges Element unserer Zukunftsgestaltung.“