Prof. Karin Luckey verabschiedet sich Ende August nach 15 Jahren als Rektorin der Hochschule Bremen (HSB) in den Ruhestand. Im Handelskammer-Magazin spricht sie über die Weiterentwicklung der HSB-Kooperationen mit der Wirtschaft.
Offiziell ist die Hochschule Bremen erst 41 Jahre alt, allerdings reichen ihre Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurück. Die Bremische Navigationsschule, Vorläufer-Institution der heutigen Fachrichtung Nautik und Seeverkehr, wurde 1799 gegründet. Die enge Beziehung zur regionalen Wirtschaft zieht sich seither durch die Jahrhunderte – in den vergangenen 15 Jahren maßgeblich weiter vorangetrieben von Rektorin Karin Luckey, die sich Ende August in den Ruhestand verabschieden und das Amt an Prof. Konrad Wolf weitergeben wird. Sie sieht die HSB nicht nur als wichtige Ausbildungsstätte für dringend benötigte Fachkräfte, sondern auch als „Partner und Impulsgeber“ für Unternehmen und Institutionen.
Die Hochschule sei aufgrund ihres Profils der angewandten Wissenschaft, der Praxisorientierung und der Internationalität ganz besonders prädestiniert, auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen des Landes Bremen zu reagieren, so Luckey. „Insofern sind wir ein wichtiges Transformationslabor und auch eine Institution, die mit ihrer Praxisorientierung einen wichtigen Beitrag leisten kann: zur Fachkräftesicherung, zur Unterstützung von kleinen und mittelständischen Unternehmen, aber auch von großen Playern wie Airbus.“
In den letzten Jahren habe sich die HSB schon sehr bewusst der Frage gestellt, welchen Mehrwert sie für Bremen leisten kann. „Wir haben zudem unsere Forschungsschwerpunkte genau auf die Clusterthemen gelegt, die für das Land Bremen wichtig sind, wie die digitale Transformation, Energie, Klimawandel, Mobilität, Logistik, den Gesundheits- und Pflegesektor oder den Bereich der sozialen Innovationen. Auch unsere Studiengänge haben wir bedarfs- und nachfrageorientiert weiterentwickelt.“
Duale Studiengänge in Kooperation mit 200 Unternehmen
Von den rund 1.500 Absolventinnen und Absolventen pro Jahr entwickeln viele schon während des Studiums eine enge Bindung zu Unternehmen. Jeder zehnte Bachelor-Studierende ist zurzeit ein dual Studierender. Und jeder Studiengang der Hochschule beinhaltet mindestens ein Praxissemester. „Insofern haben wir derzeit mindestens 10.000 Unternehmenskontakte in Bremen und weltweit“, berichtet Luckey. Rund 90 Prozent der Abschlussarbeiten würden in enger Kooperation mit Unternehmen geschrieben – zu unternehmensrelevanten Themen. „Viele Unternehmen gehen aktiv auf die Studierenden zu“, hebt sie hervor. Der Career Service der HSB schaffe Kooperationsmöglichkeiten für Firmen, damit sie ihre Arbeitsplätze vorstellen können.
Bei den dualen Studiengängen kooperiert die Hochschule aktuell mit rund 200 Unternehmen aus Bremen und Umgebung. Angebote gibt es zum Beispiel in den Bereichen Betriebswirtschaft, Informatik, Management im Handel, Automatisierung/Mechatronik, Maschinenbau, Schiffbau und Soziale Arbeit. Bereits in diesem Jahr soll die Zahl der Studiengänge erhöht werden – vor allem im MINT-Bereich.
„Über neue Formen der Personalentwicklung nachdenken“
Bei der Verknüpfung von Studium und Praxis sind die Möglichkeiten jedoch noch lange nicht ausgeschöpft. „Wir sehen Potenzial, mit den Unternehmen gemeinsam über neue Formen der Personalentwicklung nachzudenken – nicht immer nur in Form von großen Studiengängen“, sagt Luckey. „Modulare Konzepte bieten die Möglichkeit zur Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung. So kann unter anderem durch Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen das Studium verkürzt werden. Zum Beispiel, wenn in einer Unternehmensweiterbildung oder beruflichen Fachausbildung bereits Kompetenzen erworben worden sind.“
Die Hochschule habe nicht nur diejenigen im Blick, die gerade Abitur gemacht haben, sondern auch andere Zielgruppen. „Wir versuchen, mit den Unternehmen passgenaue Lösungen zu finden, damit sie ihren Fachkräftebedarf decken können.“ Das werde sich mit Sicherheit zu einem wichtigen Faktor für die Hochschule Bremen weiterentwickeln.
