Entscheidend für die Zukunft eines Standorts sind nicht mehr primär die physischen Gebäude, sondern vor allem der Grad an digitaler Kompetenz und Infrastruktur. Bremen-Nord hat in diesem Feld vielversprechende Ansätze zu bieten, muss aber insgesamt massiv aufholen.
Als sechstgrößter Industriestandort ist Bremen bundesweit ein wirtschaftliches Schwergewicht, bei der Digitalisierung reiht sich der Standort allerdings weit hinten ein: Im „Smart City Index“ des Branchenverbands Bitkom rangiert die Hansestadt nur auf Platz 57. Angesichts des Wandels in vielen Berufen – auch in der Industrie – ist dieser Rückstand ein Warnsignal. Gerade für Bremen-Nord, das seine Erwerbstätigenquote dringend erhöhen muss, ist es aber auch eine Chance: Wenn der Hebel Digitalisierung mit Schwung umgelegt wird, lassen sich nicht nur vielfältige gesellschaftliche Probleme besser adressieren, sondern auch neue wirtschaftliche Möglichkeiten erschließen.
Um einen Impuls dafür zu setzen, luden das Mittelstand-4.0-Kometenzzentrum Bremen und der Wirtschafts- und Strukturrat Bremen Nord am 7. Juli 2022 zur Veranstaltung „Wege in eine nachhaltige digitale Zukunft – Handlungsoptionen für Bremen Nord“ ein. Die Impulsreferenten Jens Mühlner und Matthias Brucke vom Trägerverein der „Charta digitale Vernetzung“ erläuterten, wie der Standort profitieren kann – und wie der Prozess am besten angeschoben wird. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass die Zeit drängt: „Wenn eine Region die digitale Transformation jetzt nicht aktiv angeht, dann hängt sie sich ab, und zwar sehenden Auges“, betonte Mühlner, der selbst in Bremen-Nord wohnt.
„Das Entscheidende ist, ins Machen zu kommen“
Ein zentraler Punkt: „Es ist Immer besser, wenn die Region eine Eigeninitiative entfaltet und ins Machen kommt, statt auf Druck und Entscheidungen von außen zu warten“, so Brucke. „Inzwischen gibt es viele gute Beispiele, auch in Deutschland, wie sich Städte und Regionen auf die neue digitale Gesellschaft und Datenökonomie einstellen können. Der Nutzen, auch für die Bewältigung der aktuellen Alltagsprobleme, ist dabei zumeist größer als der Aufwand.“
Am besten sei es, wenn man dabei über ein klares Zielbild verfügt, so Brucke: „Wo wollen wir eigentlich hin?“ Dieses Ziel werde im Idealfall gesellschaftlich breit diskutiert, beschlossen und getragen. Konkrete Handlungsfelder finde man am besten dadurch, dass man entweder Schmerzpunkte bearbeitet oder schaut, wo sich zügig Chancen nutzen lassen. Das Entscheidende sei jedoch, ins Machen zu kommen.
„Eine weitere Erkenntnis aus anderen Prozessen ist, dass es möglichst auch einen Kopf braucht, der die Visionen und die Aktivitäten dazu antreibt“, berichtet Mühlner. Die Verwaltung sei allerdings meistens ein schlechter Treiber.
Mögliche Ansätze für Bremen-Nord
Für Bremen-Nord sehen Mühlner und Brucke verschiedene Chancen, auf denen sich aufsetzen lasse, etwa die neue Ausrichtung der Jacobs University zum Thema Künstliche Intelligenz, den Fachkräftebedarf der ansässigen Unternehmen sowie aktuelle Stadtentwicklungsvorhaben wie den geplanten Bildungscampus auf dem BWK-Gelände.
Ein anderes Beispiel: Das gemeinnützige Unternehmen Digital School Story hat ein bundesweit sehr beachtetes Pilotprojekt mit dem Gymnasium Vegesack umgesetzt, in dem über soziale Medien sehr erfolgreich ein kreativerer und emotionalerer Zugang zur Mathematik eröffnet wurde.
„Die international stattfindende digitale Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft muss auch in der Region ihren Widerhall finden“, so Mühlner. „Hierfür braucht es einen ernsthaften und mit langem Atem versehenen Willen zur Veränderung. Das bedeutet insbesondere, bei den jungen Menschen ganz früh anzufangen, aber auch den heute bereits drängenden Fachkräftebedarf in den Fokus zu nehmen. Hier kann Bremen Nord vieles für die Menschen und für die Attraktivität des Standorts tun.“