Tabakquartier: Durch Mischnutzung zur „Produktiven Stadt“

Die Stadt der Zukunft wird Wohnen und Arbeiten räumlich wieder enger miteinander verbinden. Vorbildcharakter hat dabei das Tabakquartier in Woltmershausen.

Die Tabak- und Zigarettenfabrik Brinkmann war einst die größte Tabakfabrik Europas. Nach der Schließung des Werks Ende 2014 wird die denkmalgeschützte Immobilie seit 2018 durch die Justus Grosse Real Estate GmbH zu einem großflächigen innerstädtischen Quartier umgewandelt. Der Standort soll eine attraktive Verbindung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit schaffen und damit zeigen, welches Potenzial eine urbane Nutzungs- und Funktionsmischung für eine moderne Stadt entfalten kann.

Zentraler Baustein des Projekts ist die denkmalgerechte Sanierung und Umnutzung der ehemaligen Fabrik. Im Westflügel des Gebäudes stehen mittlerweile 10.000 Quadratmeter moderne Loftflächen zur Verfügung, weitere 40.000 Quadratmeter sollen bis 2024 folgen.

Nach Angaben der Projektentwickler schätzen die neu eingezogenen Unternehmen die kreative Atmosphäre der historischen Bausubstanz mit ihren vier Meter hohen Decken ebenso wie die hochmoderne technische Infrastruktur. Das Nebeneinander von Mietern aus unterschiedlichen Branchen sorge für einen lebendigen Austausch und neue Synergien.

Schon 200 Betriebe aus Software, Handel, Logistik und Handwerk

„Das Tabakquartier bietet ein erhebliches Potenzial für die Entwicklung gemischt genutzter Quartiere nach dem Leitbild der Produktiven Stadt“, betont Dr. Guido Nischwitz vom Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen. Neben Unternehmen aus Bereichen wie Software, Handel und Logistik haben sich auch kleinere Handwerksbetriebe vor Ort angesiedelt.

Ein Beispiel dafür ist der Gitarrenbauer Alexander Voß-Schütte, der im vergangenen Hebst mit seiner Werkstatt in die Fabrik gezogen ist: „Anfangs war ich etwas skeptisch, weil ich erwartet habe, dass es hier ausschließlich Büroflächen geben würde“, sagt der 37-Jährige. „Aber jetzt bin ich ganz glücklich darüber, dass ich mich für den Standort entschieden habe. Die schönen Räumlichkeiten hier und der Austausch mit Unternehmen aus unterschiedlichsten Bereichen – das ist schon etwas ganz Besonderes!“

Ein weiterer Mieter vor Ort ist das Hanseatische Chocoladen Kontor, das seit dem Sommer mit den deutschlandweiten Vertriebs- und Marketingaktivitäten von Hachez und weiterer Marken in der Fabrik ansässig ist: „Das neue Umfeld passt hervorragend zu uns“, begründet Geschäftsführer Thomas Lieske den Umzug: „Hier haben wir ein inspirierendes Umfeld und können mit allen Mitarbeitern gemeinsam auf einer 1.000 Quadratmeter großen Etage miteinander arbeiten. Hinzu kommt, dass die Räume uns die Möglichkeit bieten, einige historische Exponate in würdigem Rahmen auszustellen und so die lange Tradition unseres Unternehmens mit der Moderne zu verbinden.“

Als 200. Unternehmen entschied sich kurz vor Weihnachten die DSK Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH für das Tabakquartier – sie erwarb drei Bürolofts im „Alten Tabakspeicher“ und mietete drei weitere.

Neben Büroflächen und kulturellen bzw. gastronomischen Nutzungen sollen insgesamt rund 1.500 neue Wohnungen auf dem Areal entstehen. Vorgesehen ist eine abwechslungsreiche Mischung aus verschiedenen Höhen und Häusertypen. Zusätzlich wird es Gebiete geben, in denen sowohl Wohnen als auch verträgliches Gewerbe erwünscht sind. Ein Beispiel dafür ist die Fläche rings um einen neu geplanten Quartiersplatz, wo auch Läden, Cafés und Frisöre einziehen könnten.

Kultur, Gastronomie und 1.500 neue Wohnungen

Der zweite Bauabschnitt der Fabrik soll in den kommenden Wochen fertiggestellt werden. Zusätzliche Büroflächen im Tabakquartier bietet die Umnutzung von drei Tabaklagern aus den 1970er-Jahren an der Senator-Apelt-Straße. Im Ersten Bauabschnitt sollen hier demnächst 170 Gewerbelofts ab einer Größe von 58 Quadratmetern fertiggestellt sein.

Flankiert wird das Bürokonzept durch ein breites Kultur- und Gastronomieangebot sowie durch rund 2.000 Wohnungen. Direkt neben dem alten Kesselhaus entstehen außerdem das Lifestyle-Hotel „Unique by Atlantic Hotels“ mit 100 Zimmern sowie das Mobilitätshaus „MOBI 1“, das unter anderem Bike-, Lastenbike-, Car- und E-Transporter-Sharing sowie E-Ladestationen für PKW und Bikes anbieten wird.

Komplettiert werden könnte die Bebauung durch einen Berufsschulcampus sowie durch eine Grundschule mit Kita. Darüber hinaus sind ein Gleispark entlang des Eisenbahndamms sowie ein Park vorgesehen. 2025 soll das gesamte Tabakquartier fertiggestellt sein.

Ein Highlight im neuen Tabakquartier ist das zentral gelegene ehemalige Heizwerk, das seit Anfang 2020 als Kultur- und Veranstaltungszentrum mit angeschlossener Gastronomie offensteht. Die alten Kessel und Armaturen ermöglichen dabei eine faszinierende Kulisse für unterschiedlichste Aktivitäten. In einer südlich angrenzenden ehemaligen Lagerhalle wird im Herbst 2021 das Boulevardtheater Bremen sein neues Haus eröffnen.

Fotoquelle Alexander Voß-Schütte: „Ey Meister“