Zivile Drohnen sind auf dem Weg, ein ernstzunehmender Wirtschaftsfaktor zu werden. Der Nordwesten hat aufgrund seiner starken Luftfahrtindustrie und der geografischen Gegebenheiten sehr gute Chancen, von dem Trend zu profitieren.
Mehr als 1600 Offshore-Windenergieanlagen waren zum Jahresbeginn 2025 bereits an den deutschen Küsten in Betrieb – innerhalb der nächsten 20 Jahre soll sich die Menge des produzierten Stroms dort noch einmal versiebenfachen. Die Wartung der Anlagen auf hoher See ist jedoch aufwändig, gefährlich und teuer. Drohnen können helfen, die Kosten zu reduzieren, indem sie Material befördern und den Einsatz von Hubschraubern oder Spezialschiffen reduzieren. Im Jahr 2026 soll ein neues Gesetz die rechtlichen Grundlagen dafür in Deutschland schaffen. Technologien für zahlreiche Anwendungen sind bereits weit fortgeschritten – die Pioniere der „Drone Economy“ sind „ready for take-off”.
Die Dynamik des Themas zeigte sich bei den „Drone Days“, die Ende August im Nordwesten stattfanden. Rund 300 Besucher am Airport Bremen und 400 einen Tag später am Flugplatz Oldenburg-Hatten zeigten sich begeistert von dem Event, das die Potenziale der Technologie nicht nur in Fachvorträgen, sondern auch in der Praxis demonstrierte. Aussteller aus mehreren europäischen Ländern waren zu dem Event angereist, das zum zweiten Mal stattfand und künftig jährlich ausgerichtet werden soll.
In dem Erfolg und der überregionalen Aufmerksamkeit für die Veranstaltung zeigte sich, wie der Nordwesten künftig im Wettbewerb um die Zukunftstechnologie bestehen kann. Die Initiatoren von der BRM IT & Aerospace GmbH hatten frühzeitig auf den wachsenden Markt gesetzt, verfügbare Nischen identifiziert und die Vorteile genutzt, die Bremen und Umgebung bieten.
Hohe Komplexität macht Region zum idealen „Reallabor“
Die Idee für die Drone Days entstand beispielsweise am Rande der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin, die auch das Thema Drohnen abdeckt. „Uns fehlte keine weitere Messe“, berichtet BRM-Geschäftsführer Harald Rossol. „Was uns fehlte, war ein Raum, in dem wir viele Projekte kurz vorstellen und miteinander ins Gespräch kommen können – vom Motorenhersteller bis hin zu denjenigen, die nur an den erzeugten Datenpaketen interessiert sind.“ Darüber hinaus werde auf einer klassischen Messe „viel ausgestellt, aber nicht geflogen“. Auf dem Flugplatz Oldenburg-Hatten verfügt BRM über die Genehmigung, unbemannte Fluggeräte parallel zum normalen Flugbetrieb starten und landen zu lassen. Kommerzielle Drohnen können dort auch im Einsatz gezeigt werden.
Der Flugplatz Hatten ist damit ein wichtiger Baustein einer deutlich größeren Initiative, der Advanced Air Mobility Initiative Nordwestdeutschland. Rund 200 Unternehmen und Institutionen haben sich darin zusammengefunden, um die Region zu einem länderübergreifenden Reallabor für Drohnentechnologie zu entwickeln. Neben BRM gehören auch der Aviaspace Bremen e.V., die Droniq GmbH, die Flugschule Borkum GmbH, das Fraunhofer IFAM, der Offshore-Drone-Campus-Cuxhaven (ODCC) und die Optoprecision GmbH zu den treibenden Kräften. Gemeinsam wollen sie Wege finden, die Drone Economy zu ertüchtigen und die Interaktion der bemannten mit der unbemannten Luftfahrt sicher zu gestalten. Die geografischen Voraussetzungen dafür sind ideal: „Im Nordwesten haben wir Ballungszentren, ländliche Räume, die Deutsche Bucht, das Windenergiegebiet Nordsee und starke Winde – und damit eine hohe Komplexität“, erklärt BRM-Co-Geschäftsführer Markus Rossol. Dies werde auch überregional so gesehen: „Wir sind ein wahrnehmbares Gewicht zwischen Nord und Süd.“
Regulierung schafft notwendigen Rahmen
