Familienfreundlichkeit wird unerlässlich

Familienfreundliche Personalpolitik hilft bei der Anwerbung von Arbeitskräften, erhöht die Motivation und wirkt sich positiv auf die Produktivität aus. Zwei Beispiele aus Unternehmen im Land Bremen zeigen, wie dies in der Praxis aussehen kann.

„Wir sehen es an der Zahl und Qualität der Bewerbungen“

Zwei wesentliche Bestandteile der sozialen Nachhaltigkeit im Atlantic Hotel Sail City sind Gesundheit und Familienfreundlichkeit. Bereits vor einigen Jahren hat sich die Hotelleitung auf den Weg gemacht, diese Bereiche zu stärken. „Wir fühlen uns inzwischen komplett darin bestätigt“, sagt Hoteldirektor Tim Oberdieck.

Insgesamt beschäftigt das Bremerhavener Hotel rund 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Frauenanteil liegt bei 54 Prozent, darunter zahlreiche Mütter. Aber auch bei den Männern nimmt der Wunsch nach Freiräumen zu, beispielsweise bei der Beantragung von Elternzeit. „Und man sollte nicht vergessen: Auch Singles haben Familien“, betont Oberdieck.

Eine Möglichkeit sei die Anpassung der Verträge an die Erfordernisse. Im Atlantic Hotel Sail City arbeiten viele Arbeitskräfte sechs Stunden am Tag oder auf 520-Euro-Basis. Eine Mitarbeiterin, die im Housekeeping arbeitet, kommt nur sonntags. „Das Housekeeping würde ohne die Mütter nicht funktionieren“, sagt Oberdieck. Manchmal seien auch kleine Änderungen sehr effektiv, zum Beispiel die Verschiebung des Dienstbeginns um 20 Minuten für den Weg zum Kindergarten. Bei aller Flexibilität betont er aber auch: „Es ist kein Wunschkonzert.“ Wenn zu viele Sonderregelungen geschaffen werden, beklagen sich die Singles, dass sie überall die Lücken stopfen müssen. Auch sie müssen daher mitgenommen werden.

Manche Änderungen funktionieren nicht auf Anhieb. Eine Mutter konnte ihre Führungsposition in Teilzeit nicht allein ausfüllen – ihre Mitarbeitenden erwarteten stets eine Ansprechperson vor Ort. „Sie ist inzwischen nicht mehr bei uns. Ein Job-Sharing könnte eine zukünftige Lösung sein“, berichtet der Hoteldirektor. „Aber man darf auch mal scheitern.“ Die Erkenntnis daraus: Ein Job-Sharing wäre in diesem Fall gut gewesen, denn das Team aus zehn bis zwölf Personen habe immer jemanden vor Ort erwartet. Die Beschäftigten müssten die Maßnahmen mittragen.

Neben den flexiblen Arbeitszeitregelungen bietet das Atlantic Hotel Sail City auch Unterstützung bei Fragen wie der Suche nach einem Kindergartenplatz oder der Organisation von Pflegeleistungen für Angehörige an. Dabei nutzen Oberdieck und sein Team ein umfassendes Netzwerk, das sie über die Jahre aufgebaut haben, aber auch das Know-how und die Kontakte der eigenen Mitarbeitenden. „In der Veränderung der Unternehmenskultur haben wir unheimlich viel geschafft“, berichtet er. „Wir sehen es zum Beispiel an der Zahl und Qualität der Bewerbungen.“ Zumal es in der Branche nicht mehr selbstverständlich sei, dass sich überhaupt noch Mitarbeitende bewerben. „Das haben nicht alle.“

Digitalisierung erleichtert Einstellungen

Der Begriff Familienfreundlichkeit täuscht ein wenig darüber hinweg, dass die entsprechenden Bedürfnisse der Mitarbeitenden sehr unterschiedlich sein können. „Was uns ausmacht, ist das individuelle Gespräch und die Kommunikation“, sagt Gitte Müller, Personalreferentin bei der Friedrich Bähr GmbH & Co. KG in Bremen. In dem Familienunternehmen, das von zwei Vätern geführt wird, hat dieser Ansatz eine lange Tradition. „Viele Mitarbeitende sind schon lange hier und sagen, dass sie wegen des familiären Umfelds geblieben sind“, berichtet Müller. Über die Jahre sei das Unternehmen auf rund 160 Beschäftigte angewachsen und die Geschäftsführung habe diese Aufgaben an die Personalabteilung übergeben.

Klassische Anfragen sind beispielsweise die Rückkehr von Müttern in Teilzeit, die Ermöglichung häuslicher Pflege oder die Bitte, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im Zweischichtsystem arbeiten zu müssen. „Meistens haben die Kolleginnen und Kollegen dafür Verständnis“, sagt Müller. Das Maß an Flexibilität sei jedoch von der jeweiligen Tätigkeit abhängig. „Im Lager müssen alle im Schichtsystem arbeiten.“ Dennoch werde versucht, die individuelle Situation zu berücksichtigen, um auf besondere Situationen wie die Geburt eines Kindes zu reagieren oder um eine andere Aufgabe zu finden, wenn jemand – zum Beispiel – nicht mehr den ganzen Tag Lkw fahren könne. Im Zuge des Wachstums arbeite das Unternehmen an Vereinheitlichungen der Regelungen, allerdings werde den Abteilungen ausreichend Freiraum gegeben, eigene Lösungen zu finden, die zu ihrem Bedarf passen.

Eine besondere Chance zur Steigerung des Arbeitskräftepotenzials ergreift die Firma Friedrich Bähr aktuell mit dem Umzug zum neuen Standort am Arsterdamm, wobei die Logistik den Anfang macht: Durch die Einführung neuer Digitalisierungslösungen – zum Beispiel eines komplexen Lagerverwaltungssystems und einer Warenerfassung durch Handscanner – kann individueller auf die Bedürfnisse der Menschen eingegangen werden, die im Lager arbeiten. Bei Verständigungsproblemen wird es damit unter anderem möglich sein, die Geräte auf unterschiedliche Sprachen einzustellen. Darüber hinaus reduzieren optimierte Wege und die digitale Unterstützung auch die körperliche Belastung für die Mitarbeitenden, sodass der Job sich für weitere Zielgruppen öffnet.