Mit dem gemeinnützigen Unternehmen „Hood Training“ richtet sich Daniel Magel an soziale Brennpunkte. Dort will der Sonderpädagoge Kindern und Jugendlichen mit Sport, Bildung, Kunst und Kultur zeigen, wie sie Frust abbauen und Toleranz lernen können – und bringt dabei viel von seiner eigenen Migrationsgeschichte ein. Was vor mehr als zehn Jahren als Sportprojekt in Bremen-Tenever begann, zieht mittlerweile als Franchise-Konzept in ganz Deutschland Kreise.
Das Büro von Daniel Magel im Bremer Viertel gleicht einer Mischung aus Club und Fitnessstudio: Barren, Gewichte, Klimmzugstange, nebenan ein Tonstudio. Im Hintergrund Schwarzlichtröhren und Graffitis von bekannten Rap-Ikonen. Dass die Zentrale der Hood Training gGmbH kein gewöhnliches Büro ist, hat seinen Grund: Hier entstehen gleichzeitig Musikvideos, Workouts, finden Graffitisessions statt. Nebenan hat Magel ein kleines Fitnessstudio errichtet. Der 40-Jährige kann selten stillsitzen, zu viele Ideen hat er im Kopf. Denselben Enthusiasmus erwartet er auch von anderen: „Hier wird nicht gechillt, hier wird getan“, betont er.
„Ich wollte, dass die Kids so etwas nicht machen“
Daniel Magel weiß nur zu gut, was passiert, wenn man zu viel Zeit auf der Straße hat, zu wenig Grenzen kennenlernt und eine fehlende Perspektive hinzukommt. Mit zwölf Jahren kam der gebürtige Kasache mit seinen Eltern nach Deutschland. Damals hätten sie „Gold auf der Straße erwartet“, wie er sagt. Stattdessen erwartete den Jugendlichen in Bremen-Tenever ein Leben in einem sozialen Brennpunkt, der Alltag geprägt von Kriminalität und Drogen. Damals habe er sich Angebote gewünscht, die ihn von der Straße geholt hätten.
„Ich wollte ein besserer Lehrer sein“, sagt er und nahm das Ganze schließlich selbst in die Hand: „Ich habe viele dumme Sachen gemacht. Aber wir wollten, dass die Kids so etwas nicht machen.“ Gemeinsam mit anderen Jugendlichen nutzte Magel leerstehende Gebäude im Stadtteil, die kurz vor dem Abriss standen. Sie schafften einfachste Trainingsgeräte an, trainierten, boxten und merkten: Mit Sport kann man die Kurve kriegen. „Das hat mir Ziele gegeben“, sagt Magel.
Verbindung von urbaner Jugend- und Sportkultur mit Pädagogik
Das war Anfang der 2000er Jahre. 2010 gründete Daniel Magel schließlich die Initiative „Hood Training“. Inzwischen hat der studierte Pädagoge es mit seiner Idee von einer kleinen Jugendinitiative zu einem mehrfach ausgezeichneten Vorzeigeprojekt geschafft. Die Vision ist dieselbe geblieben: Kinder und Jugendliche von der Straße wegbekommen, stattdessen gemeinsam etwas mit ihnen auf die Beine stellen und ihnen so neue Chancen ermöglichen. Kostenlos, niedrigschwellig, überall. „Sport und Bildung muss for free sein“, sagt er.
Das Herzstück von „Hood Training“ ist die Sportpädagogik: Am liebsten draußen in einem der 20 Sportparks, die sich über Bremen erstrecken. So wie in Tenever zwischen den Wohnhaustürmen, wo sich ein kleiner Park mit Reckstangen und anderen Trainingsgeräten befindet. Hier machen die Trainerinnen und Trainer mit den Kids Calisthenics – ein Trendsport, bei dem hauptsächlich mit dem eigenen Körpergewicht trainiert wird. Magel und sein Team verbinden so urbane Jugend- und Sportkultur mit pädagogischer Betreuung. Ergänzt wird das Angebot durch verschiedene Sportarten wie Yoga, Fitness oder Kampfsport.
Soziale Kompetenz über Sport lernen
Magels Ziel: Den Kindern und Jugendlichen über den Sport soziale Kompetenzen beibringen. Manche Jugendlichen hätten Schwierigkeiten, sich an Vereinbarungen zu halten. Deswegen geht es beim Sport nicht nur um Training, es geht um Disziplin, Rituale, Regeln, Achtsamkeit – „gerade die Kampfsportelemente bringen da viel Positives für die Kids mit“, sagt der Sonderpädagoge.
Und es geht um Prävention – gerade bei denjenigen, die es schwerer haben als andere. Verhaltensauffällige Kids liegen ihm am Herzen: „Es muss einfach jemanden geben, der an die Jugendlichen glaubt und ihnen Selbstvertrauen vermittelt – dafür ist der Sport ideal.“
Die Sportparks sind für den 40-Jährigen wie das Herzstück des Jugend- und Sozialprojekts aus Bremen. Sie sollen dafür sorgen, dass die Kids in strukturell benachteiligten Stadtteilen eine Anlaufstelle haben, einen Platz, wo sie Sport machen und sich austauschen können. 2015 fand mit Unterstützung von Daniel Magel in Bremen-Tenever sogar die Deutsche Meisterschaft im Street Workout statt.
