Der Bremer RathsChor steht für neue Begegnungen mit alten Werken. Enge Beziehungen unterhält er auch zu Musikerinnen und Musikern in der Ukraine.
„Bremer RathsChor“ – das klingt groß, majestätisch fast, dennoch kennt diesen Klangkörper in Bremen keineswegs jeder, was schade ist. Der Chor, der aktuell 80 Mitglieder hat, richtet sich aber auch an Liebhaberinnen und Liebhaber besonderer Musik: Seit seiner Gründung im Jahr 2008 ist es das Ziel der Chor-Verantwortlichen, den Menschen die klassische Orchester- und Chormusik nahezubringen, nach dem Motto: Neue Begegnungen mit alten Werken.
Der künstlerische Leiter des Bremer RathsChors, Antonius Adamske, ist ein Profi, die Sängerinnen und Sänger sind Amateure. „Ziel unseres Chores ist es, anspruchsvolle Chormusik auf einem für Laiensänger möglichst hohen Niveau zu erarbeiten und zu präsentieren“, sagt die 1. Vorsitzende des Chorvorstands, Juliane Jansen: „Dafür sind intensive Probenarbeit, inhaltliche Auseinandersetzung mit den Werken und stimmliche Weiterbildung unverzichtbar.“
Der Chor hat in den bislang vierzehn Jahren seines Bestehens vieles auf die Beine gestellt – vor Adamske wurde er von Wolfgang Helbich, später von Jan Hübner geleitet. Zudem ist er mit seinen Reisen in osteuropäische und andere Länder auch ein musikalischer Botschafter der Stadt Bremen. Entstanden aus Teilen des Bremer Domchors, entwickelte er schnell eine eigene Ausrichtung.
Der Bremer RathsChor tritt pro Jahr ungefähr vier Mal in Bremen und „umzu“, aber auch international auf. Als Partner dienen in der Regel regionale Orchester wie die Neue Raths-Philharmonie Bremen, die von Musikern der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen geleitet wird. Das Repertoire des Chors umfasst dabei sowohl weltliche als auch geistliche Musik – anspruchsvolle Werke, wie Antonius Adamske betont, der dem Chor seit gut zwei Jahren künstlerisch vorsteht. So wurden unter anderem die großen Bach-Passionen, Oratorien von Händel und Mendelssohn Bartholdy, die Requien von Verdi, Mozart und Brahms sowie zeitgenössische Chorwerke von Rutter, Lauridson und Gjeilo aufgeführt.
Darüber hinaus hat sich der Bremer RathsChor in den letzten Jahren in Form von Konzertreisen immer wieder in den Dienst von Versöhnung, Völkerverständigung und Frieden gestellt. Auch in die Ukraine bestehen besondere Kontakte, die auf den Einsatz der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck und des ukrainischen Pianisten Alexey Botvinov zurückgehen.
Unter dem Titel „Musikalische Partnerschaft Bremen – Odessa“ ist der RathsChor mehrfach zusammen mit dem philharmonischen Orchester aus Odessa und Sängerinnen aus der Musikhochschule „Akademia“ sowohl in der Ukraine als auch in Bremen aufgetreten. Im Jahr 2018 führte der RathsChor in der Philharmonie von Odessa das Oratorium „Elias“ von Mendelssohn-Bartholdy auf und gestaltete daran anschließend das musikalische Rahmenprogramm der Gedenkfeier zu Ehren der Opfer des Massakers an den odessitischen Juden, das im Oktober 1941 verübt worden war. Im Jahr 2019 führte eine Konzertreise nach Czernowitz im Westen des Landes.
„Es gab viele menschliche und künstlerische Begegnungen, von daher gibt es entsprechend viele persönliche Kontakte“, sagt Juliane Jansen: „Wir sind natürlich erschüttert von dem, was in der Ukraine passiert.“ An die Sängerinnen und Sänger aus der Ukraine sendeten die Chormitglieder viele Hilfsangebote – beispielsweise boten sie Unterbringungsmöglichkeiten in Bremen an.
