DIHK-Präsident Peter Adrian: Die Wirtschaft braucht jetzt einen spürbaren Investitions-Ruck in Deutschland  

Die Unternehmen in Deutschland erwarten von der künftigen Bundesregierung deutlich mehr Tempo und ein besseres Umfeld für Investitionen. Das zeigt unsere Umfrage unter rund 3.500 Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich ehrenamtlich in den 79 Industrie- und Handelskammern engagieren.

Wir wissen aktuell noch nicht, wer letztlich regieren wird. Was die Regierung aber berücksichtigen sollte, sind die wichtigsten Zukunftsthemen der Wirtschaft: Digitalisierung, Klimaschutz und der Fachkräftemangel. Die Betriebe haben die Sorge, dass Deutschland hier zunehmend an Boden verliert. Sie bewerten die meisten Standortfaktoren deutlich negativer als noch vor vier Jahren. 
Zukunftsfähigkeit braucht Investitionen  
Richtschnur für einen neuen Koalitionsvertrag sollte vor diesem Hintergrund sein, private und öffentliche Investitionen zu fördern. Die Unternehmen sehen sich durch komplexe Regulierungen, langwierige Verfahren und praxisferne Vorgaben gebremst. Dabei liegt die Bürokratie als Schlusslicht nochmals unterhalb der Bewertung von 2017. Gerade nach den Erfahrungen der Corona-Krise fordern die Unternehmen immer nachdrücklicher, sich nicht mehr mit unklaren Regelungen und sich wiederholenden Datenangaben in Papierform befassen zu müssen – wenn es doch längst digitale Möglichkeiten dazu gibt. Deutschland darf zwar weiterhin besonders gründlich sein, aber nicht langsamer als die Welt um uns herum. 
Blockaden lösen 
Auch schleppende Genehmigungen und komplexe, teilweise unterverständliche Regelungen sind Hemmschuhe für Investitionen, sie sind aber auch eine Hauptursache für die nur mäßige Gründerfreundlichkeit Deutschlands. Ein weiteres Problem ist die geringe Verfügbarkeit von Gewerbeflächen. Unternehmen, die neue Standorte aufbauen oder sich vergrößern möchten, können häufig kaum geeignete Grundstücke finden. Der Zeitraum bis zur Fertigstellung neuer Gebäude oder Anlagen zieht sich durch das langwierige Planungsrecht zudem oft zu lange hin. Dabei sind gerade in der Klimakrise Neu- und Erweiterungsinvestitionen notwendig, um schnell in neue Technologien einzusteigen. 

Digitalisierung als zentrales Thema 

Als zentrales Thema für die künftige Bundesregierung sehen die Unternehmerinnen und Unternehmer mit großer Mehrheit die Digitalisierung. Ohne eine leistungsfähige digitale Infrastruktur und eine schnelle Verwaltung wird Deutschland seine großen Zukunftsaufgaben im weltweiten Wettbewerb nicht bewältigen können. Das große Defizit im Bereich der digitalen Infrastruktur muss dringend beseitigt werden. Glasfaseranschlüsse bis in die Gebäude hinein und flächendeckende Mobilfunkversorgung sind eine entscheidende Voraussetzung für die Vernetzung der Unternehmen.
Energiepreise: Einstieg in Lösungen nötig 
Bei Strom- und Energiepreisen ist die Belastungsgrenze für vielfach inzwischen erreicht oder überschritten, das zeigen die Rückmeldungen aus den Betrieben. Bei den gewerblichen Strompreisen ist Deutschland in fast allen Verbrauchsgruppen europäischer Spitzenreiter – die Bewertung sackt hier daher am stärksten ab. In der Industrie vergeben die mittelständischen Unternehmen bei den Stromkosten eine glatte fünf. Die nationale Sonder-CO2-Bepreisung fossiler Brennstoffe treibt die Energiekosten vieler Industrieunternehmen weiter in die Höhe und belastet deren Wettbewerbsfähigkeit auch innerhalb Europas. Das bremst Investitionen in klimafreundliche Antriebe, Technologien und Produktionsanlagen. So haben die Unternehmen im letzten Jahr insgesamt 13 Prozent weniger in Ausrüstung wie Maschinen und technische Anlagen investiert.  

Die Klimapolitik muss den Wettbewerb im Blick behalten

Klimaneutralität werden wir nur mit umfangreichen privaten Investitionen erreichen können. Deutschland soll im Jahr 2045 klimaneutral sein. Dies bedeutet, dass Industriebetriebe ihre Produktionsverfahren auf klimaneutrale Brennstoffe umstellen müssen. Die Unternehmen sehen bislang zu 75 Prozent nicht die notwendigen Rahmenbedingungen für ihre Investitionen gegeben. Dazu zählen vor allem die hohen Kosten für Energie und Strom, die den Unternehmen hierzulande im Vergleich zu ihren Wettbewerbern in anderen Ländern mehr Kapital entziehen. Klimapolitik muss investitionssicher und wettbewerbsfähig gestaltet werden, so die Überzeugung der Unternehmen. 

Unternehmenssteuern als Hemmnis für Innovationen 

Um aus der Corona-Krise gut herauszukommen, müssen die Unternehmen investieren; dafür hilft ein investitionsfreundliches Steuersystem. Von den Unternehmen erhält das gegenwärtige Steuersystem nicht einmal mehr eine mittelmäßige Bewertung. 13 Jahre nach der letzten Reform ist eine Modernisierung der Unternehmensbesteuerung mehr als dringend. Sieben von zehn Unternehmen (71 Prozent) würden sogar zusätzliche Steuerbelastungen in Kauf nehmen, wenn das Steuerrecht insgesamt vereinfacht würde. Überdurchschnittlich oft bejahen dies vor allem kleinere Unternehmen. Komplexe steuerliche Regelungen belasten insbesondere die Betriebe, die nicht über eigene Steuerabteilungen verfügen. 
Fachkräftemangel auf der einen, System der Beruflichen Bildung auf der anderen Seite 
Eine gravierende Herausforderung stellt für die Unternehmen ist der demographisch bedingt zunehmende Fachkräftemangel. Nicht zuletzt braucht eine erfolgreiche Umsetzung von Innovationen, Digitalisierung und Klimaschutz kluge und gut ausbildete Menschen. Die Berufliche Bildung erhält als Garant für exzellente, in der Praxis ausgebildete Fachkräfte erneut eine Bestnote in der Befragung.  Es ist gleichzeitig wichtig, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern, damit Eltern in größerem Umfang und zeitlich flexibel am Arbeitsleben teilnehmen können. Auch der qualifizierten Zuwanderung kommt daher in den kommenden Jahren eine wachsende Bedeutung zu.