Ein Leben nach Plan B

Michael Krähe hatte kein großes Interesse an fremden Ländern, ehe er einen Wettbewerb des japanischen Außenministeriums gewann. Erst bereiste er das Land, später wurde es zu seiner Heimat. Dieser Hintergrund führte ihn später nach Bremen – wo er jetzt ein Fahrradgeschäft betreibt.

Michael Krähe, 58 Jahre alt
Cyclyng Bike & Café
Inhaber
6 Beschäftigte

Es ist 1985. Michael Krähe studiert Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen. Er hat eigentlich kein großes Interesse an fremden Ländern, reist – wenn überhaupt – mit Interrail mal hierhin, mal dorthin und ist immer froh, wieder zuhause zu sein. Dann entdeckt er eine Anzeige des japanischen Außenwirtschaftsministeriums. Es ist ein Aufsatzwettbewerb. „Mein Bild von Japan.“ Er hat nur eins aus der Ferne, aber macht mit – und gewinnt einen zweiwöchigen Aufenthalt im Wirtschaftswunderland der Achtziger.

Zu diesem Zeitpunkt ist Krähe 22 Jahre alt. Mit seiner Reisegruppe besichtigt er modernste Fabriken und uralte Tempel, schaut auf mit Gold eingefärbte Eiswürfel im Pissoir einer Disco. Es sind nicht nur die Eiswürfel, es ist dieses Land mit seinen vielen Facetten, das ihn fortan fasziniert. Nach seinem Studienabschluss 1990 geht er mit einem DAAD-Stipendium zurück nach Japan, lernt japanisch und seine Ehefrau kennen. Später geht er als Ingenieur für Hochtief nach China und Malaysia. Aber es ist Japan, wo er leben will.

„Ich habe mich in Japan immer sehr wohl gefühlt“, sagt er heute. „Auch wenn Freundschaft dort ganz anders funktioniert als in Deutschland. Man lernt recht schnell Freunde über die Uni oder die Arbeit kennen, aber ab einem gewissen Punkt vertiefen sich die Freundschaften nicht weiter.“ Krähe arbeitet auch als Dozent für Management an japanischen Hochschulen. Es war sein Plan B, ohne dass er es wusste.

2009 wird sein Vertrag aufgelöst. Krähe ist kein Expat, sondern lokaler Angestellter, zuletzt als Geschäftsführer in Yokohama. Er findet keinen neuen Job und geht mit seiner Familie zurück nach Deutschland. Der gebürtige Mönchengladbacher kommt 2010 nach Bremen – als Studiengangsleiter für Internationale Wirtschaft an einer neu gegründeten privaten Hochschule.

Und wieder hat Krähe einen Plan B, der erst noch keiner ist. Der leidenschaftliche Radfahrer baut Rennräder zusammen. Erst aus Spaß. Dann wird’s ernst. Als die Hochschule verkauft wird, bringt ein Coach es auf den Punkt. „Warum machen Sie sich nicht selbstständig?“ Für Krähe erst undenkbar und dann die Lösung. „Ich bin kein guter Angestellter. Wenn ich etwas nicht logisch finde, dann frage ich nach und versuche, es zu verstehen. Auch wenn es manchmal schlauer wäre, die Klappe zu halten.“

Es ist 2021. Vor drei Jahren hat Krähe mit „Cyclyng“ sein Fahrradgeschäft mit Café in der Überseestadt eröffnet. Seine Frau arbeitet im Café, sein Sohn, der an der Hochschule Bremen studiert, jobbt dort. Und nun? Gibt es wieder einen Plan B? Vielleicht. „Es macht noch mehr Spaß, einen Laden zu planen und zu eröffnen als ihn zu führen“, sagt Krähe. Aber er mag sein Geschäft. Und natürlich auch immer noch Japan. Sein Bild von Japan.