„Wir stehen erst am Beginn einer zunehmenden Arbeitskräfteknappheit“

Prof. Michael Berlemann, wissenschaftlicher Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), sieht im Klimawandel die größte Herausforderung unserer Zeit. Für Unternehmen werde auch die Arbeitskräfteknappheit eine weiter zunehmende Rolle spielen, erwartet er.

Die Herausforderungen für die Wirtschaft sind aktuell umfangreich: Inflation, Lieferengpässe, Arbeitskräftemangel und die Bewältigung des demografischen, digitalen und klimatischen Wandels. Im Nachgang des HWWI-Wirtschaftsempfangs (s. unten) in der Handelskammer Bremen gab Prof. Michael Berlemann, wissenschaftlicher Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), der WiBB eine Einschätzung zu den wichtigsten Herausforderungen für die kommenden Jahre.

„Die Inflation ist glücklicherweise auf dem Rückzug und die zwischenzeitlichen Lieferengpässe haben sich auch weitgehend aufgelöst“, sagte er. Allerdings blieben weiterhin genügend Probleme zu lösen. „Wir stehen erst am Beginn einer zunehmenden Arbeitskräfteknappheit – diese wird sich in der vor uns liegenden Dekade mit dem vermehrten Eintritt der Babyboomer in die Rente noch wesentlich verschärfen“, so Berlemann.

Staat muss bessere Rahmenbedingungen für Automatisierung und Digitalisierung schaffen

Unterstützende Faktoren bei der Besetzung offener Stellen könnten zwar die Zuwanderung, die höheren Erwerbsquoten von Frauen und älteren Personen sowie eine Erhöhung des Renteneintrittsalters sein, allerdings werde das Problem damit nicht gelöst. Die größten Chancen zur Linderung des Arbeitskräftemangels lägen in der Automatisierung und Digitalisierung, betonte Berlemann. „Wissenschaftliche Studien zeigen, dass bei einer konsequenten Umsetzung der bereits heute existierenden Lösungen ein großes Potenzial zur Einsparung von Arbeitskräften besteht, die dann für andere Verwendungen, wo sie kaum ersetzt werden können, zur Verfügung ständen.“

Unternehmen müssten diese Potenziale heben, forderte er, aber auch der Staat. „Und der Staat sollte Bedingungen schaffen, unter denen weitere Fortschritte auf diesen Gebieten möglich sind. Dazu müssen insbesondere unsere Datenschutzrichtlinien überdacht und modernisiert werden. Sonst fallen wir im internationalen Wettbewerb zurück.“

Angesichts der großen Bedeutung des Exports für die Wirtschaft im Land Bremen sieht Berlemann hier einen besonderen Bedarf an Arbeitskräften und Rohstoffen, die oft aus dem Ausland importiert werden müssen. „Je besser es den Bremer Unternehmen gelingt, mit der Fachkräfteknappheit umzugehen, also vor allem zu digitalisieren und zu automatisieren, desto besser ist die Bremer Exportwirtschaft aufgestellt“, hebt er hervor. Um die derzeit enormen geopolitischen Risiken abzufedern, erscheine es darüber hinaus „ausgesprochen ratsam, Exporte, aber vor allem auch die nötigen Importe gut zu diversifizieren.“

Klimawandel kann Bremerhaven besonders treffen

Die wohl größte Herausforderung unserer Zeit sei jedoch der Klimawandel. „Der einzige Ausweg ist die konsequente CO2-Bepreisung in Kombination mit Klimageld“, so Berlemann. „Allerdings zeigt die jüngste Vergangenheit, dass es bisher keinen politischen Willen gibt, ein solches Konzept umzusetzen. So bleibt uns wohl im Moment nicht viel mehr, weiter darauf hinzuwirken und uns gleichzeitig auf die Konsequenzen der globalen Erwärmung so gut wie möglich vorzubereiten.“

Küstenstädte wie Bremerhaven seien durch den bevorstehenden Meeresspiegelanstieg besonders vom Klimawandel betroffen. Häfen würden in ihrer Funktionalität aber auch durch weitere Folgen des Klimawandels, beispielsweise die Zunahme von Extremwetterereignissen, bedroht. Extremregenfall, lange Trockenheit und auch Starkwindereignisse könnten besonders relevant werden. Bestandteile einer sinnvollen Vorbereitung seien daher zeitnahe Instandsetzungen, die Verstärkung von Schutzanlagen, der Einsatz demontierbarer Anlageteile, die Entwicklung von Frühwarnsystemen und eventuell auch die Verlagerung kritischer Infrastruktur.

Neujahrsempfang des HWWI-Förderkreises Bremen

Der Förderkreis des HWWI-Niederlassung Bremen e.V. hatte am 18. Januar zum Neujahrsempfang in den Schütting eingeladen. Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht begrüßte die Gäste als Hausherr. Zentrales Thema war die Zukunft des Standorts Afrika. Prof. Matthias Busse vom Lehrstuhl Internationale Wirtschaftsbeziehungen der Universität Bochum zeigte in seiner Festrede auf, dass die Entwicklung afrikanischer Länder sehr unterschiedlich verläuft, und erklärte anhand des Länderbeispiels Ghana die Gründe für den positiven Trend einzelner Staaten. Anschließend fand eine von Dr. Wedemeier (HWWI-Niederlassung Bremen) moderierte Diskussion mit einem Resümee von Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger statt.

Weitere Informationen:
hwwi.org/Veranstaltung/neujahrsempfang-bremen-2024