Aufbruch zum klimaneutralen Fliegen

Vor zwölf Jahren wurden bereits 100 Jahre Luftfahrtgeschichte in Bremen gefeiert, im vergangenen Jahr jährte sich die Einweihung des Flughafens zum 100sten Mal. Im September gäbe es wieder etwas zu feiern: Im Jahre 1921 wurde die Bremer Flughafen-Betriebsgesellschaft gegründet und damit die erste Bodenorganisation für den örtlichen zivilen Luftverkehr geschaffen. Doch in Corona-Zeiten ist vieles anders, stehen Feierlichkeiten nicht an erster Stelle. Auch nicht für den Bremen-Airport-Geschäftsführer Elmar Kleinert, der nach seinem Wechsel aus Berlin bereits seit drei Jahren in der Hansestadt weilt – und zurzeit vor allem damit zu tun hat, die Schäden zu begrenzen, die dem Airport durch die Corona-Pandemie entstanden. „Partystimmung macht sich nicht gerade breit“, sagt Kleinert, der sich aber dennoch zuversichtlich und gut gerüstet für die Zukunft zeigt. Zeit für einen kleinen Rückblick und Ausblick.

Die ersten Flugversuche in Bremen sind auf den Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts datiert: Die Pioniere Wilhelm Heinrich und Henrich Focke betrieben diese Feldforschung in der Pauliner Marsch. Wilhelm Focke erhielt im Dezember 1908 das Patent für einen Drachenflieger mit verschieden großen Tragflächen – dieses Patent bildete die Grundlage für viele spätere Modelle. Ein Jahr später wurde der Bremer Verein für Luftschifffahrt gegründet, zudem konnte auch bereits ein erster Flugtag veranstaltet werden. 1913 erhielt der Verein die Erlaubnis, einen Flugstützpunkt zu errichten, was er daraufhin in die Tat umsetzte. Auch wurde im selben Jahr mit den ersten Passagierflügen begonnen.

Dass es bis zum Jahr 1920 dauerte, ehe der Bremer Flughafen eingeweiht wurde, ist nicht zuletzt dem 1. Weltkrieg geschuldet, wenngleich Kleinert einräumt: „Dieser Krieg hat der Luftfahrt an sich auch einen Entwicklungsschub gebracht.“ Der erste kontinentale Linienflug mit Bremer Beteiligung fand im Juli 1920 statt und führte von Amsterdam über Bremen und Hamburg nach Kopenhagen; durchgeführt hat ihn die niederländische Fluggesellschaft KLM, die bis heute am Markt und damit eine der ältesten Fluglinien überhaupt ist.

2019 noch 2,3 Millionen Fluggäste

Wie die Entwicklung weitergehen würde und dass sich der Bremer Flughafen, der seit 2017 als Eigenbezeichnung Bremen Airport heißt (oder auch Bremen Airport Hans Koschnick), zu einem der wichtigsten Regional-Flughäfen in Deutschland entwickeln würde – das konnte seinerzeit noch niemand ahnen. Die Zahl der Fluggäste, Linien und Ziele stieg über die Jahrzehnte kontinuierlich. Nachdem das Fluggastaufkommen im Jahr 2000 vorübergehend gesunken war, bewegte es sich in den Jahren vor der Pandemie in der Größenordnung zwischen 2,3 und 2,7 Millionen, bei einer allerdings kontinuierlich gesunkenen Anzahl von Flugbewegungen. 2019, im bislang letzten „normalen“ Jahr, lag die Zahl bei rund 2,3 Millionen Fluggästen – weniger als erhofft, was unter anderem mit der Insolvenz der Fluglinie Germania begründet wurde. 2020 fing das Jahr „ungeheuer gut an“, berichtet Kleinert, „wir hatten in den ersten Monaten Zahlen wie seit Jahren nicht mehr“. Doch dann kam Corona, und alles wurde anders.

Faszination Luftfahrt – sie ist immer zu spüren, schwingt stets mit, selbst in Zeiten wie diesen, in Gesprächen wie diesen; auch wenn die Corona-Pandemie am Airport für Existenzangst gesorgt hat und in Bremen partiell sogar die Notwendigkeit eines eigenen Flughafens diskutiert wurde. Auch bei Kleinert blitzt bei allen anstehenden Problemen und Maßnahmen immer wieder die Begeisterung auf – einer wie er wäre auch nicht hier, wenn es anders wäre. „Fliegen hat eine emotionale Seite, die mir in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal etwas zu kurz kommt“, sagt Kleinert, wie überhaupt der Bremen Airport etwas mehr Würdigung verdiene – vor allem der wirtschaftliche Aspekt für Bremen: „Wir werben zwar mit dem Standort Bremen als Luft- und Raumfahrt-Zentrum, aber ich glaube schon, dass da noch einiges mehr ginge.“

Enorme Bruttowertschöpfung

Um deutlich zu machen, welchen volkswirtschaftlichen Nutzen der Airport Bremen als stadteigener Betrieb hat, wurde ein Gutachten erstellt. Demnach hat der Flughafen mit seinem Standort in der Airport City im Jahre 2019 für eine Bruttowertschöpfung von 2,26 Milliarden Euro gesorgt. Die Studie berücksichtigte dabei sowohl direkte als auch indirekte Effekte hinsichtlich der Beschäftigung und des Einkommens bei Betrieben auf dem Flughafengelände und bei Zulieferbetrieben. Vom Passagieraufkommen spiele Bremen zwar nicht in der gleichen Liga wie Hannover, so die Gutachter, aber in punkto Beschäftigung und Wertschöpfung sei der Abstand zwischen den beiden Standorten recht gering.

