Wie so vieles in Bremerhaven hat auch diese Unternehmensgeschichte im Fischereihafen angefangen. Doch längst ist die Würfel Holding GmbH mehr als ein Frischfisch-Spediteur. Als bundesweit agierender Dienstleister ist die Gruppe ein gutes Beispiel dafür, dass die Transport- und Logistikbranche aus der Seestadt nicht nur Container bewegt.
Hans-Jürgen Schlausch und Karim Gebara kennen die Welt. Nach Ausbildung und Studium war Schlausch für den international operierenden Logistik-Dienstleister Schenker als Geschäftsführer unter anderem in Saudi-Arabien, Malaysia, Japan und England unterwegs. Ähnlich verlief Gebaras Karriereweg nach dem BWL-Studium mit Stationen bei Dachser, Schenker, ABX-Logistics und Exel Logistics, für die er als Vice President Sales, Global Freight Management EMEA und Director Airfreight Worldwide arbeitete. Irgendwann begegneten sich beide bei Schenker, damals eines der größten europäischen Straßentransportunternehmen.
Für beide war das eine entscheidende Weichenstellung – und der Weg zurück zu den Wurzeln. „Wir wollten weg von den weltweiten Tätigkeiten“, erinnert sich Gebara. Das Interesse für einen Mittelständler in Bremerhaven war die logische Konsequenz: „Die Möglichkeit, das Familienunternehmen Würfel zu kaufen und strategisch weiterzuentwickeln, war genau der Weg, um unsere unternehmerischen Ideen umzusetzen.“ Der Schritt ist mittlerweile elf Jahre her; die Kernfakten sprechen dafür, dass der Weg der richtige war: Mit 1.700 Beschäftigten an 18 Standorten in Deutschland, Polen und Ungarn, mit 258.000 Quadratmetern Lagerfläche, 370 eigenen Lkw und mehr als 1.000 Wechselbrücken füür Großvolumentransporte sowie einem Jahresumsatz von 149 Millionen Euro (2019) nimmt die Würfel-Holding eine bedeutende Rolle unter den Mittelständlern der deutschen Transport- und Logistikbranche ein.
An einem bedeutenden Warenumschlagsplatz wie Bremerhaven sind Transport- und Logistikdienstleister selbstverständlich Teil der Wirtschaftsstruktur. Reine Fuhrunternehmen gehören dazu, die vorzugsweise Container von A nach B bringen. Andere Firmen haben sich zu ausgesprochenen Spezialisten entwickelt, die beispielsweise in der Lebens – mittellogistik und im temperaturgeführten Warentransport Höchstleistungen vollbringen. Stellvertretend füur die meis – ten mittelständischen Unternehmen steht die Würfel-Gruppe für die Gemeinsamkeit der Spediteure und Logistiker in der Seestadt: Sie sind in der Regel in Familienbesitz.
Mit Frischfisch-Transporten fing es an
Die heutige Würfel Holding GmbH wurde 1946 von Heinz Würfel gegründet, der in den Anfängen Frischfisch zwischen den Hafenstandorten Bremerhaven und Cuxhaven transportierte und die fischverarbeitenden Betriebe versorgte. Sein Sohn Gert übernahm 1974 die Spedition. Er entwickelte das Know-how rund um so genannte Jumbo-Wechselbrücken, die für großvolumige Ladung bis zu 120 Kubikmetern gedacht sind. Diese Systeme, die wie Container komplett vom Fahrzeug genommen werden können, sind bis heute eine Spezialität von Würfel. 2010 verkaufte Würfel das Unternehmen an Schlausch und Gebara, vier Jahre später zog er sich ganz aus dem Unternehmen zurück. Aber eins ist auch im neuen Zeitalter unverändert: „Wir versuchen, den Familien-Spirit aufrechtzuerhalten“, betont Gebara. Die Inhaber pflegen einen engen Kontakt zur Belegschaft („Sie wissen, dass wir offen sind für ihre Anregungen, Fragen und Bitten“). Teamarbeit auf Augenhöhe, so die beiden Geschäftsführer, ist ihr Prinzip.
Prinzip Diversifikation
Dass Schlausch und Gebara Interesse für Würfel entwickelten, ist Teil ihrer unternehmerischen Philosophie: „Wir schauen nach Opportunitäten, haben viele Ideen, sind immer am Ball, um die Würfel voranzutreiben und unseren Kunden bestmögliche Logistikkonzepte anzubieten“, beschreibt es Gebara. Dies hat deutlich Spuren in der Gruppe hinterlassen. Konsequent setzten Schlausch und Gebara die Diversifikation fort, die Gert Würfel bereits begonnen hatte. Unter dem Dach der in Bremerhaven ansässigen Holding operieren acht Unternehmen. Neben dem ursprünglichen Speditionsgeschäft hat die Gruppe starke Aktivitäten im Supply-Chain-Management, der Inhouse-Logistik, der Kontrakt- Logistik und als Logistik-Dienstleister für die Automotive- Industrie entwickelt. Immer wieder kauften die beiden Unternehmer Firmen dazu; auch hier gilt das Augenmerk sich bietenden Möglichkeiten, die allerdings zum Portfolio passen müssen. Als Beispiel dafür verweist Gebara auf den jüngsten Zukauf, den Paderborner Logistiker und Spediteur Massong, der eine ähnliche Historie als Familienunternehmen hat und wie Würfel seit geraumer Zeit eine besondere Affinität zur Automobilindustrie hat.
Das Ergebnis ist eine diversifizierte Gruppe, in der die einzelnen Bereiche zum Beispiel konjunkturbedingte Schwankungen an anderen Stellen zumindest teilweise ausgleichen können. Die aktuelle wirtschaftliche Situation in Deutschland betrachten die Inhaber deswegen mit gewisser Gelassenheit: „Wir verzeichnen zwar einen leichten Nachfragerückgang, aber den betrachten wir vor dem Hintergrund der außergewöhnlich guten Konjunktur der vergangenen Jahre. Jetzt erreichen wir wieder unser Normalniveau“, sagen sie. Andere Entwicklungen betrachten sie dagegen mit größerer Sorge: „Wir brauchen dringend einen fairen Wettbewerb“, betont Gebara. Für Marktteilnehmer aus dem Ausland müssten die gleichen Regularien gelten wie für deutsche Unternehmen, sonst drohten beispielsweise durch die unterschiedliche Qualifikation der Fahrer Wettbewerbsverzerrungen.
Kompetenz für großvolumige Ladung
In der Würfel-Gruppe genießt die Ausbildung der Fahrer und der Beschäftigten in allen anderen Bereichen einen hohen Stellenwert. Ähnlich hoch ist die Bindung an den Standort Bremerhaven. Hier hat die zentrale Verwaltung ihren Sitz; außerdem werden die Fahrzeuge hier gewartet, am ursprünglichen Standort in der Hoebelstraße, wo die Gruppe vor bald 75 Jahren gegründet wurde.
Dass die charakteristisch blauen Groß-Lkw dennoch überall in Deutschland und im benachbarten Ausland zu sehen sind, spricht für die Flexibilität als Teil der Unternehmensidentität. Nur so konnte sich die Gruppe ihre besondere Kompetenz für großvolumige Ladung erhalten. Denn anders als die Speditionen und Logistiker in der Stadt, ist das Ladungsaufkommen in der Hafenstadt durch Lebensmittel, Container und Autos geprägt. „Das Marktumfeld für die klassischen Jumbo-Wechselbrücken-Kunden ist hier jedoch begrenzt“, sagt Gebara.