Frauen und Unternehmensnachfolge – „Man ist schon bestimmten Vorurteilen ausgesetzt“
Frauen sind bei Unternehmensnachfolgen weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Maren Bock, die Vorsitzende des Vereins „Belladonna – Kultur, Bildung und Wirtschaft für Frauen e.V.“, hat es sich mit ihren Mitstreiterinnen zur Aufgabe gemacht, die Leistungen von Frauen sichtbarer zu machen. Sie sagt: „Die klassische Rollen-Zuschreibung in Familien sieht immer noch vor, dass es erst der Sohn ist, der das Unternehmen übernehmen soll. Wenn er das nicht will, kommt der Prokurist, dann der Schwiegersohn, und dann erst die Tochter.“
„Uns Frauen werden schnell Sympathiewerte zugesprochen – was die Kompetenz betrifft, tun sich viele in der Beurteilung schwerer. Das macht es den Frauen auch so unglaublich schwer, in der Wirtschaft Fuß zu fassen – unabhängig von den wirklichen Fähigkeiten, die ganz sicher nicht schlechter sind.“
Es werde diesbezüglich viel zu sehr in klassischen Bahnen gedacht, so Bock weiter, die daher fordert: „Wir müssen das Potenzial der Frauen mehr ausschöpfen, zum Wohle der Wirtschaft.“ Damit verbunden sei, dass man die Frauen auch mehr in den Fokus stellen müsse, dass sie auch als potenzielle Nachfolgerin in Betracht kommen – und eben nicht erst ganz hinten in der Liste.
Das Besondere an den Frauen als Nachfolgerinnen sei unter anderem, „dass sie zu wenig sichtbar sind“. Und es sei dabei auch ein Faktor, dass viele Frauen ihre Erfolge nicht so sehr verkaufen würden, wie es die meisten Männer tun würden, so Bock weiter: „Es ist auch nicht nur ein Problem der Wirtschaft. Die Gesellschaft ist einfach noch nicht so weit.“
Familienunternehmen mit 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
Es gibt aber auch positive Beispiele: Dr. Heidi Armbruster-Domeyer leitet die Bremer Firma Domeyer, ein Fachhandels-, Dienstleistungs- und Herstellerunternehmen für brandschutz- und sicherheitstechnische Produkte gemeinsam mit ihrem Kollegen Fred Ollerdissen. Das Familienunternehmen, das 70 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, wird bereits in vierter Generation betrieben.
Das Besondere: Armbruster-Domeyer ist bei der familiär gelösten Unternehmensnachfolge als Schwiegertochter in ihre Funktion gelangt, was nicht oft vorkommt: „Ich kenne auch keine andere“, sagt sie, „das ist wahrscheinlich wirklich exotisch.“ In das Unternehmen trat sie 2012 ein, zwei Jahre später wurde sie Geschäftsführerin, zwei weitere Jahre darauf Gesellschafterin.
„Das war natürlich eine Riesenentscheidung, auch für uns als Familie“, sagt sie heute. Es sei damals aber im Grunde auch eine glückliche Fügung gewesen. „Mir war schon länger klar, dass mein Schwiegervater jemanden für die Nachfolge suchte“, blickt sie zurück: „Mein Mann wollte nicht, und ich war damals bereit, eine neue Herausforderung anzunehmen – zumal es vom Geschäftsbereich her genau passte.“
Keine leichte Entscheidung
Leicht hat sich die promovierte Betriebswirtin die Entscheidung nicht gemacht, zumal die beiden Kinder damals noch klein waren: „Ich habe dafür etwa ein Jahr gebraucht“. Zwei Jahre lang dauerte die Übergabe, leiteten Schwiegervater und Schwiegertochter den kaufmännischen Bereich des Unternehmens gemeinsam, bevor sich der Senior-Chef im Sommer 2014 komplett herauszog.
Größere Probleme habe es bei der Übergabe nicht gegeben, sagt Armbruster-Domeyer, die allerdings einräumt: „Es ist schon etwas anderes, wenn eine Frau die Firma führt.“ Natürlich sei das Unternehmen viele Jahre lang von einem bestimmten Führungsstil geprägt worden, und natürlich habe sie auch eigene Akzente setzen wollen. „Der Prozess des Kulturwandels dauert auch noch an“, sagt sie, „die Unternehmenskultur ändert sich ja auch nicht von heute auf morgen, das braucht Zeit.“
Hat sie als Frau Ressentiments gespürt? „Man ist schon bestimmten Vorurteilen ausgesetzt, mit denen man einfach umgehen muss“, sagt sie: „Es wird einer Frau nicht von allen zugetraut, ein Unternehmen zu führen.“ Dies sehe sie aber vor allem als gesamtgesellschaftliches Problem: „Es ist vieles im Prozess. Ich hoffe, dass es meinen Töchtern irgendwann damit schon besser geht.“