Ausblick 2023: Handelskammer fordert bessere Nutzen-Kosten-Analysen in der Landespolitik

Die meisten Unternehmen haben in diesem Jahr trotz multipler Krisen den Kopf über Wasser gehalten. In Zukunft kann dies bei gleichzeitiger Bewältigung der Klima- und Energiekrise nur gelingen, wenn politisch der nötige Rahmen gesetzt wird.

Aus Sicht der Wirtschaft geht das Jahr 2022 glimpflicher zu Ende als zwischenzeitlich erwartet. Prognosen für 2023 sind angesichts der vielen Unsicherheiten schwierig, jedoch ist bereits jetzt klar: Die Politik hat auf Landesebene erhebliche Chancen, den Ausblick für die kommenden Jahre positiv zu beeinflussen. Dafür muss sie jedoch an einigen wichtigen Stellschrauben drehen, beispielsweise bei der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, den Investitionen in alternative Energien, der Hafenentwicklung, den Gewerbeflächen und der Berufsorientierung. Diese und weitere dringende Handlungsfelder nannten Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht und Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2022 und des Ausblicks 2023 am 13. Dezember im Schütting.

Aufholtendenzen in der Industrie

Der Start ins Jahr 2022 begann mit der Hoffnung, dass sich die wirtschaftliche Erholung mit dem Ausklingen der Pandemie kontinuierlich fortsetzen würde. Ende Februar griff Russland jedoch nach 2014 zum zweiten Mal die Ukraine an und „was sich dadurch ausgelöst hat für die Wirtschaft, das war schon enorm“, betonte Präses Dubbers-Albrecht. Zunächst sei es angesichts der Flüchtlingsströme um die Hilfsangebote gegangen, dann um die Versorgungssicherheit im Energiebereich und schließlich vor allem um die drastisch gestiegenen Energiepreise. „Es gibt Unternehmen, die wirklich am Rande ihrer Existenz stehen“, so Präses Dubbers-Albrecht. Die Energiepreisbremse sei wichtig – sie habe kurzfristig für Planungssicherheit gesorgt und „die Gemüter beruhigt“. Für die Zukunft bestehe allerdings weiterhin eine große Unsicherheit.

Angesichts der massiven Preissteigerungen, verbunden mit Lieferengpässen bei Rohstoffen, Materialien und Vorprodukten, lief es für die bremische Wirtschaft im Jahr 2022 insgesamt noch vergleichsweise gut. „Bei den Konjunkturumfragen haben wir in Richtung 2023 sehr viele negative Tendenzen, allerdings ist das erfreulicherweise bisher noch nicht durchgeschlagen, sondern wir haben noch eine gewisse Stabilität in der Wirtschaft“, berichtete Hauptgeschäftsführer Dr. Fonger. Für die erste Jahreshälfte hätten die statistischen Landesämter für Bremen sogar ein Wachstum von +5 Prozent errechnet. „Das sind natürlich große Nachholeffekte aus der Coronakrise, aber es ist deutlich mehr gewesen als im Bundesdurchschnitt, der bei 2,8 Prozent liegt.“ Allerdings handele es sich um vorläufige Zahlen, die aufgrund großer Unsicherheiten nur als Indikator gesehen werden sollten.

Deutliche Aufholtendenzen zeigten sich laut Fonger in der bremischen Industrie, wo der Umsatz in den ersten drei Quartalen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 40 Prozent zulegte und damit wieder ungefähr das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2019 erreichte. Treiber des Wachstums seien beispielsweise der Fahrzeugbau und die Luft- und Raumfahrt gewesen.

Landesregierung muss die Einnahmebasis verbessern

Die weiterhin schwierige Lage bei der Energieversorgung wird die Wirtschaft trotz der vorübergehenden Strompreisbremse auch im kommenden Jahr intensiv beschäftigen. „Wie sehr die stark exportorientierte bremische Wirtschaft 2023 von der konjunkturellen Abschwächung betroffen sein wird, hängt auch davon ab, ob und in welchem Maße die Kostensteigerungen in der Produktion zu einer Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit führen“, sagte Dr. Fonger.

