Bei der Vorstellung des Jahresberichts 2024 zeigte die Handelskammer Bremen wichtige Handlungsfelder zur Entlastung der Unternehmen auf. Die neue Bundesregierung dürfe sich nicht allein auf die gelockerte Schuldenbremse verlassen, sondern müsse das Geld auch mit Reformen flankieren, forderte Präses André Grobien.
Deutschland wird in diesem Jahr nach Einschätzung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zum dritten Mal in Folge eine rückläufige Wirtschaftsleistung verzeichnen. Als exportstarker Standort ist das Land Bremen auch besonders direkt von den Turbulenzen betroffen, die durch neue US-Zölle und die insgesamt angespannte geopolitische Lage im internationalen Handel ausgelöst werden. Bei der Vorstellung des Jahresberichts 2024 der Handelskammer Bremen warfen Präses André Grobien und Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger daher einen Blick auf die notwendigen Veränderungen auf Bundes- und Landesebene, die den Wirtschafts- und Arbeitsmarkt wieder zu einem gesunden Wachstum zurückführen können.
„Die deutsche Wirtschaft – und damit auch die Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven – ist an einem Wendepunkt angelangt“, warnte Präses Grobien. „Das politische Handeln der kommenden Monate ist entscheidend für die Unternehmen.“ Die künftige Bundesregierung müsse jetzt die Chance nutzen, das Vertrauen der Wirtschaft zurückzugewinnen – durch Planungssicherheit, Investitionsanreize und attraktive Standortbedingungen, sagte er. Das beschlossene Milliardenpaket könne ein wichtiger Impuls sein, sofern die bereitgestellten Mittel investiv genutzt werden. „Wenn man das tut, ist das eine einmalige Chance“, so Präses Grobien. Geld allein mache aber keine gute Politik: „Es braucht zügige Reformen, die Wachstum und Innovation ermöglichen.“
Dabei gehe es nicht nur um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland, sondern auch um den sozialen Frieden, sagte der Präses. „Ohne eine positive wirtschaftliche Entwicklung wird Deutschland nicht aus der Rezession kommen. Und kaum etwas gefährdet den sozialen Frieden mehr als steigende Preise.“
Die Handelskammer erhofft sich von der Bundesregierung auch eine stärkere Unterstützung der norddeutschen Häfen. „Die Häfen sind für die Ansiedlung von Unternehmen, die internationale Anbindung Deutschlands und die Bewältigung geopolitischer Herausforderungen strategisch besonders relevant“, so Präses Grobien. „Von der neuen Bundesregierung erwarten wir ein verlässliches Finanzierungskonzept, um die notwendigen Infrastrukturvorhaben wie beispielsweise die Sanierung der Stromkaje oder den Bau des Energy-Ports zu ermöglichen.“
Vielzahl der Herausforderungen lässt kaum noch Spielraum für Unternehmen
Investitionen in die Häfen würden auch der Wirtschaft im Land Bremen einen wichtigen Impuls geben, die zurzeit in nahezu allen Branchen mit schwierigen Rahmenbedingungen konfrontiert wird. Neben den geopolitischen Gefahren für Lieferketten und dem drohenden Handelskrieg mit den USA lasten auch die weiter zunehmende Bürokratie, der Fachkräftemangel, die Energie- und Rohstoffpreise, die schwächelnde Inlandsnachfrage und die steigenden Arbeitskosten auf den Unternehmen.
Angesichts der Vielzahl gleichzeitiger Herausforderungen und Unsicherheitsfaktoren fehlt es großen Teilen der Wirtschaft an Ressourcen, um neben der Bewältigung des Tagesgeschäfts auch noch in Innovation und Expansion zu investieren. Das Resultat ist ein kontinuierlicher Rückgang der Wirtschaftsleistung – im Jahr 2024 sank der Industrieumsatz im Land Bremen um 5,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit lag er insgesamt nur noch 2 Prozent über dem Niveau aus der Vor-Corona-Zeit – unter Einbeziehung der Inflation sogar darunter. Unzufrieden mit der Geschäftslage waren auch die Gastronomie und der Handel, während das Baugewerbe sich laut Handelskammer „neutral bis leicht positiv“ äußerte.
