Das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos hat im Auftrag der Handelskammer Bremen und der Unternehmensverbände im Lande Bremen e.V. eine Studie zur geplanten Rekommunalisierung der Abwasserentsorgung und der Abfalllogistik erstellt. Die Gefahr von höheren Kosten bei möglicherweise geringeren Leistungen ist demnach sehr groß.
Seit 1999 ist die kommunale Abwasserentsorgung in Bremen teilprivatisiert, bereits ein Jahr zuvor war schon die Abfallentsorgung teils in private Hände gegeben worden. Vorausgegangen waren stetig steigende Defizite, die auf den kommunalen Haushalten lasteten. Der damalige Bürgermeister Dr. Henning Scherf kritisierte beispielsweise im August 1995, die Müllabfuhr sei „zu schlecht und zu teuer“. Darüber hinaus wollte das Haushaltsnotlageland diese Wirtschaftsbereiche verkaufen, um sich finanziellen Spielraum für das Sanierungs- und Investitionssonderprogramm zu verschaffen.
Im Jahr 2004 zog der Senat eine positive Bilanz. Neben dem „beachtlichen langfristigen positiven Haushaltseffekt“ sei besonders herauszustellen, dass die privaten Gesellschaften „in erheblichem Maße steuerliche Leistungen erbringen“. Weitere 20 Jahre später hat sich diese Einschätzung jedoch geändert und der aktuelle Senat verspricht sich Kosteneinsparungen „in Millionenhöhe“ durch eine Rekommunalisierung.
Im Februar 2025 stellte der Senat seinen Plan vor, die Hansewasser Bremen GmbH künftig nicht mehr als öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP), sondern als vollständig kommunales Unternehmen führen zu wollen. Aktuell wird zudem im Bereich der Abfalllogistik und der Straßenreinigung in der Stadt Bremen eine Rekommunalisierung geprüft. Hintergrund ist in beiden Fällen, dass die bisherigen Verträge 2028 auslaufen und erneuert werden müssen – entweder durch Neuausschreibung einer ÖPP oder durch Schaffung eines kommunalen Eigenbetriebs.
Einsparungen unsicher, Mindereinnahmen gewiss
Die Handelskammer und die Unternehmensverbände betrachten die aktuelle Diskussion und die Festlegung auf eine Rekommunalisierung der Abwasserentsorgung mit großer Sorge. Eine Entscheidung über die künftige Organisationsform erfordere die Kenntnis von Vergleichsrechnungen, Sekundäreffekten und Leistungsindikatoren, teilten sie gemeinsam mit. Eine solche Faktenbasis existiere bislang für die Öffentlichkeit nicht, denn das Gutachten, das der Senat als Entscheidungsgrundlage nennt, wurde bislang nicht veröffentlicht. Diese Lücke werde mit der vorliegenden Studie der Prognos AG geschlossen.
Da an der aktuellen Leistungserbringung der privaten Gesellschaften im Abwasser- und Abfallbereich keine Kritik geübt wird, hat sich die Untersuchung vor allem auf die finanziellen Auswirkungen sowie die künftig absehbaren Leistungsmerkmale fokussiert. Dabei wurde deutlich, dass der öffentliche Haushalt erheblich durch Steuereinnahmen von der Konstruktion einer ÖPP profitiert hat – im Gegensatz zu einer vollständigen kommunalen Organisation, die in der Vergangenheit insbesondere durch stetig steigende Gebühren und wirtschaftliche Defizite aufgefallen war.
Ein Beispiel für den Verlust an Leistungsqualität sind laut Studie die Recyclinghöfe, die bereits jetzt kommunal organisiert werden. Seit der Übernahme durch die Stadt ist zwar die Zahl der Mitarbeitenden gegenüber dem ursprünglichen Plan um 30 Prozent gestiegen – gleichzeitig aber sind die Öffnungszeiten um 35 Prozent zurückgegangen.
Auch bei den Herausforderungen der Zukunft sieht die Studie erhebliche Vorteile durch die Einbindung eines privaten Partners, etwa durch günstigere Beschaffungspreise, unternehmerisches Wissen sowie Innovation und Personalplanung im Kontext des zunehmenden Fachkräftemangels.