Einfach drauflos fliegen ist für die Beteiligten jedoch nicht möglich. Kommerzielle Drohnenflüge müssen genehmigt werden – ein Prozess, der reif ist für die Entbürokratisierung, denn er kann insgesamt neun bis zwölf Monate dauern. „Stellen sie sich vor, sie planen einen Lkw-Transport und müssen sich vorher erstmal die Strecke genehmigen lassen“, so Harald Rossol. „Und dann dauert es ein Dreivierteljahr, bis sie eine Genehmigung haben. Für Unternehmen ist das eine Katastrophe.“
Er möchte das nicht als Schuldzuweisung an die Behörden verstanden wissen, denn das Feld sei neu, die Ämter unterbesetzt und die Sicherheit habe höchste Priorität. Eine Teillösung des Problems steht jedoch bereits in Aussicht, denn die EU hat eine Drohnen-Verordnung erlassen, die alle Mitgliedsstaaten verpflichtet, entsprechende Strukturen aufzubauen. In Deutschland soll die gesetzliche Umsetzung 2026 erfolgen. Konkret geht es darum, sogenannte „U-Spaces“ einzuführen, in denen Drohnenflüge deutlich vereinfacht werden. Wie und wo die eingerichtet werden, ist noch unklar, aber der Nordwesten wird mit Sicherheit ein wichtiger Teil der Überlegungen sein.
Ziel: Leitstelle für überregionale Drohnenflüge in Bremen
Ein weiterer wichtiger Punkt des Gesetzes ist die Entlastung der Behörden, indem bestimmte hoheitliche Aufgaben an private Akteure abgegeben werden. Dafür ist die Einführung sogenannter „U-Space Service Provider“ (USSP) vorgesehen, die bestimmte Leistungen für kommerzielle Drohnenprovider anbieten müssen und auch die Genehmigungen übernehmen, beispielsweise für die Flugfreigabe. Die Basis dafür bildet eine umfassende Zertifizierung. BRM ist aktuell einer von fünf Antragstellern in Deutschland für die Rolle als USSP. Das Bremer Unternehmen will jedoch noch weitergehen und als Leitstelle für Drohnenflüge agieren, die außerhalb der vorgesehenen Use Spaces fliegen wollen. Der rechtliche Rahmen dafür ist noch nicht in Aussicht, aber die Rossols sind zuversichtlich, dass er kommen wird, denn der Drohnenbetrieb werde nicht dauerhaft auf einzelne Reservate beschränkt sein, ohne die Möglichkeit, hinein- und hinauszufliegen.
Die beiden Unternehmer sehen vielfältige Anwendungspotenziale der Technologie in den kommenden Jahren, wenn die Rahmenbedingungen geschaffen sind. In Bremen und Umgebung gebe es viele Akteure, die diese Marktlücken bearbeiten können. „Bremen ist pro Einwohner betrachtet der stärkste Luftfahrtstandort in Deutschland“, betont Markus Rossol. Ein Beispiel für die lokale Kompetenz ist der „Rochen“, den die Firma Optoprecision in Kooperation mit BRM und dem Institut für Umweltphysik der Universität Bremen für das Umwelt-Monitoring entwickelt hat. Damit ist es möglich, an den Ort einer Verschmutzungsquelle vorzudringen und direkte Messungen durchzuführen, wie es unter anderem bei Schiffsemissionen hilfreich wäre.
Der Rochen ist in der Lage, ohne Bodeninfrastruktur vertikal zu starten und zu landen, und er kann Nutzlasten aller Art transportieren, sodass er nicht nur für das Umweltmonitoring geeignet ist. „Viele Aufgaben werden durch Drohnen vergünstigt oder erst ermöglicht“, so Markus Rossol. „Die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen.“
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Die Co-Geschäftsführer der BRM IT & Aerospace GmbH, Markus (l.) und Harald Rossol, wurden kürzlich mit dem Innovationspreis „Motor des Nordens“ ausgezeichnet. Damit würdigte die Jury die Entwicklung eines Kontrollsystems für zivile Drohnen, den Ausbau des Flugplatzes Hatten zum Drohnen-Versuchslabor und die Organisation der Drone Days, die sich zu einem Branchentreff mit internationaler Strahlkraft entwickelt haben.
Foto: Karsten Klama