Handelskammer fordert Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik

Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht und Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger haben ihre Bilanz des zu Ende gehenden Jahres gezogen und einen Blick voraus auf 2024 geworfen. Eine besondere Bedrohung für die Wirtschaftskraft sehen sie in den rapide zunehmenden Regulierungen durch den Staat, der gleichzeitig nicht die benötigten Rahmenbedingungen für die Unternehmen schaffe.

Die Zeit der gut gefüllten Kassen ist vorbei: Kredite sind nicht mehr zu Minimalzinssätzen zu bekommen und die Konjunktur verliert zunehmend an Fahrt. Aus Sicht der Handelskammer Bremen ist es höchste Zeit, dass die Politik auf die veränderte Situation reagiert und ihre Ausgaben intensiv auf den Prüfstand stellt. Gleichzeitig gelte es, der Generierung von Einnahmen wieder mehr Aufmerksamkeit zu widmen – durch eine wirtschaftsstärkende Politik. Was dies konkret bedeutet, erläuterte die Handelskammer-Führung am 21. Dezember vor den Vertreterinnen und Vertretern der Landespressekonferenz.

„Stetig neue Regulierungen und Überbürokratisierung lähmen zunehmend die wirtschaftliche Leistungskraft unseres Standortes und binden wertvolle Energien in den Unternehmen“, kritisierte Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht. „Der Staat ist aber nicht der bessere Unternehmer. Innovationskraft und wirtschaftliche Prosperität entstehen durch die Kräfte des Marktes und nicht durch Subvention und Regulierung.“

Deutschland brauche in seinem wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Handeln einen klaren Kurswechsel, forderte Dubbers-Albrecht. „Unser Land muss den Blick wieder nach vorne richten. Es braucht das Vertrauen in eine funktionierende Marktwirtschaft, die Zuversicht in die Wettbewerbsfähigkeit unseres Produktionsstandortes und den Willen, erfolgreich zu sein.“

Ausbildungsabgabe ein Beispiel für teure Bürokratie

Ein Beispiel für zusätzliche Bürokratie, die viel Geld koste, Arbeitskräfte binde und für die Versorgung mit Fachkräften keinen Mehrwert bringe, sei die Ausbildungsabgabe. Im Januar 2023 hatte die Handelskammer gemeinsam mit fünf weiteren Kammern einen Normenkontrollantrag gegen das entsprechende Gesetz der Landesregierung eingereicht – erstmals in der jahrhundertlangen Geschichte der Handelskammer. Präses Dubbers-Albrecht betonte, dass die Unternehmen ohnehin ausbilden wollen, daher sei die Abgabe „vollkommen unnütz und überflüssig“. Sie erfordere die Einstellung neuer Arbeitskräfte in der Verwaltung und Investitionen in eine neue IT-Infrastruktur. „Stattdessen bieten wir an, das Maßnahmenpaket, das jetzt schon durch die Arbeitsagentur und die Jugendberufsagentur angeboten wird, anzuschauen und zu sagen, welche Maßnahmen passen und welche nicht.“

Der Präses betonte: „Es ist ja nicht so, dass wir sagen, es gibt kein Problem. Es gibt ein Problem – noch schlimmer als die Tatsache, dass wir als Wirtschaft nicht genügend Auszubildende finden, ist ja, dass Jugendliche durchs Raster fallen. Dafür sehen wir uns als Wirtschaft aber nur in begrenztem Maße verantwortlich. Die Hauptverantwortung liegt da in der schulischen Bildung.“

Ein weiteres Beispiel für kontraproduktiven Lenkungswillen des Staates sieht Dubbers-Albrecht in der geplanten Rekommunalisierung der Stadtreinigung. Hier sei zu sehen, dass die Preise für den Endkunden steigen, wenn die Kräfte des Marktes ausgeschaltet werden. „Dass die zugesicherte Gebührenstabilität im Zuge der Rekommunalisierung der Abfallentsorgung erneut nicht eingehalten wird, schadet zum wiederholten Mal der Planungssicherheit der bremischen Unternehmen“, sagte der Präses.

Dringender Investitionsbedarf bei Klimaschutz und Bildung

Nach Meinung der Handelskammer gibt es dagegen dringende gesellschaftliche Herausforderungen, bei denen die begrenzt verfügbaren staatlichen Mittel wirklich benötigt werden. Bremen müsse trotz hoher Verschuldung und weiterhin unsicherer Haushaltslage die Folgekosten des Kriegs in der Ukraine bewältigen, Klimaschutzmaßnahmen in erheblichem Umfang finanzieren und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes durch Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastrukturen verbessern, sagte Dubbers-Albrecht.

Es sei wichtig, bei allen Ausgaben zunächst die vorhandenen Möglichkeiten effizienter zu nutzen, damit mehr Mittel in standortstärkende Investitionen fließen können, um so die Einnahmebasis des Landes Bremen langfristig zu erhöhen. Angesichts der deutlich gestiegenen Kosten für Kredite sei man gezwungen, die Haushalte genauer anzuschauen und „einen Kassensturz vorzunehmen“.

