Gutachten: Verlegung der Straßenbahn in die Martinistraße ist sinnvoll

Das Hannoveraner Planungsbüro PGT hat im Auftrag des Aktionsbündnisses Innenstadt ein Gutachten zur Verlegung der Straßenbahn aus der Obernstraße vorgelegt. Vieles spricht demnach für eine Streckenführung durch die Martinistraße.

Das Aktionsbündnis Innenstadt hat für die vom Mobilitätsressort geplante Zusammenlegung der Straßenbahnhaltestellen vor der Glocke eine zweite, unabhängige Meinung eingeholt. Aus Sicht des Bündnisses, das Vertreter der innerstädtischen Wirtschaft, der Arbeitnehmer und Architekten sowie Investoren vereint, ist der vorgesehene Umbau der Domsheide nicht alternativlos. Vielmehr böte sich jetzt die Gelegenheit, die Verlegung der Straßenbahn aus der Obernstraße in die Martinistraße als ein ambitioniertes Schlüsselprojekt für die Innenstadtentwicklung zu prüfen und auf den Weg zu bringen.

Für ein unabhängiges Gutachten wurde das Hannoveraner Planungsbüro PGT Umwelt und Verkehr GmbH beauftragt, das seit mehr als 30 Jahren Stadtentwicklungsprojekte begleitet, unter anderem bei der Gestaltung der Bahnhofsvorplätze in Hannover und Rostock. Das Aktionsbündnis bat die Ingenieure von PGT, Varianten für die Führung der Straßenbahnlinien 2 und 3 im Innenstadtbereich zu bewerten.

Drei Varianten geprüft

Das Planungsbüro kam zu dem Ergebnis, dass eine Verlegung der Straßenbahnlinien 2 und 3 aus der Obernstraße in die Martinistraße möglich ist, ohne das ÖPNV-Angebot für die Innenstadt zu verschlechtern. Im Gegenteil – das Büro sieht darin deutliche Vorzüge gegenüber der aktuellen Planung des Bauressorts, die den Verbleib der Linien in der Obernstraße und ein Heranrücken von Haltestellen an die Glocke vorsieht. „Es lohnt sich, die Alternativen sehr sorgfältig zu durchdenken“, sagte PTG-Geschäftsführer Heinz Mazur.

Konkret prüfte das Planungsbüro drei Trassenführungen der Straßenbahnlinien 2 und 3:

  • Variante 1 über Martinistraße, Balgebrückstraße und Ostertor
  • Variante 2 über Martinistraße, Tiefer, Altenwall und Ostertor
  • Variante 3 über Bgm.-Smidt-Brücke, Westerstraße und Balgebrückstraße

Die dritte Variante wurde für untauglich erklärt, weil sie den zentralen Innenstadtbereich nicht ausreichend abdeckt. Die anderen beiden Varianten sind nach Meinung der Gutachter sinnvolle Alternativen zur aktuellen Planung des Verkehrsressorts. Auch die baulichen Gegebenheiten sprechen – trotz gegenteiliger Befürchtungen des Ressorts – nicht gegen eine Linienführung von der Balgebrück- auf die Martinistraße oder gegen eine Bündelung der Haltestellen in der Balgebrückstraße. Favorisiert wird von PTB die Variante 1.

Zahlreiche Vorteile durch die Verlegung

„Die Ergebnisse des Gutachtens unterstreichen die großen Chancen, die eine Straßenbahnverlegung für die Entwicklung einer deutlich stärker fußgänger- und aufenthaltsorientierten Kerninnenstadt zwischen Brill und Domsheide böte“, betont das Aktionsbündnis:

  • Die Fußgängerzone Obern- und Hutfilterstraße würde nachhaltig belebt und neu inszeniert werden.
  • Der Marktplatz mit dem Unesco-Welterbe Rathaus und Roland sowie Bürgerschaft, Schütting und Dom würden vom Straßenbahnverkehr befreit und könnten zu einem ungestörten Ort der Begegnung werden.
  • Die Glocke als Musikhaus und Kulturort mit überregionaler Bedeutung würde in ihrer städtebaulichen Einordnung gestärkt werden. Durch eine Verlegung der Haltestellen der Linien 2 und 3 wäre eine neue und großzügigere Umfeldgestaltung möglich, die die Entreesituation des Konzerthauses insgesamt deutlich verbessert.
  • Eine neue zentrale Straßenbahnhaltestelle in der Martinistraße im Bereich zwischen Pressehaus und Pieperstraße würde zentrale Innenstadtbereiche und auch die Schlachte mit dem ÖPNV sehr gut erschließen. Die Martinistraße erhielte eine neue stadträumliche Funktion.
  • Ohne die Straßenbahnverkehre aus der Hutfilter-/Obernstraße könnten die Ampelanlagen der Brillkreuzung deutlich leistungsfähiger geschaltet werden. Vor dem ehemaligen Sparkassen-Gebäude und dem möglichen neuen City-Campus könnte zudem eine Vorplatzsituation geschaffen werden.

Stefan Brockmann, Vorstand der CityInitiative Bremen Werbung e.V., erwartet angesichts der Ergebnisse, dass der Senat sich mit dem Gutachten der Aktionsgemeinschaft und ihrer zahlreichen Mitglieder befasst. „Das ist ein signifikanter Teil der Gesellschaft, der dahinter steht“, betonte er.

Auch der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Bremen, Dr. Matthias Fonger, sieht in dem Gutachten eine Bestätigung, dass die Verlegung der Straßenbahnlinien in die Martinistraße ein zentraler Baustein der Innenstadtentwicklung werden kann. Als besonders große Chance betrachtet er beispielsweise die Einrichtung einer Haltestelle Pieperstraße, die ein Bundeglied zwischen Schlachte und Obernstraße werden könnte. „Alleine durch die Verengung der Martinistraße wird man keine Belebung erreichen“, sagte er. „Man muss die Menschen dort hinbekommen.“

Aufruf an den Senat

Als Konsequenz aus dem Gutachten ruft das Aktionsbündnis Bremer Innenstadt den Senat zu konkreten nächsten Handlungsschritten auf. Dazu gehört nach Auffassung des Bündnisses die spätestens im Herbst zu fällende Grundsatzentscheidung, die Verlegung der Straßenbahn als Schlüsselprojekt und Planungsalternative in Erwägung zu ziehen.

In der Folge einer solchen Entscheidung wären die bisherigen Umbaupläne für die Domsheide zu überdenken. Stattdessen bedürfe es dann umfänglicher unabhängiger Machbarkeitsuntersuchungen für die vorgeschlagenen Strecken- und Haltestellenvarianten sowie Verkehrssimulationen und Leistungsfähigkeitsberechnungen. Auch mögliche Finanzierungswege müssten geklärt werden – die Gutachter und das Aktionsbündnis sehen beispielsweise Chancen, den Bund an den Kosten zu beteiligen.

Der Gutachterbericht kann hier als PDF heruntergeladen werden.