„Das Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft“

Der Investor Stefan Bellinger und Skinuvita-Gründer Jan Elsner arbeiten seit vier Jahren zusammen – mit Erfolg. Beide sehen im Land Bremen sehr großes Potenzial für Investitionen in Start-ups.

Wer neue Medizinprodukte auf den Markt bringen möchte, braucht viel Geld und einen langen Atem. Mindestens drei Jahre würden für klinische Studien und Zulassungen benötigt, berichtet Jan Elsner, der gemeinsam mit vier Mitstreiterinnen und Mitstreitern das Start-up Skinuvita gegründet hat. „Mit einem Medizinprodukt in unserer Risikoklasse ist man bei Millionenbeträgen, die man als Investition braucht“, sagt er. „Deshalb ist es total wichtig, ein gesundes Investorennetzwerk zu haben, auch als Stadt. Bremen hat sich in dieser Hinsicht enorm weiterentwickelt.“

Skinuvita bietet Systeme für Lichttherapien im eigenen Heim an, sodass Betroffene von Hautkrankheiten wie Schuppenflechte und Neurodermitis für die Bestrahlung während eines Schubes nicht mehr täglich den Dermatologen besuchen müssen. Nach der Erteilung der europaweiten Zulassung hat Skinuvita kürzlich mit der AOK Bremen den ersten Kassenvertrag für die Kostenübernahme abgeschlossen.

Ohne den Investor Stefan Bellinger, der bereits vor vier Jahren mit finanziellen Mitteln und Mentoring in das Start-up eingestiegen ist, hätte das Team wahrscheinlich nicht so lange durchhalten können – und wäre nicht in Bremen. In der Zwischenzeit haben sich mehrere weitere Institutionen beteiligt, wobei jeder auf unterschiedliche Weise zum Erfolg beiträgt. Bellinger bringt Know-how im Bereich Unternehmensführung ein und vermittelt bei Bedarf Kontakte zu anderen erfahrenen Unternehmerinnen und Unternehmern aus seinem weitverzweigten Netzwerk.

Ein weiterer Bremer Investor, Andreas Grund, bringt seine Erfahrungen bei der Durchführung von klinischen Studien ein. Die Berliner Agentur Brückenköpfe beteiligt sich unter anderem in Person eines ehemaligen AOK-Bundesvorstands. Die Bremer Aufbau-Bank (BAB) öffnet in der Hansestadt viele Türen, und als „Ritterschlag“ bezeichnet Bellinger den Einstieg des High-Tech Gründerfonds.

Kontaktaufbau über Start-up-Events

Das Start-up-Team, das aus dem Studium an der Universität Bremen heraus gründete, finanzierte sich in der Anfangsphase über Förderprogramme. Eine wichtige Rolle beim Aufbau von Kontakten spielte auch die regelmäßige Teilnahme an Start-up-Events, bei denen sich das Team präsentierte. „Das Networking und der Reputationsaufbau sind total wichtig“, sagt CEO Elsner.

Ein solcher Pitch führte zum Umzug nach Berlin, weil Skinuvita dort die Teilnahme an einem Förderprogramm für Gesundheits-Start-ups angeboten wurde. Erst das Angebot von Stefan Bellinger führte das Team zurück in die Hansestadt. Der Investor, der fast 40 Jahre lang sein Familienunternehmen Carbox geführt hatte, engagiert sich jetzt mit Leidenschaft für den Start-up-Standort Bremen. Sein Antrieb: „Natürlich möchte ich Geld verdienen, aber ich möchte auch den Erfahrungsschatz, den ich in meinen 40 Jahren als Unternehmer erworben habe, an die kommende Generation weitergeben.“

Das Land Bremen verfüge über technisch starke Universitäten und Hochschulen mit vielversprechenden Absolventinnen und Absolventen, so Bellinger. Beim Start-up-Turntable, den er mit initiiert hat, koordinieren sich zentrale Akteure wie die Handelskammer, die Universität, die Sparkasse, die BAB, die Investoren und der Start-up-Verband – alle auf höchster Ebene. Der regelmäßige Austausch sei ein enormer Fortschritt und zeige auch bereits Erfolge, allerdings mangele es manchmal noch am gebotenen Tempo bei der Umsetzung, sagt Bellinger. „Ich würde mir wünschen, dass man nicht zu lange überlegt, ob etwas ein Risiko hat. Natürlich hat jedes Start-up ein Risiko; 80 Prozent aller Start-ups scheitern und keiner weiß, wer die 20 Prozent sind. Aber wenn man nicht die zehn Ideen angeht, findet man auch nicht die zwei guten.“ Für Bremen sei diese Risikobereitschaft gepaart mit Schnelligkeit elementar wichtig. Nur so könne man junge Leute wie Jan Elsner und seine Mitgründer dafür begeistern, dass sie hier arbeiten und das Niveau des ganzen Standorts mit anheben.

Elsner selbst bestätigt, dass Geschwindigkeit ein zentraler Grund für die zwischenzeitliche Abwanderung nach Berlin war: Vom Pitch bei einem Event bis zum Förderangebot sei es dort sehr schnell gegangen. „Wenn der Prozess bei Beteiligungen oder Förderungen länger dauert, dann orientiert man sich um. Das ist ein Risiko, das wir in Bremen haben. Wir haben tolle Programme; das hat sich deutlich verbessert, aber andere Standorte sind noch wesentlich schneller.“

Gute Ideen gelangen nicht in die Umsetzung

Sowohl Bellinger als auch Elsner sehen noch erhebliche Chancen für potenzielle Investoren und Gründer in Bremen und Bremerhaven. „Das Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft“, sagt Bellinger. „Bremen ist nicht arm. Viele Unternehmer haben sich bereits für Start-ups engagiert – aber nicht hier. Mittlerweile haben wir die für Bremen begeistert. Das bürgerschaftliche Engagement und der Patriotismus sind hier stark ausgeprägt.“

Elsner beobachtet parallel eine starke Zunahme guter Ideen in der Start-up-Szene. „Richtig in die Gründung kommen davon aber nicht ganz so viele“, sagt er. „Diese Chancen zu nutzen wäre total spannend.“ Daher wäre es sinnvoll, Innovationen noch effizienter aus den Hochschulen heraus zu begleiten, wie es die Start-up Factory vorsehe (s. S. 22-25). „Die Lücke zwischen Frühphase und Markteinstieg könnte besser geschlossen werden.“

Bild oben:
Investor Stefan Bellinger und Skinuvita-Gründer Jan Elsner haben ein System für die Therapie von Hautkrankheiten zur europäischen Marktzulassung geführt und auf den Markt gebracht.
Foto: Jörg Sarbach