Insolvenzrecht: Neuregelung der Geschäftsleiterhaftung

Mit der Änderung des Insolvenzrechts haben sich im vergangenen Jahr auch einige Neuregelungen für die Geschäftsführerhaftung ergeben. Rechtsanwalt Martin Bastobbe hebt in der folgenden Übersicht die wichtigsten Punkte hervor.

Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet, also „insolvenzreif“, sind Zahlungen an Geschäftspartner grundsätzlich verboten. Juristische Personen, aber auch GmbH & Co. KGs, müssen einen Insolvenzantrag stellen. Verantwortlich ist jedes Mitglied der Geschäftsleitung. Erfolgen dennoch weiterhin Zahlungen, kann dies zu einer persönlichen Erstattungspflicht gegenüber der späteren Insolvenzmasse führen. Die interne Ressortaufteilung spielt dabei keine Rolle.

Diese Geschäftsleiterhaftung ist nicht neu. Sie ist aber durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz rechtsformübergreifend in der Insolvenzordnung neu geregelt worden.

Antragsfrist verlängert

Stärker als zuvor kommen in der Neuregelung zeitliche Differenzierungen zum Ausdruck. So sind während der durch die Insolvenzreife ausgelösten Insolvenzantragsfrist noch Zahlungen erlaubt, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind. Das gilt aber nur, wenn noch Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens möglich sind und verfolgt werden oder ein Insolvenzantrag vorbereitet wird.

Die maximale Antragsfrist wurde für den Überschuldungsfall verlängert. Sie beträgt jetzt sechs Wochen. Bei Zahlungsunfähigkeit bleibt es bei drei Wochen. Spätestens dann muss ein Insolvenzantrag gestellt oder die Insolvenzreife beseitigt sein.

Nach Fristablauf: Entlastung oder Haftungsverschärfung

Sobald ein Insolvenzantrag gestellt ist, haftet die Geschäftsleitung für Zahlungen nur unter besonderen Voraussetzungen. In der Regel bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Dies kann das Gericht mit einem allgemeinen Verfügungsverbot verbinden. Dann sind der Geschäftsleitung alle Zahlungen verboten. Ordnet das Gericht aber an, dass Zahlungen nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgen dürfen, kommt es auf dessen Entscheidung an. Stimmt er der konkreten Zahlung zu, darf die Zahlung vorgenommen werden und es droht keine Haftung.

Lässt die Geschäftsleitung die Antragsfrist verstreichen, haftet sie in aller Regel für die dann noch erfolgten Zahlungen. Denn nach Fristablauf wird gesetzlich vermutet, dass die Zahlungen nicht mehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar waren.

Neue Haftungshöchstgrenze

Ein wichtiger Unterschied zum früheren Recht ist die neue Haftungshöchstgrenze. Der Insolvenzverwalter kann nur noch in dem Umfang Erstattungen verlangen, in dem er diese zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger benötigt. Das kann den Haftungsumfang erheblich reduzieren.

Neu geregelt ist auch das Verhältnis von Zahlungsverbot und steuerlichen Pflichten. Die Geschäftsleitung hat Sorge zu tragen, dass das Unternehmen die fälligen Steuern abführt. Bei einem grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verstoß haftet sie dem Fiskus für entstandene Schäden. Darf aber überhaupt nicht mehr gezahlt werden, dürfen auch keine Steuern entrichtet werden. Ab Insolvenzreife besteht also eine Pflichtenkollision. Nach altem Recht waren fällige Steuern weiter abzuführen. Haftungsträchtig war insbesondere der Zeitraum nach der Antragstellung.

Nunmehr ist entscheidend, ob ein Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt wird: Ist das der Fall, ist vom Eintritt der Insolvenzreife bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Zahlungsverbot vorrangig. Wird der Insolvenzantrag aber nicht rechtzeitig gestellt, bleiben die steuerlichen Pflichten vorrangig. Was im Einzelfall gilt, kann die Geschäftsleitung nur ermitteln, wenn sie schon ab Beginn einer Krise die Finanzlage genau beobachtet, um einen notwendigen Insolvenzantrag rechtzeitig zu stellen. Schon vor der Antragstellung erfolgte Verletzungen steuerlicher Pflichten kann ein Insolvenzantrag jedoch nicht mehr heilen.

Unklarheit bei Beiträgen zu Sozialversicherungen

Unklar ist die Situation bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Hier fehlt eine ausdrückliche Regelung im neuen Recht. Nach der Rechtsprechung zum alten Recht mussten die Arbeitnehmeranteile auch nach Insolvenzreife noch abgeführt werden, die Arbeitgeberanteile durften jedoch nicht gezahlt werden. Es spricht viel dafür, dass die alte Differenzierung noch gilt. In der Fachliteratur wird aber auch vertreten, die Lösung der steuerrechtlichen Problematik müsse hier entsprechend gelten. Das würde bedeuten, dass die Sozialversicherungsbeiträge nun einbehalten werden müssen. Klarheit können hier – leider – nur die Gerichte schaffen.

Martin Bastobbe ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Büsing Müffelmann & Theye in Bremen.