Die bremische Wirtschaftsleistung ist im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen. Auch für das laufende Jahr ist keine Kehrtwende in Sicht. Neben den allgemein ungünstigen Rahmenbedingungen bereiten den Unternehmen vor allem die steigenden Arbeitskosten, der Fachkräftemangel und die Entwicklung der Inlandsnachfrage Sorge.
Gut 28 Jahre ist es jetzt her, dass der damalige Bundespräsident Roman Herzog seine berühmte „Ruck-Rede“ hielt. Durch Deutschland müsse ein Ruck gehen, hatte das Staatsoberhaupt damals gesagt. „Diese Aussage hat nach wie vor ihre Gültigkeit“, betonte Handelskammer-Präses André Grobien bei der Vorstellung des Statistischen Jahresberichts 2024. Das Land stehe unverändert vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. Dabei könne das von der Bundesregierung beschlossene Milliardenpaket ein guter Impuls sein: „Die Investitionen müssen jetzt aber schnell kommen und dürfen sich nicht im verwaltungstechnischen Nirvana verlieren“, forderte Grobien. „Es braucht klare Reformen, die Wachstum und Innovation ermöglichen.“
„Wir brauchen den Einsatz aller“
Geopolitische Krisen und ungünstige Rahmenbedingungen durch überbordende Bürokratie sowie teilweise unzureichende Infrastruktur, dazu die hohen Energie- und Arbeitskosten, der Fachkräftemangel und eine schwache Inlandsnachfrage: Auch im zurückliegenden Jahr stand die Wirtschaft im Land Bremen unter starkem Druck. Laut vorläufigen Berechnungen des Statistischen Landesamts sank die bremische Wirtschaftsleistung 2024 um ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr, womit der Rückgang deutlich stärker ausfiel als im bundesweiten Durchschnitt (-0,2 Prozent). Der Präses verwies darauf, dass es bereits 2023 ein Minus gegeben habe und die Rezession im laufenden Jahr anhalte. „Wir brauchen diese Investitionen darum dringend, um die Beschäftigungszahlen und die Wirtschaftslage ins Positive zu wenden. Und dabei darf es sich nicht um konsumtive Ausgaben handeln – sondern sie müssen unser Land nach vorne bringen.“
Die Ankündigung von ArcelorMittal, die Pläne für eine grüne Stahlproduktion in Bremen trotz aller Subventionen aufzugeben, bezeichnete der Präses als schmerzhafte Nachricht. „Wir müssen wir als einen deutlichen Weckruf an die deutsche Politik verstehen: Deutschland muss endlich zu einer insbesondere für energieintensive Industrien tragbaren Energiekostenbelastung kommen.“
Die Unternehmen bräuchten einen raschen und spürbaren Bürokratieabbau sowie Erleichterungen auf breiter Front, unter anderem durch Entlastungen bei den Kosten für Energie und Arbeit sowie bei den Steuern. Mit Blick auf die Bedeutung der Häfen sowohl für die bremische Wirtschaft als auch für den deutschen Außenhandel insgesamt betonte Präses Grobien: „Die Hafenstrukturen müssen so verändert werden, dass sie zukunftsfähig sind und einen modernen Hafenbetrieb ermöglichen. Dabei spielt die Digitalisierung, wie in allen Bereichen, eine wichtige Rolle.“
Erschwert werde die Gesamtlage durch Einflüsse von außen, unter anderem durch den aktuellen Zollkonflikt zwischen den USA und der Europäischen Union. Aber gerade weil sich manche Themen nicht unmittelbar beeinflussen ließen, müsse die bremische Politik umso mehr Energie darauf verwenden, im Land Bremen für schlanke und funktionsfähige Strukturen zu sorgen. Der abschließende Appell des Präses: „Wir brauchen den Einsatz aller, damit der benötigte Ruck jetzt kommt.“
Baldiger Aufschwung nicht in Sicht
Dr. Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, begann seine Ausführungen mit einem Blick auf die bremischen öffentlichen Haushalte. Zwar werde aktuell ein großer Teil der zusätzlichen, schuldenfinanzierten Ausgaben für investive und wirtschaftsorientierte Maßnahmen verwendet: „Es mangelt aber weiterhin an wirklichen Sparanstrengungen bei den konsumtiven Ausgabe“, kritisierte er. Auch die Eckpunkte für die Haushalte 2026/2027 zeigten keine tiefgreifenden Reformanstrengungen für eine strukturelle Gesundung der bremischen Haushalte. „Die Prioritäten müssten insgesamt noch viel stärker auf wachstumsfördernde Investitionen gelegt werden.“
Die aus dem Statistischen Jahresbericht hervorgehende negative Konjunkturentwicklung wird durch die vierteljährlichen Konjunkturumfragen der Handelskammer bestätigt. „Derzeit deuten die Zeichen nicht auf einen baldigen Aufschwung hin“, sagte der Hauptgeschäftsführer. „In der bremischen Wirtschaft fallen die Geschäftserwartungen für das Jahr 2025 deutlich negativ aus.“
Zwar habe es zuletzt in einzelnen Bereichen wie dem Container-Umschlag und der Rüstungsindustrie Wachstum gegeben, jedoch seien dies Ausnahmen und nicht die Regel. Am Rückgang der bremischen Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr hatte die schwache Industriekonjunktur einen wesentlichen Anteil. Im Vergleich zum Vorjahr wurde beim Industrieumsatz ein Minus von 4,9 Prozent registriert, wobei die negative Entwicklung vor allem auf Umsatzeinbußen im Inland zurückzuführen ist (-13,9 Prozent).
Deutlich gestiegen ist die Zuversicht dagegen im Baugewerbe, das von den zusätzlich vom Bund geplanten Mitteln für die Infrastruktur profitieren könnte. „Wenn die Investitionen jetzt schnell kommen, ist 2026 mit ersten positiven Auswirkungen zu rechnen“, erläuterte Dr. Fonger. Auch die Aussichten für das Exportgeschäft würden nach wie vor leicht positiv eingeschätzt, wobei hier vieles von der weiteren Entwicklung des Handelskonflikts mit den USA abhänge. Insgesamt brauche es verlässliche Rahmenbedingungen und einen Abbau der häufig lähmenden Bürokratie, um die Investitionsabsichten der Unternehmen zu steigern. „Und gleichzeitig müssen die teils marode öffentliche Infrastruktur saniert und ausgebaut sowie die Digitalisierung vorangetrieben werden.“