Sharing Economy in der Modebranche

Mit einer selbst entwickelten Software will das Bremer Start-up „Ito Ito“ die Modewelt auf den Kopf stellen. In Zukunft soll mithilfe einer On-Demand-Plattform nur noch das produziert werden, was die Kundschaft auch wirklich haben will.

Jeder Mensch ist durch einen Faden (japanisch: „ito“) mit einem anderen verbunden: So sagt es eine fernöstliche Legende. Früher oder später finden demnach beide durch das Schicksal des Fadens zueinander. In der Modewelt will das Bremer Start-up „ito ito“ dem Schicksal nun auf die Sprünge helfen – und hat dafür eine Software entwickelt, die Modelabel und Strickereien zum Bestandteil einer digitalen On-Demand-Plattform für das Design und die Produktion von Strickwaren werden lässt. „Jedes in unserer Shared Factory hergestellte Kleidungsstück entsteht individuell als Einzelstück“, erläutert Geschäftsführer Florian Pfeffer, der das Unternehmen zusammen mit seiner Partnerin Friederike Pfeffer gegründet hat. „So produzieren die mit uns zusammenarbeitenden Label nur das, was ihre Kunden auch wirklich haben wollen – und das transparent, schnell, lokal und ohne Müll.“

Für ihre innovative und nachhaltige Idee ist das Gründerpaar kürzlich zusammen mit einigen anderen Projekten mit dem „Bundespreis Ecodesign“ ausgezeichnet worden, den das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt (UBA) seit 2012 jährlich für herausragende Arbeiten im Bereich Umwelt und Design ausloben. Bei der Preisverleihung in Berlin zeigte sich UBA-Präsident Prof. Dirk Messner beeindruckt: „Wir benötigen für die Zukunft mehr solcher mutigen Ideen, die bestehende Infrastrukturen und Denkweisen hinterfragen und intelligente Lösungsansätze anbieten.“

Strickmaschine wird „eine Art 3D-Drucker“

Für die Modebranche komme so ein Richtungswechsel genau zur richtigen Zeit, ist Friederike Pfeffer überzeugt. Während es für immer mehr Menschen wichtig werde, nachhaltig einzukaufen, sei die Modeindustrie zugleich verschwenderisch wie nie zuvor und produziere in großem Stil Kleidung, die ungetragen wieder weggeworfen werde. „Die Digitalisierung gibt uns die Chance, es anders zu machen“, betont sie. „Die großen Modelabels bringen oft mehr als 20 Kollektionen pro Jahr heraus und haben eine enorme weltweite Logistikkette aufgebaut. Das produziert nicht nur Millionen Tonnen Müll: Es macht es auch kleinen Labels schwer, mitzuhalten.“

Und genau hier setzt „ito ito“ an. Das Prinzip dahinter: erst verkaufen, dann produzieren. „Bisher war der Prozess vom Entwurf bis zum fertigen Produkt sehr analog, träge und langwierig“, erläutert Florian Pfeffer. „Mit unserer Software automatisieren wir nun den kompletten Prozess vom Design bis zur Produktion und machen aus Strickmaschinen eine Art 3D-Drucker. Über unsere Plattform bündeln wir die Aufträge zu größeren Orders. Damit können wir zum Beispiel ein Produkt 5.000-mal herstellen, aber genauso auch 5.000 unterschiedliche Produkte nur einmal.“

Wie soll ein Kleidungsstück konkret aussehen? Welche Beschaffenheit und Farbe soll das Garn haben? Sollen die Armeinsätze gerade oder rund sein? Wie ist der Schnitt, welche Form hat der Kragen? All das lässt sich mithilfe der Software über einen digitalen Zwilling des Entwurfs festlegen. Und sobald eine Bestellung eingeht, setzt eine der angeschlossenen Strickmaschinen die Produktion in Gang. Am Ende lande das Kleidungsstück nicht nur schnell, sondern auch kostengünstig beim Endverbraucher, sagt Friederike Pfeffer. „Durch die verteilte Produktion, die Digitalisierung der Lieferkette und den Wegfall von Kosten, zum Beispiel für das Prototyping, erzielen wir unter dem Strich einen Preis, der im mittleren Segment marktüblich ist.“

Modeindustrie „im Blindflug unterwegs“

Das Gründerpaar, das über langjährige Erfahrung im Bereich Unternehmertum und Design verfügt, investiert aktuell einen Großteil seiner Zeit in das Unternehmen und hat die vergangenen Monate genutzt, um in Zusammenarbeit mit mehreren Designern und kleineren Labels die Software für „ito ito“ zu entwickeln. Nach einer geschlossenen Beta-Phase ist für den Herbst die offizielle Markteinführung geplant. „Ungefähr 150 Kunden stehen schon in der Warteschleife“, berichtet Florian Pfeffer, „jetzt sind wir noch auf der Suche nach Investoren.“

Wenn die Sache einmal laufe, rechne er sowohl mit einer Erweiterung als auch mit einer Internationalisierung der Kundschaft, da die Strickmaschinen letztlich überall stehen könnten. Und: „Je mehr Strickwaren entstehen, umso mehr Daten können wir sammeln. Darüber lassen sich dann zum Beispiel Aussagen über die Erfolgsaussichten von bestimmten Entwürfen treffen.“ Momentan sei die Mode-Industrie im Blindflug unterwegs und entscheide schon jetzt, was sie in einem Jahr anbieten wolle. Das könne sich künftig ändern: „Wenn ich meine Produktion stärker an die echte Nachfrage koppeln kann, kann ich auch mehr ausprobieren – und schneller auf aktuelle Trends reagieren.“

Weitere Informationen: www.itoi.to

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Florian und Friederike Pfeffer wollen mit „Ito Ito“ die Modebranche nachhaltiger gestalten.