Beim Thema Gewerbeflächen drückt fast alle Städte, Kommunen und Gemeinden der Schuh. Das Symposium „Regionale Gewerbeflächenentwicklung – Chancen und Hemmnisse einer engeren Kooperation zwischen Bremen und seinem niedersächsischen Umland“ zeigte, dass eine nachhaltige Lösung nur gemeinsam gelingen kann.
Nicht das Trennende sollte im Blickpunkt stehen, sondern die Gemeinsamkeiten: Mehr als 100 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Wirtschaftsförderinnen und Wirtschaftsförderer trafen sich am 16. Februar 2023 im Haus Schütting, um über eine engere Zusammenarbeit zu diskutieren. Dass eine intensive Kooperation notwendig ist, war Konsens unter den Referentinnen und Referenten. Allerdings: „Der Teufel liegt im Detail“, wie Handelskammer-Präses Eduard Dubbers-Albrecht in seiner Begrüßungsrede betonte. Dennoch sei es wichtig, dieses Thema anzugehen.
Der Präses hob die enge wirtschaftliche Verknüpfung Bremens mit seinem Umland hervor, beispielsweise durch den Umstand, dass 42 Prozent der Bremer Beschäftigten ihren Wohnsitz in Niedersachsen haben. „Es geht um die Wirtschaftskraft und die Gesamtkaufkraft der Region“, sagte er. „Wir können alle bei dieser Gemeinsamkeit nur gewinnen.“
Konkret nannte er das Gewerbegebiet Achim-West und die Entwicklung am Flughafen in Richtung Stuhr, bei der es um mögliche Erweiterungsflächen für Airbus gehen könne, „einem wichtigen Arbeitgeber für Menschen in der gesamten Region.“ Weitere Beispiele seien die westlichen Flächen in Richtung Lemwerder sowie in Bremerhaven die möglichen Kooperationen mit Langen und Loxstedt.
Bessere Datenlage benötigt
Gewerbeflächen sind jedoch nicht nur in Bremen und Bremerhaven knapp – auch die sogenannte Grüne Wiese außerhalb der Stadttore ist immer seltener zu finden. Dr. Guido Nischwitz vom Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen hat sich intensiv mit dem Thema befasst und unter anderem ermittelt, dass zwölf der rund 30 Kommunen im 30-Kilometer-Radius um Bremen überhaupt keine Flächen mehr anbieten können. „Knapp 50 Prozent der Städte und Gemeinden sind aktuell nicht in der Lage, Anfragen positiv zu bescheiden“, betonte er.
Nischwitz zitierte auch eine bundesweite Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik aus dem Jahr 2020. Demnach zählen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in ganz Deutschland das Thema Gewerbeflächen zu ihren drei größten Herausforderungen – neben der Fachkräftesicherung und der Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur, also zwei Themen, die ebenfalls von verstärkter regionaler Kooperation profitieren würden.
Nischwitz regte daher an, den Arbeitskreis Wirtschaftsförderung innerhalb des Kommunalverbundes Niedersachsen/Bremen verstärkt als Plattform für die grenzübergreifende Abstimmung zu nutzen. Als Arbeitsgrundlage bedürfe es dabei dringend einer besseren und einheitlichen Datenlage, da die Kommunen teilweise von sehr unterschiedlichen Annahmen ausgingen. Ein solches Gewerbeflächen-Monitoring stelle die Basis für eine gemeinsame Gewerbeentwicklungsstrategie dar, die nicht nur die Flächen berücksichtigen, sondern auch eine inhaltliche Gestaltung zum Ziel haben müsse.
Die Vorsitzende des Kommunalverbundes Niedersachsen/Bremen, Sykes Bürgermeisterin Suse Laue, bestätigte: „Wir wissen alle, wenn wir die Gewerbeflächen betrachten: Das wird eng.“ Gleichzeitig sei man vom Land angehalten, weniger Flächenfraß zu betreiben. Diese Herausforderungen zu bewältigen, „das können wir nicht alleine“. Ziel müsse es sein, ähnlich wie Hannover als gemeinsame Region verstanden zu werden, auch bei Gewerbeansiedlungen.