Um die Lage nicht noch weiter zu erschweren, ist es nach Angaben von Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger jetzt besonders wichtig, eine Eskalation drohender Handelskonflikte abzuwenden. Mit Blick auf die USA, die zum Zeitpunkt der Veranstaltung bereits massive Zollerhöhungen angekündigt hatten, sagte er: „Kein Land kann weiteren Wohlstand erreichen, wenn es zusätzliche Zölle erhebt.“ Daher hoffe er, dass die amerikanische Wirtschaft und die Verbraucher genug Druck auf ihre Regierung ausüben werden, um einen dauerhaften Handelsstreit zu verhindern.
„Wir dürfen aber auch nicht nur ängstlich auf die USA schauen“, so Dr. Fonger. Vielmehr gehe es jetzt darum, die Handelsbeziehungen mit anderen Weltregionen auszubauen, beispielsweise durch ein Freihandelsabkommen mit Indien oder das bereits abgeschlossene Abkommen mit den Mercosur-Staaten in Südamerika. Interessant sei auch die Region Indonesien/Singapur mit rund 300 Millionen Einwohnern. Die Handelskammer plant im Herbst 2025 eine Delegationsreise in diese beiden Staaten. „Wir müssen außerhalb der USA neue Märkte finden“, betonte der Hauptgeschäftsführer. „Das ist die aktive Antwort, die wir geben müssen.“
Offene Stellen können trotz hoher Arbeitslosigkeit oft nicht besetzt werden
Die anhaltenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten wirken sich bereits auf den Arbeitsmarkt aus. Die Zahl der Arbeitslosen ist 2024 erneut gestiegen und das langanhaltende Beschäftigungswachstum vorerst gestoppt. Dennoch bleibt der Fach- und Arbeitskräftemangel laut Handelskammer ein relevantes Problem. „Unsere jüngste Unternehmensbefragung zum Fach- und Arbeitskräftemangel zeigt, dass es für viele Unternehmen in Bremen und Bremerhaven weiterhin schwierig ist, offene Stellen mit geeignetem Personal zu besetzen“, berichtete Dr. Fonger.
Knapp 60 Prozent der Unternehmen gaben gegenüber der Handelskammer an, offene Stellen längerfristig nicht füllen zu können. Der Hauptgeschäftsführer forderte daher auch Erleichterungen bei der Fachkräfteeinwanderung und der Anwerbung ausländischer Auszubildender: „Die derzeitigen Regelungen sind zu komplex und überfordern sowohl die Unternehmen als auch die Umsetzungsbehörden. Unternehmen sollten vor allem selbst entscheiden können, wer als Fachkraft oder Auszubildender in Frage kommt.“
Auch in anderen Bereichen wie den Sozialversicherungen brauche es strukturelle Reformen. Ein massiver Bürokratieabbau werde ebenso benötigt wie eine zügige Digitalisierung der Verwaltung, um Prozesse zu beschleunigen. Darüber hinaus sei es wichtig, dass nicht nur die Großindustrie stabile Energiepreise erhalte, sondern auch der Mittelstand. Daher müsse die Energiesteuer in Deutschland auf das europäische Mindestmaß herabgesetzt werden. „Wir liegen da weit drüber“, betonte Dr. Fonger.
Im Hinblick auf die Infrastruktur sagte er: „Wir können nicht nur auf die Bundesmittel schauen, sondern wir fordern auch vom bremischen Senat, die Investitionsmittel trotz schwieriger Zeiten aufrechtzuerhalten und möglicherweise zu steigern. Auch Bremen muss in die Infrastruktur investieren – seien es Schulen, Berufsschulen, Häfen, Verkehrsinfrastruktur – und wenigstens das Mindeste tun, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen positiv zu beeinflussen.“
Wenn die neue Bundesregierung nun zügig positive Signale sende, könne dies Unsicherheiten für die Unternehmen reduzieren und der Wirtschaft einen positiven Schwung geben, so der Hauptgeschäftsführer. „Vielleicht lässt sich dann noch in diesem Jahr eine Trendumkehr erreichen.“
Der Jahresbericht 2024 zum Download
www.handelskammer-bremen.de/jb2024