Mit KI den perfekten Schnitt setzen

Die Bock-Gruppe bringt High-tech in die Gartenbauwelt und erschließt mit einem amerikanischen Investor den weltweiten Markt.

Ein Beitrag im sozialen Netzwerk Linkedin gab Stephan von Rundstedt die Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein: Als er Pläne zur Entwicklung eines automatisierten Systems für die Pflanzenvermehrung veröffentlichte, wurde er innerhalb kurzer Zeit mit Hunderten von Anschreiben aus aller Welt überflutet. Die Reaktion zeigte ihm und seiner Frau Friederike im Herbst 2019, dass sie einen Nerv in der Branche getroffen hatten. In diesem Sommer soll das System nun marktreif sein.

Die Vermehrung von hochwertigen Pflanzen ist ein komplexer Prozess, der nicht nur sehr spezielles Know-how, sondern auch viel manuelle Arbeit erfordert. Für Betriebe in den sogenannten Hochlohnländern lässt sich die Arbeit kaum noch kostendeckend abwickeln, weshalb die meisten ihre Pflanzenvermehrung inzwischen im Ausland erledigen lassen. Friederike und Stephan von Rundstedt, die mit der Firma Bock Bio Science selbst in diesem Feld aktiv sind, ist der Trend zum Offshoring jedoch ein Dorn im Auge. Vor allem stört sie der ökologische Fußabdruck, den der Transport der Pflanzen hinterlässt. Darüber hinaus widerstrebt ihnen die Abgabe von Know-how an potenzielle Konkurrenten. Faktoren wie der richtige Nährboden, die Beleuchtung, die Sterilität im Werkbereich oder der korrekte Schnitt zählen zu dem Wissen, das die Bock-Gruppe über lange Zeit in vielen iterativen Schritten erworben hat und daher nur ungern an Wettbewerber weitergegeben möchte.

Daher begannen die von Rundstedts bereits vor rund zehn Jahren mit dem Vorhaben, einen Teil des Prozesses zu automatisieren. Am Anfang beauftragten sie einen externen Dienstleister, der allerdings laut Rundstedt nicht mit dem Projekt vorankam. Daher wandte sich das Ehepaar an das Institut für Automatisierung und Technik (IAT) der Universität Bremen, um eine Machbarkeitsstudie durchführen zu lassen. Das Ergebnis war positiv und der zuständige Mitarbeiter bewährte sich, sodass die Bock-Gruppe ihn gleich übernahm. Mittlerweile beschäftigt die Gruppe, die insgesamt 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst, alleine zehn Softwareentwickler.

Künstliche Intelligenz ermöglicht präzise Verarbeitung

Entstanden ist jetzt ein ausgefeiltes System mit dem Namen RoboCut. Die Maschine verfügt über vier sechsachsige Roboter, die auf engem Raum arbeiten und zentrale Aufgaben der Pflanzenvermehrung übernehmen. Der sensibelste Arbeitsschritt ist dabei die Teilung des Pflanzengewebes: Der Schnitt muss perfekt an der natürlichen Wachstumslinie sitzen, damit die Pflanze nicht zerstört wird. An dieser Stelle kommt die Künstliche Intelligenz ins Spiel – sie nutzt modernste 3D-Bildverarbeitung, um das Pflanzengewebe zu erkennen, schonend zu greifen und an die richtige Stelle für den Laserschnitt zu manövrieren. Anschließend werden die Gewebeteile erneut aufgenommen und automatisch in einen Behälter mit Nährlösung gesetzt.

Der Erfolg des Projekts hat sich bis in die USA herumgesprochen, wo ein Investor – das weltgrößte Gartenbauunternehmen – Geld in die Hand genommen und für die Entwicklung zur Verfügung gestellt hat, sodass die kostspieligen Investitionen erst möglich wurden. Die Zeichen stehen gut, dass sich der lange Atem des Unternehmerehepaars auszahlen wird: „Wir haben weltweit jede Mengen Anfragen“, so Stephan von Rundstedt.

Weitere Informationen:
https://robotec-ptc.com