Bremer Unternehmen können von internationalen Handelsabkommen profitieren.
Experten sind sich einig, dass der Handel mit Asien in den kommenden Jahren weiter ansteigen wird. Auch Afrika wird seit langem als Kontinent der Chancen gehandelt. Das 2020 in Kraft getretene RCEP-Abkommen (Regional Comprehensive Economic Partnership) von 15 Asien-Pazifik-Staaten und das seit Anfang 2021 geltende panafrikanische Freihandelsabkommen, kurz AfCFTA, schaffen neue Möglichkeiten und eröffnen auch der bremischen Wirtschaft neue Perspektiven für den Handel mit beiden Partnerregionen.
Die EU treibt den Freihandelsgedanken seit Jahren aktiv voran. Seit 2007 werden nicht mehr nur multilaterale Handelsbeziehungen geknüpft, sondern vermehrt auch bilaterale Freihandelsabkommen mit strategischen Partnern angestrebt – nicht zuletzt als Folge weltweit zunehmender protektionistischer Tendenzen. Wichtige Beispiele dafür sind die Freihandelsabkommen mit Südkorea (2011), Japan (2019), Singapur (2019) oder Vietnam (2020). Zwei weitere Abkommen mit Indonesien und Australien werden aktuell verhandelt, zudem sind die 2013 unterbrochenen Verhandlungen für ein Abkommen mit Indien wieder aufgenommen worden.
Der Handelsaustausch mit Asien und China
Neben diesen „Freihandelsabkommen der neuen Generation“ profitiert die EU auch von regionalen Bündnissen. Von großer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das 2020 beschlossene RCEP-Abkommen: „Die Vereinbarung regelt den wirtschaftlichen Austausch von 15 Asien-Pazifik-Staaten und schafft mit rund 30 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts die größte Freihandelszone der Welt“, erklärt Torsten Grünewald vom Geschäftsbereich International bei der Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven. „Trotz der pandemiebedingten Herausforderungen eröffnen sich damit auch neue Perspektiven für die bremische Wirtschaft. Voraussetzung dafür ist aber, dass die hiesigen Unternehmen mit Niederlassungen oder Produktionsstätten vor Ort vertreten sind und damit in den Genuss der jeweiligen Regelungen kommen.“
Das RCEP-Abkommen zeigt deutlich, dass die Zukunft der internationalen Ordnung nicht ohne Asien zu entscheiden sein wird. Maßgebend dabei ist die Volksrepublik China, die 2020 erstmals die Vereinigten Staaten als wichtigsten Handelspartner der Europäischen Union abgelöst hat. In Bremen rangiert China nach der EU und den USA immerhin auf Rang drei der wichtigsten Handelspartner: „Der Schwerpunkt im China-Geschäft liegt in den Bereichen Handel und Logistik“, bilanziert Torsten Grünewald. „Aber auch Dienstleistungsfirmen und Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt, der Automobilindustrie, der Informations- und Kommunikationstechnologie und dem Umwelt- und Energiesektor weiten ihren Aktionsradius zunehmend auf den chinesischen Markt aus.“
Um die bestehenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und der Volksrepublik trotz aller Herausforderungen weiter auszubauen und auf eine sichere Basis zu stellen, sind beide Partner aktuell dabei, ein neues Investitionsabkommen auszuhandeln. Die Vereinbarung soll mehr Transparenz für europäische Unternehmen schaffen und umfasst außerdem die Zusage Chinas zur Erleichterung von Genehmigungen sowie zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens.
Das afrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA
Einen hohen entwicklungspolitischen Stellenwert für die EU, für Deutschland und für die bremische Wirtschaft hat perspektivisch gesehen auch der Handel mit den 55 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union. Zusätzliche Impulse verspricht hier das Anfang 2021 in Kraft getretene African Continental Free Trade Agreement (AfCFTA). Das Freihandelsabkommen soll die Grundlage für einen umfassenden afrikanischen Markt schaffen, die Industrialisierung vieler afrikanischer Länder steigern und außerdem die Abhängigkeit des Kontinents von Primärgüter-Exporten reduzieren. „Das AfCFTA ist zwar in erster Linie ein innerafrikanisches Handelsabkommen, aber von einer verbesserten Infrastruktur und von niedrigeren Zöllen für den regionalen Handel in Afrika profitieren natürlich auch europäische und bremische Unternehmen, die vor Ort aktiv sind“, so Torsten Grünewald.
Seit Jahren bestehen bereits enge wirtschaftliche Beziehungen zwischen der Hansestadt Bremen und einzelnen Staaten der Afrikanischen Union. Aufgrund der großen Heterogenität spezialisieren sich die meisten Unternehmen aber auf ausgesuchte Regionen. Der mit Abstand wichtigste Handelspartner ist dabei Südafrika, gefolgt von Marokko, Tunesien, Ägypten, Äthiopien, Kenia, Uganda, Liberia und Namibia. Einen Einbruch dieser Handelsbeziehungen hat zwischenzeitlich die Corona-Pandemie bewirkt: „Die afrikanischen Staaten haben stark unter der Pandemie gelitten“, berichtet Torsten Grünewald. „Entsprechend waren auch die Transport- und Lieferketten zeitweise gestört. Überhaupt muss man wohl sagen, dass einige Länder durch die Krise in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung vermutlich um Jahre zurückgeworfen werden.“
Umso größer ist in dieser Situation die Bedeutung des AfCFTA. Bislang sind rund zwei Dutzend afrikanische Staaten dem neuen Freihandelsabkommen beigetreten. Auf lange Sicht soll darauf aufbauend ein gemeinsamer Markt nach dem Vorbild der EU entstehen: „Wenn das gelingen würde, dann wäre das ein beachtlicher Erfolg, von dem auch die bremische Wirtschaft langfristig profitieren würde“, ist sich Torsten Grünewald sicher. „Importseitig sehen wir dabei gute Chancen – vor allem in den Bereichen Agrarwirtschaft und Textilien sowie im Ausbau von Wertschöpfungsketten vor Ort. Exportseitig bieten sich andererseits gute Chancen für die Bereiche Maschinen- und Anlagenbau, Nahrungsmittel, Logistik, Medizintechnik, Umwelttechnologie, Erneuerbare Energien, Digitalisierung sowie Konsumgüter.“ Das Potenzial für die bremische Wirtschaft ist also da und will genutzt werden.