Die nächste Landesregierung muss nach der Bürgerschaftswahl 2023 aus Sicht der Handelskammer daher alle Kraft in eine wirtschaftsstärkende Politik setzen, um Wachstumsimpulse zu generieren und damit die Einnahmebasis des Landes langfristig zu verbessern.

Präses Dubbers-Albrecht: „Bremen steht vor der Herausforderung, trotz hoher Verschuldung und weiterhin drohender Haushaltsnotlage die Folgekosten des Kriegs in der Ukraine zu bewältigen, Klimaschutzmaßnahmen in erheblichem Umfang zu finanzieren und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes durch Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastrukturen langfristig zu sichern und zu verbessern.“

Wichtig, so Präses Dubbers-Albrecht, sei eine konsequente Nutzen-Kosten-Analyse. In Hinsicht auf die Folgen des Klimawandels und die Energieversorgung sei es ebenfalls dringend geboten, mögliche Chancen für die Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven abzuleiten: „Der Nordwesten ist mit Blick auf Offshore-Windenergie oder Energiekooperationen mit Norwegen und den Niederlanden ein wichtiger Knotenpunkt. Diese Rolle wird durch den Ausbau von Windparks sowie die Inbetriebnahme von Terminals für Flüssiggas und künftig Wasserstoff weiter zunehmen.“

Kredite nur für wichtige Investitionen verwenden

Der Präses warnte angesichts des geplanten bremischen 3-Milliarden-Euro-Pakets zur Bewältigung des Klimawandels und des Ukraine-Kriegs vor den hohen Folgekosten. Bereits der 1,2-Milliarden-Euro-Pandemiefonds koste das Land jährlich 40 Millionen Euro an Tilgung und Zinsen – trotz der deutlich günstigeren Konditionen für Kredite, als sie jetzt verfügbar sind. „Man mag sich gar nicht vorstellen, was das zukünftig an Belastungen für die Haushalte darstellen wird“, so Präses Dubbers-Albrecht.

Daher sei es entscheidend, dass die Mittel – wenn überhaupt – investiv ausgegeben werden, nicht konsumtiv. Dazu benötige es ein transparentes Controlling, damit keine laufenden Ausgaben in diesen Topf geschoben würden. Als Beispiel für Maßnahmen mit einem guten Nutzen-Kosten-Verhältnis nannte er unter anderem die Umstellung der Stahlwerke auf den Betrieb mit Wasserstoff, die Weiterentwicklung des ÖPNV, die bessere Verknüpfung der Energie-Pipelinesysteme, die Entwicklung der Häfen als Umschlagsorte für Energie und CO2 sowie die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude.

Um Investitionen in den Klimaschutz zügig umsetzen zu können, benötige es jedoch auch mehr Unterstützung – oder weniger Behinderung – durch Politik und Verwaltung. „Das ist etwas, das uns als Wirtschaft nicht nur 2022, sondern schon seit Jahren massiv stört und beeinträchtigt“, betonte Präses Dubbers-Albrecht. „Nämlich, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren so elend lange dauern – man muss das auch so deutlich sagen.“

Berufsorientierung stärken, statt Unternehmen weiter zu belasten

Ein weiteres Thema, das der Wirtschaft unter den Nägeln brennt, ist der Fachkräftemangel, der sich in vielen Unternehmen mittlerweile zu einem allgemeinen Arbeitskräftemangel ausgeweitet hat. Hauptgeschäftsführer Dr. Fonger sagte: „Bremen und Bremerhaven haben ein Problem mit einer hohen Zahl von unbesetzten Ausbildungsplätzen. Es mangelt an den Schulen vor allem an der Berufsorientierung. Dies lässt sich nicht durch eine Ausbildungsumlage lösen, die politisch im Augenblick verfolgt wird. Stattdessen fordern wir den Senat dazu auf, gemeinsam mit der Wirtschaft einen Pakt zur Verbesserung der Berufsorientierung zu schmieden. Wir brauchen statt einer Staatsumlage eine Stärkung der beruflichen Bildung, den Abbau von bürokratischen Hürden und Erleichterungen bei der Einstellung von ausländischen Fach- und Arbeitskräften.“