„Riesenpotenzial für die Wirtschaft“

Die UN-Menschenrechtskonvention und das Bundesteilhabegesetz setzen das Ziel der Inklusion, auch in der Arbeitswelt. Dass auch Menschen mit Behinderung wertvolle Fachkräfte sind, beweist die gemeinnützige Elbe-Weser Welten gGmbH Tag für Tag.

„Wir schrecken erstmal vor nichts zurück“, sagt Andreas Larmann, Fachbereichsleiter bei den Elbe-Weser Welten (EWW). Jedes Projekt und jede Anfrage von Unternehmensseite werde besprochen und nach Möglichkeit umgesetzt, verbreitet er stellvertretend für seine Beschäftigten Selbstbewusstsein.

Im Fachbereich Arbeit & Bildung, den Larmann leitet, dreht sich alles um Qualifizierung für und Teilhabe am Arbeitsleben. Herzstück ist die Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Aktuell zählt EWW rund 580 Beschäftigte im Arbeitsbereich und weitere 40 Teilnehmende im Berufsbildungsbereich. Sie arbeiten an rund 20 Standorten in Bremerhaven und dem Landkreis Cuxhaven. „Wir sind sehr breit aufgestellt, mit 24 unterschiedlichen Gewerken“, erläutert Larmann. Eine Notwendigkeit, um den diversen Neigungen und Wünschen der Menschen mit Behinderung gerecht zu werden.

In sieben „Welten“ zeigen die 1974 gegründeten EWW heute, was Menschen – auch mit einer Beeinträchtigung – leisten können. In den Produktionswelten produzieren sie Auftragsfertigungen in der Holz- und Metallwerkstatt, stellen Kerzen oder Lattenroste her, montieren Gasbrenner. In den Medienwelten produzieren sie Drucksachen und vertreiben rund 25.000 gebrauchte Bücher über Amazon. In den Genusswelten betreiben sie ein Bistro, Kantinen und die „Grüne Kiste“ oder produzieren Fruchtaufstriche. In den Grünwelten pflegen und gestalten sie Grünanlagen, in den Textilwelten waschen, glätten und legen sie gewerbliche und private Wäsche, in den Servicewelten verwalten und führen sie ganze Waren- oder Ausrüstungsbestände für Kunden, in den Kommunikationswelten übersetzen sie Texte in leichte Sprache.

Ziel: Der Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt

Im Mittelpunkt steht bei den EWW dabei stets der Mensch mit Behinderung, unterstreicht Larmann, sein Recht auf Selbstverwirklichung seiner Stärken und Talente, sein Wunsch auf Teilhabe am Arbeitsleben. Assistenz und Unterstützung bieten dabei aktuell 145 Beschäftigte im Fachbereich Arbeit & Bildung. Im Fachdienst Bildung & Qualifizierung erhalten die Menschen mit Behinderung Angebote von der Persönlichkeitsentwicklung bis zur Erlangung des Hauptschulabschlusses. Die EWW-Fachkräfte vermitteln ihren Beschäftigten auch eine berufliche Bildung für derzeit 22 Ausbildungsberufe innerhalb der Werkstatt oder auf ausgelagerten Berufsbildungsplätzen. „Diese Verantwortung nehmen wir sehr ernst“, sagt Larmann. „Wir stehen damit ja auch im Wort gegenüber Auftraggebern und potenziellen Arbeitgebern.“

Das ultimative Ziel sei der Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt, unterstreicht er. Ein weiterer Fachdienst der EWW, der Qualifizierungs- und Vermittlungsdienst, begleitet bei der behutsamen Annäherung von Unternehmen und Menschen mit Behinderung. „Dabei stehen verschiedene Modelle zur Wahl, vom Schnupper-Praktikum bis zum ausgelagerten Arbeitsplatz, bei dem der oder die Beschäftigte vertraglich mit den EWW verbunden bleibt“, erläutert Larmann.

Insbesondere mit dem Bundesteilhabegesetz wurden einige Instrumente geschaffen, die auf dem Weg unterstützen. Beim Budget für Arbeit wird bei der Anstellung eines Menschen mit Behinderung ein Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 Prozent an den Arbeitgeber gezahlt. Noch vergleichsweise jung ist das Budget für Ausbildung, das Menschen mit Behinderung eine ähnliche Förderung für eine vollwertige Berufsausbildung gewährt.

Bedenken und Vorurteile müssen abgebaut werden

Die Elbe-Weser Welten gehen dabei in der Regel von der Arbeitnehmer-Perspektive aus. Anfragen von Unternehmensseite seien eher noch die löbliche Ausnahme, sagt Larmann. „Wenn wir für einen interessierten Beschäftigten bei potenziellen Unternehmen anfragen, erfahren wir selten Ablehnung. Die Bereitschaft ist da, mindestens erstmal zuzuhören.“

Aber es gibt bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern trotzdem noch einige Bedenken und Vorurteile – von der vermeintlichen Unkündbarkeit bis zu aufwändigen Umbauten für Rollstühle. Bedenken, die Larmann in der Regel schnell zerstreuen kann. Er versichert: „Für alle Modelle bis hin zum voll sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis gewährleisten unsere Experten eine kontinuierliche Begleitung und Assistenz.“ Von Unternehmensseite sei nur Offenheit und etwas Flexibilität erforderlich. „Es gibt bundesweit etwa 300.000 Menschen mit Behinderung, die in Werkstätten für Menschen mit Behinderung arbeiten“, sagt Larmann. „Das ist ein Riesenpotenzial für die Wirtschaft, auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel.“

Weitere Informationen: eww.de