Noch vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie zeigte sich allerdings – als Ergebnis einer weiteren Studie – die Größenordnung des seit Jahren bestehenden Sanierungsstaus, der sich auf 70 bis 80 Millionen Euro beläuft. „In der zweiten Hälfte 2018 haben wir uns auf den Weg gemacht, um den Stau abzuarbeiten“, sagt Kleinert, „und dann kam schon bald die Corona-Pandemie“. Das hieß: Kaum Erlöse, „im Grunde hätten wir Personal abbauen müssen.“ Zu betriebsbedingten Kündigungen kam es zwar nicht, aber über ein Freiwilligen-Programm – beispielsweise mit Vorruhestandsregelungen – wurde die Zahl der Vollzeitmitarbeiter der Flughafen Bremen GmbH von 440 auf 365 reduziert.

Zwischen Schadensbegrenzung und Aufbruch

Im Sommer 2021 ging es wieder etwas aufwärts, aber „bis wir intensiv zulegen, wird es dauern“, vermutet Kleinert. Im gesamten Jahr 2020 wurden 600.000 Fluggäste registriert, in diesem Jahr waren es bis Ende August etwas über 267.000 Gäste. Ohne die Hilfe von Stadt, Land und Bund wäre es nicht gegangen: Die Lage wurde zu Lockdown-Zeiten als dramatisch beschrieben, die Stadt half mit einem Betriebsmittelkredit aus dem Bremen-Fonds, auch der Bund beteiligte sich an den Kosten für die Aufrechterhaltung des Betriebs während der Lockdown-Phase. Ebenso überlebensnotwendig war zudem die aktuelle Zusage der Kapitalerhöhung von deutlich über 40 Millionen Euro in zwei Tranchen.

Der Bremen Airport bewegt sich zwischen Schadensbegrenzung und Aufbruch – letzterer ist zumindest greifbar. „Wir müssen jetzt alle Ideen umsetzen, um vorne wieder mit dabei zu sein“, sagt Kleinert. Im Wesentlichen heiße dies, mit allen Airlines zu sprechen, die verfügbar sind. Was nicht ganz einfach ist: Fast alle Linien haben Personal abgebaut, Flugzeuge stillgelegt. Außerdem, so Kleinert, sei „jede Airline, die sagt, sie fliegt wieder, im Moment ein äußerst umworbener Gast, und das bedeutet: harte Verhandlungen“.

Bio-Kerosin ab Anfang des nächsten Jahres

Insgesamt müsse und könne man aber positiv nach vorne schauen, so Kleinert: „Wir haben auch viele Vorteile, unter anderem den, dass wir als Flughafen mittlerer Größenordnung besonders leistungsfähig sind, mit vielen eng getakteten Verbindungen“. Frankfurt, München, Amsterdam, Istanbul – von dort aus komme man an jeden anderen Ort der Welt, „das bietet kein anderer Regionalflughafen in Deutschland.“

Auch für das andere große Thema dieser Zeit, Klima und Umwelt, zeigt sich der Flughafen offen – und geht in einigen Bereichen sogar voran. „Wir können und wollen uns den Themen der Zeit ja nicht verschließen“, sagt Kleinert: „Wir haben einiges vor, zeitnah und ambitioniert.“

So kommt der Strom bereits als grüner Strom von einem skandinavischen Wasserkraftwerk. Ein besonderer Clou: Ab Anfang des Jahres bietet der Airport Bremen Bio-Kerosin an und ist damit Vorreiter in ganz Deutschland. Insgesamt prognostiziert der Bremer Flughafen-Chef seiner Branche noch einigermaßen schwere 10 bis 15 Jahre – dann würden die technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen so greifen, dass die Luftfahrt wieder ein Garant für große Mobilität sei. Das langfristige Ziel, die CO2-Emissionen der Luftfahrt auf null zu senken, ist nur erreichbar, wenn das fossile Kerosin durch regenerative Kraftstoffe ersetzt wird – in zehn Jahren könne dies der Fall sein, in weiteren fünf Jahren dann umgesetzt werden, sagt Kleinert. Nicht nur er begreift die jetzige Phase als Weichenstellung für bessere Zeiten.

„Bei allen Problemen suchen wir eben auch nach Lösungen“, sagt Kleinert. Man dürfe aber auch nicht aus den Augen verlieren, „dass es immer noch um Luftfahrt gehe – als Ergebnis eines ungebrochenes Mobilitätswunsches“. Und damit um die Möglichkeit, sich auf der ganzen Welt zu begegnen. Da ist sie wieder, die Flugromantik. Fast wie vor 100 Jahren.