Die Handelskammer Bremen hat gemeinsam mit dem Verfassungsrechtler Prof. Christian Waldhoff ein Gutachten zur rechtlichen Einschätzung der Ausbildungsabgabe vorgelegt. Die Gremien der Handelskammer werden in Kürze über rechtliche Schritte gegen die Ausbildungsabgabe entscheiden.
Der Bremer Senat will 2024 eine Ausbildungsabgabe für Unternehmen in Bremen und Bremerhaven einführen. Das Gesetz soll am 22. März 2023 in der Bürgerschaft beschlossen werden. Die Handelskammer kritisiert deutlich die geplante Ausbildungsabgabe und hat jetzt ein verfassungsrechtliches Gutachten vorgestellt. Demnach hat der Berliner Verfassungsrechtler Prof. Christian Waldhoff schwerwiegende Bedenken gegen den Gesetzentwurf.
Kritik aus der Wirtschaft wird verfassungsrechtlich untermauert
Mit dem Gutachten untermauert die Handelskammer ihre bereits seit mehr als eineinhalb Jahren geäußerte Kritik. „Es ist für uns unverständlich, dass dieses Gesetz nun beschlossen werden soll. Die Ausbildungsabgabe erhöht die Kosten gerade für kleine und mittelständische Unternehmen und schafft mehr Bürokratie“, sagte Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht bei der Vorstellung des Gutachtens. „Die Unternehmen im Land Bremen bilden im Bundesvergleich bereits überdurchschnittlich aus und bemühen sich, fehlende Kompetenzen ihrer Auszubildenen im Lesen, Schreiben, Rechnen oder Sozialverhalten auszugleichen.“ Das Aktionsbündnis „Ausbildung innovativ“ verzeichne bereits erste Erfolge und es gebe eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Jugendberufsagentur.
Gutachten weist schwere strukturelle und verfassungsrechtliche Mängel auf
In dem jetzt vorgelegten Gutachten werden die verfassungsrechtlichen Bedenken genannt. Nach Darstellung von Prof. Waldhoff weist der Gesetzentwurf schwere Mängel auf:
> Aktuell habe Bremen zwar die Gesetzgebungskompetenz zur Einführung einer Ausbildungsabgabe. Allerdings laufe zurzeit auf Bundesebene ein Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Ausbildungsgarantie. Dieses könnte dazu führen, dass konkurrierende Landesregelungen ausgeschlossen und damit verfassungswidrig werden könnten.
> Die Ausbildungsabgabe sei eine Sonderabgabe. Dafür fordere das Bundesverfassungsgericht, dass die Gruppe der Abgabepflichtigen homogen sei. Im Bremer Gesetzesentwurf werde aber eine Reihe von Ausnahmen von der Abgabepflicht definiert und damit gegen die Vorgabe verstoßen.
> Bei der Frage nach der Finanzierungsverantwortung gebe es ebenfalls Widersprüche. Das formulierte Sachziel des Ausbildungsfonds sei mit „einer besseren Versorgung mit Fachkräften“ sehr allgemein gehalten. Natürlich seien die Unternehmen dafür verantwortlich, ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Allerdings seien alle anderen im Gesetzentwurf genannten Maßnahmen, zum Beispiel zur Erhöhung der Passgenauigkeit, Teile der staatlichen Aufgaben. Auch hier gehe der Gesetzentwurf an verfassungsrechtlich bindenden Vorgaben vorbei.
> Überdies werde die von einem Gesetz zu erwartende Berücksichtigung des Bestimmtheitsgrundsatzes im vorliegenden Gesetzentwurf nicht beachtet. Stattdessen würden wichtige Entscheidungen an noch zu erlassende Rechtsverordnungen delegiert.
> Der Gesetzentwurf sei nicht verhältnismäßig. Der Fachkräftemangel sei auch durch den demografischen Wandel und in der mangelnden Schulbildung begründet. Diese Ursachen könnten durch den Ausbildungsfonds nicht geändert oder verbessert werden.
Gremien der Handelskammer entscheiden über rechtliche Schritte
Die Handelskammer wird in der kommenden Woche in ihren Gremien darüber entscheiden, ob gegebenenfalls gemeinsam mit anderen Kammern und Verbänden rechtliche Schritte gegen die Ausbildungsabgabe eingeleitet werden. Ihr steht der Gang vor den Staatsgerichtshof in Bremen offen, um im Wege der abstrakten oder präventiven Normenkontrolle die Vereinbarkeit des Gesetzes mit der Verfassung prüfen zu lassen.
Darüber hinaus könnte die Handelskammer, die selbst eine ausbildende Körperschaft ist, den ordentlichen Rechtsweg beschreiten, sobald sie zur Zahlung der Abgabe herangezogen wird.