Rund 20 Prozent der Studierenden kommen aus dem Ausland
Eine andere große Stärke der Hochschule ist die Internationalität, die im Bundesland mit dem höchsten Exportanteil in der Wirtschaft besonders stark nachgefragt ist. Gerade die englischsprachigen Studiengänge helfen auch dabei, internationalen Nachwuchs nach Bremen zu holen. „Der Fachkräftebedarf kann in den nächsten Jahren nicht gedeckt werden, wenn wir nur lokal akquirieren“, betont Luckey. Die internationalen Studierenden seien auf dem bremischen Arbeitsmarkt oft sehr gefragt bei Unternehmen aus Handel, Logistik, Luft- und Raumfahrtbranche oder maritimer Wirtschaft.
Am Interesse im Ausland mangelt es nicht. „Wir sind so etwas wie ein Hidden Champion im Bereich der Internationalität“, sagt die Rektorin. „Rund 20 Prozent aller unserer Studierenden kommen aus dem Ausland zur HSB. Wir haben nach unseren internen Schätzungen etwa 40 Prozent Studierende, die in irgendeiner Weise einen Migrationshintergrund haben.“ Deswegen habe die HSB sich darauf eingestellt, dass Interkulturalität und Studienbegleitung für diese vielfältige Studierendenschaft wichtige Faktoren seien.
Ein besonderes Highlight sei auch das International Graduate Center mit der akademischen Weiterbildung und den MBA-Programmen – überwiegend in Englisch. „Diese sind weltweit gefragt“, so Luckey. „Da ist Bremen auch in einer Spitzenposition: So viele englischsprachige Masterprogramme gibt es kaum in Deutschland an einem Ort.“ Insgesamt werde Deutschland zunehmend populärer als Studienort und stehe weltweit inzwischen auf der dritten oder vierten Position. „Somit hat die HSB eine hohe Attraktivität, weil wir englischsprachige Programme anbieten und weil der Standort über Arbeitsplätze in weltoffenen internationalen Konzernen verfügt.“
Rahmenbedingungen zu wenig beachtet
Damit das Potenzial der HSB voll ausgeschöpft werden kann, sieht Luckey noch Handlungsbedarf in der Politik, aber auch in der Wirtschaft: „Das Land Bremen muss sich fragen: Werden wir als attraktiver Lebensort wahrgenommen? Junge Leute entscheiden sich ja nicht nur für eine Hochschule oder für einen Studiengang, sondern sie schauen auch genau hin – ist das ein toller Ort, an dem ich leben will, in dem ich meine Zukunft sehe?“
Dafür müsse man auf allen Politikfeldern etwas tun – angefangen bei bezahlbaren Wohnräumen für Studierende bis hin zu attraktiven Freizeitmöglichkeiten. „Das können wir als Hochschule Bremen nicht leisten, das muss eine konzertierte Aktion aller relevanten Akteurinnen und Akteure sein.“ Davon würden auch die Unternehmen profitieren, wenn sie Fachkräfte anwerben möchten.
Zugesagte Professuren in Zukunftsthemen müssen kommen
Ein zweiter wichtiger Punkt ist für die Rektorin die Zuverlässigkeit bei der Besetzung der verabredeten Professuren in wichtigen Zukunftsthemen wie Wasserstoff, digitale Fabrik oder Data Science. Diese Vereinbarungen müssten ernsthaft weiterverfolgt werden, damit die Ausstattung der HSB mindestens den Bundesdurchschnitt erreicht – davon sei sie noch weit entfernt. „Wir haben derzeit eine sehr hohe Anzahl von Lehrbeauftragten, die für uns alle sehr wichtig und wertvoll sind. Aber damit kann man keine Forschungsprojekte beantragen. Man kann keine großen strategischen Schritte in der Hochschulentwicklung und der Transferstrategie machen.“
Die HSB benötige dringend die Verlässlichkeit der Haushaltsplanung für die kommenden Jahre. „Denn mit diesen Investitionen wird man mit Sicherheit eine große Rendite für das Land Bremen erzielen und nicht zuletzt auch für die Unternehmen. Von jedem Euro an Drittmitteln, den wir beispielsweise mit unseren Professuren einwerben, profitieren unmittelbar auch die Unternehmen, denn das sind in der Regel gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte.“
Luckey: „Es sollte generell eine stärkere Wahrnehmung geben, dass Investitionen in die Wissenschaft gleichzeitig Investitionen in alle Politikfelder des Landes Bremen sind. Das gilt insbesondere für die Hochschule Bremen.“