Mit dem ersten Lockdown im März 2020 sind in Dänemark innerhalb von vier Tagen landesweit alle Schüler und Lehrer reibungslos ins Homeschooling gewechselt. Wie und warum das funktioniert hat, berichtete der dänische Bildungsexperte Søren Nielsen bei einer gemeinsamen digitalen Veranstaltung der Handelskammer Bremen und des dänischen Honorarkonsulats. Nielsen ist Head of Division der National Agency for IT and Learning im dänischen Bildungsministerium und referierte zum Thema „Digitalisation in schools – learning from experiences in Denmark“.
Homeschooling und die damit verbundene Digitalisierung der Schulen ist eine der großen Herausforderungen nicht nur für das deutsche Bildungssystem. Während einige europäische Länder erst während der Corona-Pandemie entscheidende Schritte in diese Richtung gemacht haben, war Dänemark schon um Längen voraus. Zu Beginn des ersten Lockdowns sind innerhalb von vier Tagen landesweit alle Schüler und Lehrer reibungslos ins Homeschooling gewechselt.
Dänemark: Zehn Jahre, sechs Regierungen, eine Strategie
Die dänische Regierung hat bereits seit 2011 umgerechnet rund 70 Millionen Euro in die Digitalisierung des Schulsystems investiert. „In den vergangenen zehn Jahren hatten wir sechs verschiedene Regierungen mit verschiedenen politischen Richtungen, aber in der Strategie zur Digitalisierung des Schulsystems waren sie sich alle einig und haben die Ziele konsequent umgesetzt“, beschreibt Nielsen einen der Hauptgründe für die erfolgreiche Digitalisierung. Auf diesem Weg seien drei wichtige Entscheidungen getroffen worden. „Zunächst wurde in die Ausstattung der Schulen investiert. 2014 hatten alle Schulen in Dänemark ein funktionierendes WLAN“, sagt Nielsen.
Der zweite Schritt ab 2014 war die Entwicklung und Implementierung sowohl einer landesweit einheitlichen Plattform zur Kommunikation zwischen Lehrern, Eltern und Schülern als auch einer digitalen Lernplattform: Über einen individuellen Login haben Schüler und Lehrer jederzeit Zugriff auf mehr als 500 Lernquellen. 2018 begann die Umsetzung des dritten Schritts: „Technologisches Verständnis“ wurde ab Klasse 1 verpflichtend in den Unterricht integriert, sei es als eigenes Fach oder eingebettet in andere Fächer.
Hohe Bereitschaft, digitale Tools zu nutzen
„Mit dem Wechsel ins Homeschooling wurde deutlich, dass die Lehrer nicht nur digitale Tools zur Verfügung haben, sondern auch eine hohe Bereitschaft und Kompetenz besitzen, sie zu nutzen“, berichtet Nielsen. Parallel dazu habe auch die jahrelange Zusammenarbeit zwischen Schulbuchverlagen und Betreibern der Lernplattformen dazu geführt, dass sämtliche Lernquellen allen dänischen Schülern digital zur Verfügung stehen. „Nicht alle Lehrer und regionalen Behörden waren von unserer digitalen Lernplattform überzeugt, wir haben sie auch nicht dazu gezwungen sie zu nutzen“, sagt Nielsen. „Aber es waren sich alle einig, dass nur eine einheitliche Plattform für alle sinnvoll ist und darum habe alle Schulen und Lehrer mitgezogen.“
Homeschooling verhindert keine Einsamkeit
Aktuelle Studien hätten ergeben, dass sich die dänischen Schüler während der Corona-Pandemie nicht verschlechtert, sondern im Durchschnitt sogar verbessert haben. Allerdings habe sich bei detaillierter Betrachtung auch gezeigt, dass die ohnehin guten Schüler eher besser, aber die schwächeren Schüler eher schlechter geworden seien. „Etwa ein Viertel aller Neuntklässler hat bei einer Umfrage angegeben, unter mangelnder Motivation und Einsamkeit zu leiden“, erzählt Nielsen. „Das sind Aspekte, die wir trotz aller Erfolge der Digitalisierung nicht vergessen dürfen. Die digitalen Tools sind nicht nur in Pandemie-Zeiten eine sehr gute Ergänzung, um guten Unterricht und Wissen zu vermitteln. Aber sie können nicht das gemeinsame Lernen und den persönlichen Kontakt ersetzen.“