Testfall Achim-West
Den größten Test für die Möglichkeiten und Grenzen der regionalen Kooperation stellt aktuell das Gewerbegebiet Achim-West dar, das auf rund 90 Hektar südlich des Autobahnkreuzes Bremen entstehen soll. Die wirtschaftlichen Chancen für die Region sind groß: Laut Prognos-Gutachten könnten bis zu 4.300 Arbeitsplätze entstehen und eine Wertschöpfungskette von 6,3 Milliarden Euro bis 2040 angestoßen werden. Darüber hinaus würde das Verkehrsproblem rund ums Bremer Kreuz durch die neuen Anbindungen entschärft.
Die Gesamtkosten des Vorhabens, die sich nach Berechnungen aus dem Jahr 2020 auf rund 150 Millionen Euro belaufen, sollen größtenteils durch die Vermarktung der Flächen und durch Fördermittel hereingeholt werden. Es bleibt jedoch ein Finanzierungsloch von mehr als 30 Millionen Euro, das Achim nicht alleine stopfen kann. Bremen und der Landkreis Verden wurden daher mit ins Boot geholt. Über eine gemeinsame Projektgesellschaft wollen sich die Partner das Geld langfristig durch die die Mehrerlöse aus Grund- und Gewerbesteuern zurückholen.
Begonnen hatte die Kooperation vor 20 Jahren als Infrastrukturprojekt, um die Verkehrsprobleme am Autobahnkreuz zu lösen, wie Achims erster Stadtrat Daniel Moos beim Symposium berichtete. Im Laufe der Zeit habe sich das Projekt ausgeweitet und dabei auch eine Komplexität erreicht, die mittlerweile vier verschiedene Vertragswerke erfordere, die von den Verwaltungen aber nun auch fertig ausgehandelt seien. Die jeweiligen politischen Gremien der drei Partner müssten allerdings noch zustimmen, sagte er.
Bevor dies geschehen könne, müsse allerdings auch der Businessplan noch einmal aktualisiert werden, da sich die Baukosten zuletzt deutlich erhöht haben. Gleichzeitig sei jedoch zu erwarten, dass auch der Erlös aus den Grundstücksverkäufen höher ausfallen werde. Eine wichtige Grundlage, um weiterzukommen, sei nun auch der Planfeststellungsbeschluss. „Wir haben mittlerweile einen Stand erreicht, der uns in Achim – und ich glaube auch unsere Partner – zuversichtlich macht, dass es weitergeht“, sagte Moos vorsichtig.
Masterplan für die Gewerbeflächenentwicklung gefordert
Die Erfahrungen und Vertragskonstruktionen aus dem Projekt Achim-West könnten auch an anderen Standorten genutzt werden. Ralph Sandstedt, Geschäftsführer der GVZ Entwicklungsgesellschaft Bremen mbH, setzte sich beim Symposium für eine Erweiterung des GVZ und für die Planung eines „Gewerbebandes“ links der Weser vom Neustädter Hafen bis zum Gelände der ehemaligen Flugzeugwerft in Lemwerder ein.
Dabei müssten jedoch Wege gefunden werden, die Umsetzung zu beschleunigen. „Allein die Fertigstellung des Ringschlusses der A281 hat 50 Jahre gedauert“, sagte er. „Was wir brauchen, ist ein Masterplan Gewerbeflächenentwicklung 2050+.“ Benötigt werde ein strategischer Gesamtplan, „kein Klein-Klein von Partikularinteressen. Funktionalität muss die bestehende Dysfunktionalität ablösen.“
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(V.l.): Präses Eduard Dubbers-Albrecht, Handelskammer Bremen, Dr. Guido Nischwitz, Institut für Arbeit und Wirtschaft, und Daniel Moos, Erster Stadtrat der Stadt Achim.