„Der Eindruck, dass der Staat der bessere Unternehmer wäre, trifft unserer Ansicht nach nicht zu“, sagte Präses André Grobien bei der Vorstellung der Studie im Haus Schütting. „Gerade privatwirtschaftliche Akteure haben einen großen Antrieb, kosteneffizient, innovativ und kundenorientiert zu arbeiten, um am Markt zu bestehen. Diese Vorteile gehen mit einer Rekommunalisierung weitestgehend verloren.“
Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Land Bremen, erklärte: „Wir haben diese Studie mit in Auftrag gegeben, weil wir der Meinung sind, dass eine solide und unvoreingenommene Datenbasis unverzichtbar ist, wenn es darum geht, abzuwägen, ob die derzeit gut funktionierende Organisationsform der Abwasser- und Abfalllogistik geändert werden sollte.“
Druck auf Personalkosten wird steigen
Dr. Jan Trenczek von der Prognos AG verwies ebenfalls auf die Vorteile der bestehenden Konstellation bei der Bewältigung der Aufgaben, die in den kommenden Jahren bevorstehen. Der Grund für steigende Gebühren habe zuletzt vor allem in den wachsenden Personalkosten aufgrund steigender Löhne gelegen, sagte er. Der Druck auf die Personalkosten werde weiter steigen, weil ein großer Teil der Beschäftigten bereits über 55 Jahre alt sei und ein Mangel an Arbeitskräften drohe – „ein Grund, warum man mit einer Organisation unterwegs sein sollte, die einen Anreiz hat, in Innovationen zu investieren.“
Generell sei der Investitionsbedarf in den kommenden Jahren immens und könne von Bremen nicht durch Rücklagen aufgebracht werden, heißt es in der Studie. So werden im Bereich der Abfalllogistik rund 123 Millionen Euro zum Kauf einer neuen Fläche, für den Aufbau eines Betriebshofes mit Ladeinfrastruktur, Sanierungen und Modernisierungen sowie Trends wie Digitalisierung, Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft fällig. Die hierfür notwendigen Mittel müsste Bremen am Kapitalmarkt aufnehmen. „Unklar ist zudem, wie sich die erheblichen Investitionen mit dem Sanierungshilfengesetz, nach dem Bremen 400 Millionen Euro jährlich erhält, vereinbaren lassen“, betonte Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger.
Die erhofften Einsparungen sind laut Prognos ebenfalls sehr unsicher. Vermeintliche Vorteile einer Rekommunalisierung wie die angestrebte Mehrwertsteuerbefreiung gehen bei genauerer Betrachtung mit erheblichen Einnahmeverlusten bei Gewerbesteuern, Körperschaftssteuern und Kapitalertragssteuern auf Gewinne einher. Die Mehrwertsteuerbefreiung als zentraler Baustein des Modells sei zudem eine Entscheidung des Bundes und als solche nicht gesichert.
Spielräume bei der Vertragsgestaltung nutzen
Für sinkende Gebühren, so Dr. Fonger, sei vor diesem Hintergrund überhaupt kein Spielraum. „Wichtig ist, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen weiterhin auf gute Leistungen bei stabilen Gebühren setzen können. Unsere Studie zeigt jedoch klar: Eine Rekommunalisierung garantiert weder niedrigere Gebühren noch bessere Leistungen – im Gegenteil, das Risiko steigender Kosten ist sehr hoch.“
Um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, müsse der Senat nicht nur transparent mit seinem zugrundeliegenden Gutachten umgehen, sondern auch seine Zielsetzung klar definieren, erklärte Dr. Fonger. „Eine Rekommunalisierung wird mit einer besseren Leistung, sinkenden Gebühren, steigenden Einnahmen für die Stadt und größeren Einflussmöglichkeiten nach außen vertreten. Diese Punkte stehen in einem Zielkonflikt zueinander.“
Die Kritikpunkte des Senats an der aktuellen Organisationsform – beispielsweise, dass die Stadt nur unzureichend von den Überschüssen profitiere – hängen laut Handelskammer und Unternehmensverbänden weniger mit der Organisationsform als vielmehr mit der Vertragsgestaltung zusammen. Statt enorme Kosten für die Umorganisation auf sich zu nehmen, sollte versucht werden, das gewünschte Ziel durch eine Änderung der vertraglichen Bedingungen zu erreichen. „Wir hielten die Änderung eines gut funktionierenden Systems für eine groteske Fehlentscheidung“, betonte Cornelius Neumann-Redlin.
Laden Sie sich hier die komplette Studie „Gesellschaftsformen der Abwasser- und Abfallwirtschaft in Bremen“ (PDF) der Prognos AG herunter.
Bild oben:
Die Kläranlage in Bremen-Farge reinigt Abwasser aus Bremen-Nord und angrenzenden Gemeinden auf höchstem Umweltschutzniveau. Für seine vorbildliche Umwelterklärung wurde der Betreiber Hansewasser mit dem Deutschen Umweltmanagement-Preis ausgezeichnet. In den kommenden drei Jahren will das Unternehmen 8 Millionen Euro in die Sanierung der Faultürme investieren.
Foto: Hansewasser