Gütertransport mit Wasserstoffantrieb

Die Enginius GmbH in Bremen-Osterholz hat einen Lkw auf Wasserstoff-Basis für den regionalen und überregionalen Waren- und Liefertransport entwickelt, der im September auf der Messe IAA Transportation präsentiert werden soll. Die Abfallsammelfahrzeuge des Unternehmens befinden sich bereits in Serienproduktion und nutzen ebenfalls einen brennstoffzellenelektrischen Antrieb.

Wer in Bremen an die Automobilindustrie denkt, hat zuerst meist das örtliche Mercedeswerk im Sinn. Seit einigen Jahren etabliert sich am Bremer Kreuz jedoch ein anderer aufstrebender Hersteller, der sich auf schwere Nutzfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb spezialisiert hat. Im vergangenen Jahr lieferte die Enginius GmbH bereits rund 100 Fahrzeuge an die Kunden aus, sodass insgesamt mittlerweile etwa 150 Abfallsammelfahrzeuge aus Bremen aktiv im Einsatz sind. „In Europa haben wir damit die größte Flotte an schweren Nutzfahrzeugen auf der Straße“, betont Geschäftsführer Thorsten Baumeister mit Bezug auf den Wasserstoffantrieb.

Enginius sei bis jetzt der einzige Hersteller in diesem Segment, der die europaweite Serienzulassung für Wasserstofffahrzeuge erhalten hat, sagt er. Dies habe den großen Vorteil, dass nicht jedes Fahrzeug im jeweiligen Zielland einzeln zugelassen werden müsse, zumal die zuständigen Behörden teilweise noch gar nicht auf die neue Technologie eingestellt seien.

Einsatzmöglichkeiten bei Einzelhandelsketten

Aufgrund des erfolgreichen Starts, der 2018 mit dem Bau des ersten Prototypen begonnen hatte, arbeitet Enginius bereits am zweiten Modell: einem 16-Tonner mit einer Nutzlast von neun Tonnen und einer Reichweite von 500 Kilometern, der sich besonders gut für den innerstädtischen Gütertransport eignet. Das Unternehmen sieht hier einen großen Markt, weil die Technologie nicht nur leise und umweltfreundlich ist, sondern auch die reine Elektromobilität sinnvoll ergänzt, wenn diese nicht praktisch umsetzbar ist. Ein potenzielles Szenario ist der Einsatz bei Einzelhandelsketten, deren Logistikzentren nicht an ausreichend leistungsstarke Stromnetze angeschlossen sind, um über Nacht eine große Flotte Lkws aufzuladen. Wasserstoff kann dort eine Lösung – oder Teillösung – sein. Außerdem können mit den Fahrzeugen längere Distanzen absolviert werden.

Dass Enginius in seiner Nische bis jetzt die Nase vorn hat, hat vielfältige Gründe. Zum einen verfügt das Unternehmen mit seiner Konzernmutter, der Faun Umwelttechnik GmbH & Co. KG aus Osterholz-Scharmbeck, und seiner „Großmutter“, der Kirchhoff-Gruppe (Iserlohn), über fachkundige Gesellschafter. Ein zweiter Grund ist die enge Kooperation mit Daimler Trucks: Von dort werden die reinen Fahrgestelle geliefert, die anschließend in Bremen mit der Wasserstofftechnologie ausgestattet werden. Andere Hersteller übernehmen komplette Fahrzeuge und rüsten sie dann auf Wasserstoff um – ein deutlich weniger effizientes Vorgehen.

Fokus auf Sicherheit und Software

Nicht zuletzt entwickelt Enginius gezielt das Know-how, das es in seinem Feld braucht. Ein Großteil der 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – von denen rund 100 am Hauptsitz in Bremen tätig sind – kommt aus dem Ingenieurwesen. Als besondere Kompetenzen des Teams nennt Thorsten Baumeister die Bereiche Sicherheit und Software. „Man sitzt heute mehr im fahrenden Computer“, sagt er. „Bereiche wie Software, Fahrzeugsteuerung und Sicherheitssteuerung werden immer wichtigere Themen, mit denen wir uns intensiv beschäftigen.“

Bei den Kosten ist die Technologie noch nicht so wettbewerbsfähig wie der Dieselantrieb, der einen 130-jährigen Entwicklungsvorsprung und wesentlich höhere Produktionszahlen aufweist. Enginius hat daher bis jetzt noch stark von den Fördermitteln profitiert, die den Endkunden für den Kauf und Einsatz eines Wasserstoff-Nutzfahrzeugs gewährt werden. Deutschland falle bei der Förderung jedoch hinter einige Nachbarländer zurück, sagt Baumeister. In einigen EU-Staaten seien die Standortbedingungen daher mittlerweile attraktiver. Für einzelne Einsatzszenarien seien die Wasserstofffahrzeuge jedoch auch schon jetzt wettbewerbsfähig, wenn man sie über die gesamte Lebenszeit betrachte.

Weitere Informationen:
https://www.enginius.de/

Bild oben:
Enginius-Geschäftsführer Thorsten Baumeister.
Foto: Jann Raveling