Wirtschaftswachstum braucht Vereinbarkeit

Noch kein Jahr ist es her, dass sich das Netzwerk „Unternehmerinnen in der Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven“ gegründet hat. Mit rund 60 Teilnehmerinnen zeigte das vierte Treffen jetzt im Haus Schütting: Die Runde weiblicher Führungskräfte hat sich etabliert und wächst weiter. Inhaltlich stand diesmal das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Fokus.

Warum dieses Thema so wichtig ist, machte Handelskammer-Vizepräses Marita Dewitz gleich in ihren Begrüßungsworten deutlich. „Vereinbarkeit ist kein Frauenthema“, betonte sie. „Es ist ein Wirtschaftsthema.“ Der Fachkräftemangel sei längst Realität: „Und Unternehmen, die Vereinbarkeit ernst nehmen, gewinnen hochqualifizierte Fachkräfte.“

Präses André Grobien, der beim letzten Netzwerktreffen des Jahres ebenso zu Gast war wie Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger, kam im Anschluss auf weibliche Präsenz in der Wirtschaft zu sprechen – im Allgemeinen, aber speziell auch im Ehrenamt der Handelskammer. „Frauen haben oft einen anderen Ansatz, Themen anzugehen und zu lösen“, sagte Grobien. „Es ist immer ein Vorteil, Dinge aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.“

Vielfalt bringe bessere Entscheidungen. Er hoffe daher, dass der Frauenanteil in den Gremien der Handelskammer, der aktuell bei rund 20 Prozent liege, weiter zunehmen werde. In diesem Sinne sei das Unternehmerinnen-Netzwerk nicht nur ein lebendiger Ort des Austauschs, sondern auch eine Brücke zum Ehrenamt: „Wir wollen damit deutlich machen, dass die Tür der Handelskammer für Frauen weit offen steht.“

Sorgearbeit macht Erwerbsarbeit erst möglich

Für die Keynote war Kirsten Frohnert, Projektleiterin des bundesweiten Unternehmensnetzwerks „Erfolgsfaktor Familie“, aus Berlin angereist. Das Programm, zu dessen Gründungspartnern die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) zählt, bietet Arbeitgebern kostenfreie Unterstützung bei der Umsetzung einer familienbewussten Personalpolitik, um ihren Beschäftigten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.

In dem Zusammenhang hatte Frohnert eindrucksvolle Zahlen mit nach Bremen gebracht. So liege das jährliche Volumen der Erwerbsarbeit in Deutschland aktuell bei 60,6 Milliarden Stunden – während zugleich Frauen 72 und Männer 44,9 Milliarden Stunden unbezahlte Sorgearbeit leisteten. „Wir brauchen also fast 117 Milliarden Stunden Sorgearbeit, um die Erwerbsarbeit überhaupt zu ermöglichen“, rechnete sie vor.

Allein daran werde deutlich, welch entscheidende Rolle das Thema Vereinbarkeit für die Wirtschaft spiele. „Vereinbarkeit ist das neue Normal“, stellte Frohnert fest. Um sie zu erreichen, brauche es Arbeitsflexibilität und eine klare Haltung der Führungskräfte in einem Unternehmen. Vereinbarkeit sei ein wesentlicher Bestandteil der Fachkräftesicherung und fördere nicht zuletzt auch Partnerschaftlichkeit. Unter dem Strich lasse sich daraus nur ein Fazit ziehen: „Wirtschaftswachstum braucht Vereinbarkeit.“ Eine familienbewusste Unternehmenskultur sei eine wichtige Grundlage für betrieblichen Erfolg, so die Projektleiterin.

Karriere und Teilzeit müssen sich nicht widersprechen

In der anschließenden Podiumsdiskussion vertieften Präses André Grobien und Kirsten Frohnert das Thema noch einmal mit zwei weiteren Gästen. Aus Bremerhaven war Thorsten von Scheidt, geschäftsführender Gesellschafter der Feddersen Food GmbH, mit an Bord. Er berichtete, was sein Unternehmen alles tut, um bereits dreimal mit dem Siegel „Ausgezeichnet familienfreundlich“ der Bremer Landesagentur für berufliche Weiterbildung und Transformation (LABEW+) zertifiziert worden zu sein. Unter anderem nannte er flexible Arbeitszeiten, individuelle Lösungen auf kurzem Dienstweg, eine Kultur der Offenheit und die Einrichtung eines Eltern-Kind-Zimmers.

Die stellvertretende LABEW+-Leiterin Rena Fehre machte deutlich, dass flexible Arbeitszeiten und innovative Arbeitszeitmodelle entscheidende Stellschrauben im Kontext von Vereinbarkeitsangeboten seien. „Momentan empfinden viele die Kombination aus Karriere beziehungsweise Führung und Teilzeit noch als schwierig“, erläuterte Fehre. „Dabei gibt es viele unterschiedliche Maßnahmen, die sich auch individuell an die jeweilige Lebensphase anpassen lassen.“ Unternehmen seien hier aufgefordert, gerade auch Frauen aktiv Wege aufzuzeigen: „Wenn Frauen gezielt auf Karriereschritte und Entwicklungsmöglichkeiten angesprochen werden, kommt oft schon eine Menge in Bewegung.“

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