Von der Sportinitiative zum Allround-Konzept
Neben Sport setzt Daniel Magel auf Bildungs-, Kunst- und Kulturprojekte. Aus der einstigen Sportinitiative aus Bremen-Tenever ist ein Allround-Konzept geworden. Der 40-Jährige und sein Team bieten Workshops zu Themen wie Kampfsport, Graffiti, Hip Hop-Musikproduktionen, Anti-Aggressionstraining und Ernährungsberatung an. Regelmäßig finden unter dem Dach von „Hood Training“ Kultur-, Freizeit- und Sportevents statt.
Die ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainer von „Hood Training“ sind an Schulen aktiv, in Freizeitzentren, sie arbeiten mit Geflüchteten oder jugendlichen Straftätern. Es gibt eigene Gyms und mobile Fitnessparks. Die Angebote verteilen sich über ganz Bremen und sind bewusst offen für alle, Jungs und Mädchen: „Wir wollen damit die breite Masse erreichen“, sagt Daniel Magel.
Von seinem Konzept profitieren nicht nur die Kids, sondern auch Bremen selbst: „Wir prägen die Stadt“, sagt Daniel Magel, der auf die Zusammenarbeit mit lokalen Einrichtungen setzt. Nicht zufällig befindet die „Hood Training“-Zentrale fußläufig zum Kulturzentrum Lagerhaus, das Daniel Magel für Workshops oder Konzerte nutzt.
Unterstützung von lokalen Unternehmen
Bekannte Unternehmen und Institutionen wie die Sparkasse Bremen, der Energieversorger SWB, die Wohnungsbaugesellschaft Gewoba oder die Hollweg Stiftung gehören zu den Förderern, denn wie viele Sozialunternehmen ist auch „Hood Training“ auf vielfältige Finanzquellen angewiesen. Öffentliche Förderung und privaten Spenden sind eine wichtige Einkommensquelle. Hinzu kommen Einnahmen durch Auftragsarbeiten im Film- und Videobereich oder durch die Konzeption von Sportparks.
Seit Sommer 2022 sind Daniel Magel und sein Team mit ihrer Initiative auch in Bremerhaven aktiv. Dort betreiben sie im Rahmen der SWB-Bildungsinitiative und mit Unterstützung der Dieckell- Stiftung ein kleines Gym in einer Moschee. „Da ist sonst nichts für die Kids“, sagt er.
Franchise-Konzept verbreitet sich deutschlandweit
Daniel Magel hat seinen Ursprung seit seiner Migration nach Deutschland nie verlassen, noch immer wohnt er im Bremer Osten – inzwischen mit Frau und Kindern. „Bremen ist Heimat“, sagt er. Auch für seine Initiative „Hood Training“: „Es geht um die Zukunft von Bremen und wir wollen unseren Teil dazu beitragen.“
Die Stadt biete für ein Projekt wie „Hood Training“ beste Voraussetzungen: Nicht nur, dass hier viele junge Menschen leben, auch die kurzen Wege zu Kooperationspartnern wie Vereinen, Trägern und Behörden schätzt Magel sehr. „Bremen ist ideal für ein Konzept wie „Hood Training“, die Stadt ist super vernetzt und man kann sehr schnell sehr viele Menschen erreichen.“ So könnten auch Projekte innerhalb kurzer Zeit auf die Beine gestellt werden. In Bremen gebe es viel Support für seine Ideen, das schätzt der Gründer an seiner norddeutschen Heimat.
Die Idee kommt auch in anderen Städten gut an: Seit 2020 wird „Hood Training“ als Franchise-Konzept auch in München angeboten, seit letztem Jahr in Berlin – Frankfurt und Hannover sollen bald folgen. Der „Hood Training“-Gründer sucht bundesweit nach Kooperationspartnern, die in ihren Städten eigene Sportparks oder Gyms nach der Bremer Philosophie etablieren. Denn nicht nur Präsenz, sondern auch Beständigkeit sei wichtig, um bei den Kindern und Jugendlichen langfristig etwas zu erreichen. „Ich möchte Sachen, die bleiben“, sagt Magel.
Unterstützung für gemeinnützige Unternehmen
Unter dem gemeinsamen Projekt „Förderung der Solidarischen Wirtschaft, Genossenschaften und Social Entrepreneurship“ vereinen sich Maßnahmen des Starthauses Bremen, der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH (BIS) sowie der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB). Alle haben das gemeinsame Ziel, Bremen als Standort für Sozialunternehmen attraktiver zu machen und die Gründung sowie Ansiedlung dieser Unternehmen zu fördern. Als Teil der Regionalgruppe des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND) engagiert sich die WFB für ein engeres Zusammenwachsen der Branche und kooperiert mit Akteuren wie dem Social Impact Lab Bremen.