Sie ist eine Option, Talente zu entdecken – und doch wissen viele Betriebe gar nicht, dass es sie überhaupt gibt: die Einstiegsqualifizierung. Jugendlichen, die noch nicht komplett für eine klassische Ausbildung geeignet sind oder die sich noch nicht endgültig für einen Beruf entschieden haben, kann sie den Zugang zu einer Berufsausbildung öffnen.
Formal ist eine Einstiegsqualifizierung (EQ) ein sozialversicherungspflichtiges Praktikum, das mindestens sechs und höchstens zwölf Monate dauert. Faktisch ist sie für viele junge Menschen der Türöffner für einen Ausbildungsplatz. Wie bei Jannik Scheewe. Der 19-Jährige hat vor drei Jahren seinen mittleren Schulabschluss gemacht und begann im Anschluss zunächst eine schulische Ausbildung zum Informationstechnischen Assistenten. Als er merkte, dass er in der Berufsschule bei den Mathe-Themen nicht mehr mitkam, brach er ab und suchte sich eine Ausbildung zum Zweiradmechatroniker. Doch auch dort wurde er nicht glücklich – und brach erneut ab. Durch Zufall lernte er kurz darauf einen Mitarbeiter des Bremer IT-Dienstleisters Plutex kennen. „Ich hatte schon mit acht Jahren meinen ersten PC und habe mit neun Programmieren gelernt“, erzählt Scheewe. „Eigentlich wollte ich beruflich schon immer in die IT, aber mit meinem Schulabschluss war das schwierig.“
Plutex lud ihn zum Vorstellungsgespräch und danach für einen Tag zum Probearbeiten ein. Beides lief gut. Aber was macht ein Betrieb mit einem jungen Mann, der schon zwei Ausbildungen abgebrochen hat und bei dem nicht klar ist, ob seine schulischen Leistungen ausreichen? „Wir hätten Jannik gerne direkt einen Ausbildungsplatz angeboten, aber die Umstände haben uns etwas unsicher gemacht“, berichtet Ausbilder Carsten Depping. So erkundigte sich das Unternehmen, ob es in solchen Fällen irgendwelche Unterstützungsmöglichkeiten gibt – und erfuhr von der EQ. „Für uns die optimale Lösung“, sagt Depping. „Sowohl Jannik als auch wir hatten ein Interesse daran, dass wir uns erst einmal kennenlernen. Abgesehen davon ist die EQ auch eine gute Sache, weil die jungen Leute in der Zeit schon zur Berufsschule gehen und dort ein Gefühl für die theoretischen Inhalte bekommen.“
Beitrag zur Fachkräftesicherung
Ziel einer jeden Einstiegsqualifizierung ist es, den Praktikanten beziehungsweise die Praktikantin auf eine Ausbildung in einem konkreten Beruf vorzubereiten. Mündet eine EQ in eine Ausbildung, kann diese um bis zu sechs Monate verkürzt werden. „Das ist inhaltlich ein tolles Instrument“, betont Carola Brunotte, Repräsentantin der Jugendberufsagentur (JBA). „Weil Jugendliche und Betriebe, die sonst vielleicht nie zusammengefunden hätten, so über längere Zeit die Möglichkeit bekommen, sich kennenzulernen. Das eröffnet einfach Chancen – und den Blick auf Potenziale, die sonst womöglich unerkannt geblieben wären.“ Wenn eine Zusammenarbeit auf dieser Basis gut laufe, gebe es für den Betrieb keinen Grund, das Langzeitpraktikum nicht in eine Ausbildung zu überführen. So leiste die EQ letztlich auch einen Beitrag zur Sicherung zukünftiger Fachkräfte.
Die Agentur für Arbeit erstattet die Vergütung der EQ bis zu einer Höhe von 262 Euro pro Monat und zahlt zusätzlich einen Teil des Gesamtsozialversicherungsbetrags. „Für die Jugendlichen ist das finanziell nicht sehr attraktiv“, räumt Brunotte ein. „Es ist darum wünschenswert, dass die Betriebe diesen Betrag aufstocken, zum Beispiel bis zur Höhe des Ausbildungsgehalts im ersten Lehrjahr.“
Anträge können jederzeit gestellt werden
Anträge nimmt die Agentur jederzeit entgegen. Da die EQ mindestens sechs Monate dauert, sollte sie allerdings spätestens ein halbes Jahr vor Ausbildungsbeginn starten. „Bei Jugendlichen, die wir schon kennen und bei denen alle Voraussetzungen erfüllt sind, geht es sehr schnell mit der Bewilligung“, sagt die JBA-Repräsentantin. Vor Beginn der Corona-Pandemie habe die Agentur für Arbeit in Bremen jedes Jahr 300 bis 350 Einstiegsqualifizierungen bewilligt. Aktuell liege die Zahl bei rund 150. „Die Betriebe wollten sich in der Pandemie keine Langzeitpraktikanten ins Haus holen, das ist zeitweise komplett eingebrochen. Jetzt wird es langsam wieder mehr.“
Jannik Scheewe ist jedenfalls froh, dass er von diesem Instrument profitieren kann. „Ich finde es toll, dass ich hier in Ruhe überprüfen kann, ob der Beruf das Richtige für mich ist und ob das Umfeld passt“, sagt er. Die Zeit hat er genutzt, um seinen Arbeitgeber von sich und seinen Fähigkeiten zu überzeugen: Der Ausbildungsvertrag ist inzwischen ausgemachte Sache. Auf beiderseitigen Wunsch zwar noch nicht in diesem, sondern erst im kommenden Jahr, aber immerhin – eine weitere Fachkraft der Zukunft steht damit schon in den Startlöchern.
Kontakt:
Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit
Dagmar Wäsche
Tel.: 0421/178-2356
Mail: Bremen-Bremerhaven.141-AusbildungPlus@arbeitsagentur.de
Ausbildungsberatung der Handelskammer Bremen
Die Ausbildungsberaterinnen und -berater der Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven stehen Jugendlichen und Unternehmen gerne für die Beantwortung ihrer Fragen und für die Vermittlung der passenden Kontakte zur Verfügung:
Tel.: 0421 3637-320
Mail: ausbildung@handelskammer-bremen.de