Mit dem ukrainischen Pianisten Alexey Botvinov steht der Chor auch weiterhin in engem künstlerischem Austausch. Im Juni 2022 fand in der Glocke ein der Ukraine gewidmetes Chorkonzert mit Botvinov statt, bei dem auch ukrainische Komponisten auf dem Programm standen. Anlässlich des Konzerts rief der Chor zu Spenden für die in der Ukraine aktive „Brücke der Hoffnung“ auf. Auch in diesem Jahr wird es im März wieder ein der Ukraine gewidmetes Passionskonzert geben. Ukrainische Geflüchtete erhalten in allen Konzerten freien Eintritt. Ukrainische Sängerinnen und Sänger sind im Chor jederzeit willkommen.
Finanzierung der Orchestermusiker und Solisten wird schwierig
Sehr angetan von diesem gesellschaftlichen Wirken ist auch Antonius Adamske, der auf der Suche nach einem Ensemble für große Aufführungen mit dem Bremer RathsChor zusammenfand, was deren Verantwortliche als einen Glücksfall bezeichnen. Adamske ist nach Studien in Basel und künstlerischen Stationen in Göttingen und Berlin derzeit außerdem als Dirigent des Monteverdi-Chors in Hamburg tätig, sein Fachgebiet ist der französische Barock – seine Leidenschaft gilt ganz der „oratorischen, chorsinfonischen Literatur“ und deren Umsetzung.
Leider sei diese Kunstform, die in früheren Jahrhunderten entstanden ist, sehr teuer, sagt Adamske, „weil sie nur in bestimmten Konstellationen spielbar ist“. Da die Ideallösung – was die musikalische Besetzung betrifft – nicht immer finanzierbar sei, hätten sich viele Chöre und auch der Bremer RathsChor auch schon auf reduktionistischere Formen eingelassen, so der Chorleiter. Der größte Kostenfaktor sei die Finanzierung der Orchestermusiker und Solisten – ein Auftritt koste den Chor meist mehr als 30.000 Euro.
„Wir würden uns natürlich wünschen, dass unsere Kunst mehr gesehen und auch gefördert wird“, sagt Juliane Jansen. „Letzteres ist in Bremen leider nicht der Fall, zumindest, was öffentliche Subventionen betrifft – Laienchöre werden hier nicht gefördert.“ In anderen Städten sei das anders. So waren es bislang vor allem Stiftungen, Förderer und das Auswärtige Amt, die den RathsChor am Laufen hielten, indem sie die Konzerte und Reisen finanzierten. Ein Loch bleibe allerdings trotzdem. „Im vergangenen Jahr haben wir sehr von pandemiebedingten Hilfsprogrammen des Bundes profitiert“, so Jansen. „Für die Zukunft sind wir auf die Unterstützung von Sponsoren angewiesen und hoffen auf Hilfe aus der Wirtschaft.“ Michael Werbeck, der 2. Vorsitzende, macht deutlich: „Wir stehen am Scheideweg, die Endlichkeit unseres Seins ist spürbar.“
Auch für den Chorleiter ist die Situation nicht einfach. „Es ist immer eine Abwägung zwischen der künstlerischen Exzellenz und den Finanzen“, sagt Adamske. Es sei in gewisser Hinsicht ein Dilemma: „Wir haben eine tolle Chance mit der Musik, aber eben nur wenig Probenzeiten, da müssen wir sehr effektiv sein.“ Entsprechend ist er voll des Lobes über seine Chormitglieder: „Es ist eine reife Leistung, auch unbekannte Werke wie das an Silvester gespielte Haydn-Oratorium ‚Il ritorno di Tobia‘ innerhalb weniger Wochen einzustudieren. Gleiches gilt für die freien Orchester, die oft erstmals am Tag vor dem Konzert zusammenkommen. Es gibt nicht viele freie Orchester, die das können, die dafür auch empfangsbereit sind.“ Der Lohn für diese Einsatzbereitschaft seien die „magischen Momente – die erleben wir immer wieder“.
Kontakt:
Juliane Jansen
Tel. 0173-2028734
julianejansen6@gmail.com
www.raths-chor.de
Bild oben:
Bremer RathsChor in der Kirche Unser lieben Frauen.
Foto: Wolfgang Everding