Lebensmittelforum lotet Zukunft der Ernährung aus

Kalorienarme Eiscreme, Superwasser, vegane Hähnchen-Filetstreifen, Protein-Drinks, nachhaltiger Tee und Algen als Zutat: Wer mit offenen Augen den Wocheneinkauf erledigt, merkt, wie stark sich die Lebensmittelbranche verändert. Beim Lebensmittelforum Bremerhaven 2024 hat ein Fachpublikum jetzt die zentralen Trends zu Prozessen, Ressourcen und Produktentwicklung erkundet.

„Die Lebensmittelindustrie ist ein zentraler Wirtschaftszweig für Bremen und Bremerhaven“, betonte Staatsrat Kai Stührenberg vom Referat für Wirtschaft, Häfen und Transformation, als er den von der BIS Wirtschaftsförderungsgesellschaft und der Messe Bremen organisierten Kongress im Fischbahnhof Bremerhaven eröffnete. „Unser Ziel ist es, die Einzigartigkeit der vorhandenen Strukturen zu bündeln, um so die Synergien zum Wohl von Mensch, Wirtschaft und Umwelt zu nutzen.“

Die Richtung geben die Verbraucherinnen und Verbraucher vor. Mit mehr als 1.300 Marktforschern in über 90 Ländern und einer 150 Millionen Produkte umfassenden Datenbank hat das Marktforschungsunternehmen Innova den Finger am Puls der globalen Lebensmittelbranche. Hannah Dammann hatte die wichtigsten Trends mit nach Bremerhaven gebracht.

Transparente Kommunikation ist wichtig

Einer der beiden großen Motivatoren beim Einkauf sei die Nachhaltigkeit, sagte die Fachfrau und nannte den Trend „Nurturing Nature“. Direkt damit im Zusammenhang steht der Trend „Minimizing the Noise“ zur Kommunikation der Nachhaltigkeit. „Vertrauen schaffen, ehrlich sein und klar kommunizieren“, unterstrich Dammann die Wünsche der Kundinnen und Kunden. „Die vielen Labels und Logos verunsichern eher als dass sie aufklären.“ Laut einer Innova-Studie wollen die Verbraucher dabei vor allem mehr Naturschutz, nachhaltige und verwertbare Verpackungen sowie eine bessere Verwertung der Produktionsreste und Abfälle.

Diesen Faden nahmen mehrere Referenten des Lebensmittelforums auf. Vom 2022 gegründeten Klimabündnis Climate Corporation Fischereihafen (CCF) berichtete Timo Mahler, Leiter Technik und Energiemanagement bei der Deutsche See GmbH. „Was mit fünf Betrieben begonnen hat, ist inzwischen auf eine Zahl von 39 Firmen angewachsen“, sagte Mahler. Durch die Nutzung von Windkraft und Photovoltaik, die Optimierung der Warenströme sowie den Einsatz von Güterzügen und Elektro-/Wasserstofffahrzeugen wolle man bis 2030 klimaneutral werden.

Aus Abfall werden Beiprodukte

„Anstatt von Abfall zu sprechen, sollten wir nur von Produkten und Beiprodukten reden, immer mit dem Ziel, ungenutzte Potenziale zu erkennen und zu nutzen“, erklärte Andreas Tobey, Produkt Manager der Nordischen Maschinenbau Baader GmbH, wie durch optimierte mechanische Prozesse Fisch und Geflügel in der Lebensmittelproduktion zu 100 Prozent verwertet werden können. Elke Böhme, Gruppenleiterin Lebensmitteltechnologie und Humanernährung vom Fraunhofer IMTE, pflichtete bei: „Dieses ‚Upcycling‘ trägt nicht nur zur Reduzierung von Lebensmittelabfall bei, sondern schafft auch neue Nahrungsquellen.“ In ihrem Vortrag demonstrierte sie, wie aus Restströmen der Fischindustrie bereits ein gesunder Omega-3-Fettsäuren-Snack entwickelt werden konnte.

Gesundheit war ein weiterer großer Trend, den Hannah Dammann als „Prioritizing Prevention“ identifizierte. „Dem Verbraucher ist bewusst, dass er mit einer ausgewogenen Ernährung gesund altern kann“, sagte sie und nannte Gewicht, Herz- und Knochengesundheit als Hauptsorgen der Verbraucher. Gesunde Ernährung müsse dabei nicht mehr mit Verzicht einhergehen, versicherte sie unter der Überschrift „Indulging in Health“. Produkte wie eine kalorienarme Eiscreme ohne Süß-, Geschmacks- und Farbstoffe bringen Gesundheit und verwöhnenden Genuss zusammen.