Massiver Zuwachs des Personals in der bremischen Verwaltung

Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger kritisierte, dass häufig der Eindruck erweckt werde, Bremen könne gar nicht mehr sparen, da der Spielraum bereits ausgeschöpft sei. Er verwies darauf, dass die massive Zunahme an Bürokratie in Bereichen wie dem Lieferkettengesetz, der Taxonomie, der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Ausbildungsumlage nicht nur für Unternehmen eine enorme Belastung darstelle, sondern auch für die öffentlichen Haushalte, da ein ständiger Zuwachs an Personal damit einhergehe.

„Im Haushaltsnotlageland Bremen ist seit 2018 massiv neues Personal im öffentlichen Bereich eingestellt worden“, so Fonger. Der Personalbestand in den Kernbereichen der bremischen Verwaltung – also dem Bereich ohne Lehrpersonal, Polizei, Feuerwehr und Justiz – sei in diesem Zeitraum um 22 Prozent gestiegen. Allein von 2021 auf 2022 habe der Zuwachs 9 Prozent betragen.

Während die Handelskammer die Einstellung neuer Lehrkräfte und Polizisten unterstütze, müssten in der allgemeinen Verwaltung dagegen schlankere Strukturen und Effizienzsteigerungen durch Digitalisierung im Vordergrund stehen. Gerade die Einstellung neuer öffentlicher Bediensteter binde auf viele Jahrzehnte hinaus umfassende Mittel und werde auch den zukünftigen finanziellen Spielraum deutlich einschränken.

Ein weiterer Punkt, bei dem Bremen sparen könne, sei das Thema Flüchtlinge. Bremen übererfülle seine Quoten bei der Aufnahme im Gegensatz zu den anderen Bundesländern deutlich und gebe gleichzeitig zu viel Geld für Leistungen wie die Unterbringung aus, die bei gleicher Qualität für geringere Kosten möglich wäre.

Historisch niedriges Niveau bei staatlichen Investitionen

Während die Personalkosten rapide steigen, spart die Landesregierung weiterhin bei den Investitionen, die eine dauerhafte Verbesserung der Einnahmeseite bewirken würden. Die Handelskammer wies erneut darauf hin, dass die Investitionsquote – also der Anteil der Investitionsausgaben an den Gesamtausgaben – in den bremischen Haushalten seit Jahren mit nur knapp über 10 Prozent auf einem historisch niedrigen Niveau verharrt.

Dringender Investitionsbedarf bestehe jedoch beispielsweise bei der Hafeninfrastruktur. Der Bedarf sei dort so groß, dass Bremen ihn nicht alleine bewältigen könne und beim Bund weiter auf eine Aufstockung des Hafenlastenausgleichs drängen müsse, der aktuell nur 38 Millionen Euro pro Jahr betrage. Insbesondere die Umsetzung des Energy Ports in Bremerhaven sei im Interesse der deutschen Wirtschaft und des Klimaschutzes. Auch die Anpassung der Außenweser sieht die Handelskammer als notwendig an, um modernen Schiefen mit größerem Tiefgang einen Zugang zu den Häfen zu ermöglichen.

Mangel an Fachkräften gefährdet technologischen Strukturwandel

Die Konjunktur des Bundeslandes habe sich 2022 überdurchschnittlich gut entwickelt, sagte Fonger, allerdings habe 2023 ein deutlicher Abwärtstrend eingesetzt – besonders in der zweiten Jahreshälfte. Die Deutsche Industrie- und Handelskamemr (DIHK) gehe von einem Rückgang um 0,5 Prozent des Bruttoninlandsprodukts in Deutschland aus. Für das kommende Jahr werde mit einer Stagnation – also einem Null-Wachstum – gerechnet. Für die bremische Wirtschaft sei vor allem entscheidend, wie sich die Exportnachfrage entwickelt.

Der Arbeitsmarkt im Bundesland habe sich trotz des konjunkturellen Gegenwinds bis Jahresmitte 2023 verhältnismäßig gut gehalten und einen neuen Höchststand bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erreicht, so Fonger. Allerdings sei parallel auch die Zahl der Arbeitslosen auf eine Quote von 10,7 Prozent gestiegen.

Gleichzeitig stellt der Mangel an qualifizierten Fach- und Arbeitskräften weiterhin eine der größten Herausforderungen für Unternehmen dar. Die Handelskammer drängt daher darauf, die Schulen qualitativ zu verbessern und die berufliche Bildung weiter zu stärken. Darüber hinaus empfiehlt sie den Abbau von bürokratischen Hürden und Erleichterungen bei der Einstellung von ausländischen Fach- und Arbeitskräften. „Der Mangel an jungen Menschen gefährdet langfristig unseren notwendigen technologischen und energetischen Strukturwandel“, sagte der Handelskammer-Hauptgeschäftsführer.