Ohne Gehör zum Meister

Unterstützung wird oft nicht nur am Arbeitsplatz benötigt, sondern auch bei der Aus- und Weiterbildung. Aber der Aufwand lohnt sich, wie Tim Krenke zeigt, der sich als Gehörloser zum Industriemeister in der Fachrichtung Metall weitergebildet hat.

Tim Krenke ist von Geburt an taub. Als er sich Ende der 1990er-Jahre bei Airbus um eine Ausbildung als Fluggerätemechaniker bewarb, musste er zuerst ein paar Steine aus dem Weg räumen: An der Berufsschule für Gehörlose in Essen gab es nur ein zweijähriges Berufsschulangebot im Metallbereich, der heute 41-Jährige wollte die Ausbildung zum Fluggerätemechaniker aber vollständig durchlaufen. Daher entschied er sich für die Berufsschule in Bremen und organisierte, dass die Agentur für Arbeit die Gebärdendolmetscher für den Unterricht finanzierte. Nachdem ihm das gelungen war, durfte er die Ausbildung beginnen – und wurde so nach eigenen Angaben der erste gehörlose Fluggerätemechaniker beim Bremer Flugzeugbauer.

Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung und zehn Jahren in der Kleinkomponenten-Montage wechselte Krenke von der Fertigung ins Büro: Er habe in den Bereich Qualitätsmanagement gewollt, weil die Arbeitsplätze dort zukunftssicher seien, teilt er im Gespräch über den Gebärdendolmetscher Patrick George mit. Mittlerweile ist er schon seit mehreren Jahren in der Qualitätssicherung Auslieferung tätig und dokumentiert dort die letzten Kontrollschritte, bevor die in Bremen gefertigten Landeklappen zum Abtransport verladen werden.

Die größte Herausforderung bei der Arbeit sei die Kommunikation mit den Kolleginnen und Kollegen, meint der 41-Jährige: „Das ist aufwändig und mühsam.“ Bei regelmäßigen Team-Meetings und wichtigen Gesprächen seien Dolmetscher dabei, die je nach Sachlage vom Integrationsamt oder vom Arbeitgeber bezahlt würden. „Ansonsten klappt vieles irgendwie über die Gestik – aber wenn es in die Tiefe geht, müssen wir das über Chats oder E-Mails regeln.“ Seine Pausen verbringe er mit anderen Gehörlosen, die inzwischen für den Flugzeugbauer in der Fertigung arbeiten. „Das ist für mich entspannter. Es ist wirklich anstrengend, sieben Stunden am Stück mit Hörenden zu kommunizieren.“

Um seine beruflichen Aussichten zu verbessern, entschloss sich Tim Krenke vor einiger Zeit, eine Weiterbildung zum Geprüften Industriemeister – Fachrichtung Metall zu machen. Und wieder musste er sich zunächst als Wegbereiter betätigen. Das Integrationsamt habe sich zunächst schwergetan, die Kosten für die Dolmetscherinnen und Dolmetscher während des Unterrichts zu übernehmen, berichtet er. Nach einigem persönlichem Einsatz habe es dann aber schließlich doch grünes Licht gegeben. Seit Februar dieses Jahres hat er nun seinen Meistertitel in der Tasche – inklusive Ausbilderberechtigung. Letztere wird in der Praxis aber vermutlich nicht zum Einsatz kommen: „Das würde nur gehen, wenn ich andere Gehörlose ausbilden würde.“

Eine Botschaft ist dem 41-Jährigen besonders wichtig: „Gehörlose können genauso viel leisten wie Hörende. Ich würde mir wünschen, dass jeder Arbeitgeber gehörlosen Menschen die Chance auf ein Kennenlernen gibt.“ Und noch ein weiterer Punkt liegt ihm am Herzen: „Es sollte selbstverständlich werden, dass bei Fort- und Weiterbildungen für Gehörlose die Zusatzkosten für Dolmetscher öffentlich finanziert werden – sonst bleiben sie an ihren Arbeitsplätzen kleben. Wir müssen an der Stelle dieselben Möglichkeiten bekommen, die alle anderen auch haben.“