Zutaten stehen im Rampenlicht

Grundlage sowohl für Nachhaltigkeit als auch für Gesundheit ist das Thema Zutaten, das Hannah Dammann als Trend Nummer Eins, „Ingredients: Taking the spotlight“, beschrieb. „Ich glaube, dass das Thema Zutaten sehr groß ist“, verwies sie darauf, dass jeder dritte Verbraucher intensiv die Zutatenliste studiere. Laut einer Innova-Studie sehen 42 Prozent der globalen Konsumenten Proteine als wichtigste Zutat, was zunehmend auch prominent auf den Verpackungen kommuniziert wird. Dies erstrecke sich auch auf elementare Lebensmittel wie Wasser. „Wir trinken nicht mehr, wir hydrieren“, fasste Dammann eine Innova-Erkenntnis zusammen. Mit Zusätzen wie Elektrolyten angereichertes „Superwasser“ sei ein weiterer großer Trend, sagte sie und betitelte ihn „Quenching the Future“.

Käse geht auch ohne Kuh

Seit vielen Jahren im Trend liegen dabei pflanzenbasierte Lebensmittel. Unter dem Titel „Plant-based: The Rise of Applied Offerings“ berichtete Dammann von jährlichen Wachstumsraten in Deutschland von 50 Prozent. Bekannte Formate wie vegane Filetstreifen oder Aufschnitte motivierten Konsumenten dazu, Neues auszuprobieren. Pflanzliche Lebensmittel würden konstant als gesünder wahrgenommen, sagte Hamann, aber zunehmend auch als vielfältige Bereicherung im persönlichen Speiseplan.

Dass Zutaten und Lebensmittel zukünftig dank fortschreitender Technik nicht mehr zwingend konventionell hergestellt werden müssen, verdeutlichten zwei Vorträge des Lebensmittelforums. Monika Brückner-Gümann vom Berliner Start-Up Formo Bio GmbH präsentierte den Käse ohne Kuh. Bei der Präzisionsfermentation werden mit natürlichen, optimierten Mikroorganismen maßgeschneiderte Biomoleküle hergestellt. Mit so gewonnenen Proteinen will Formo Bio noch in diesem Jahr einen Frischkäse auf den Markt bringen. Ebenfalls über die Präzisionsfermentation nutzt Vanessa Wegat vom Fraunhofer IGB das Alt-Speiseöl aus der Gastronomie für die umweltschonende Lebensmittelproduktion einer veganen, gluten- und sojafreien Fischalternative mit authentischer Protein-Faserstruktur.

Potenzial der Meere ausschöpfen

Einen wahren Fundus von Zutaten offerieren dabei Produkte aus dem Meer. Unter dem Trend „Oceans of Possibilities“ fließen laut Hannah Dammann viele Trends zusammen, wenn neben Fisch auch Algen und Mikroalgen genutzt werden: „Sie sind pflanzenbasiert, natürlich, nachhaltig und höchst nahrhaft.“ Auch Antje de Vries, Beraterin der Gastronomie und selbsternannte Food-Nomadin, pflichtete in ihrem Vortrag bei: „Es ist Zeit mit dem Blick auf die Natur und auf das Ökosystem Meer gemeinsam neue kreative Lösungen zu entwickeln“, warb sie unter anderem für die vielfältigen Potenziale von Algen.

Ein Fazit des 7. Bremerhavener Lebensmittelforums zog BIS-Geschäftsführer Nils Schnorrenberger: „Wir haben gezeigt, wie viel Potenzial und innovative Energie in der Lebensmittelindustrie steckt. Die Resonanz mit knapp 100 Gästen aus ganz Deutschland zeigt deutlich, welchen Stellenwert der Standort Bremerhaven in der Branche hat.“

Das 8. Bremerhavener Lebensmittelforum findet am 24. Juni 2025 statt.

Foto oben:
Von links: Moderatorin Christa Krewel mit BIS-Geschäftsführer Nils Schnorrenberger, Staatsrat Kai Stührenberg und Oberbürgermeister Melf Grantz.
Foto: Antje Schimanke